Inhalt
Ein frommer Priester nimmt zur Weihnachtszeit ein in Not geratenes Paar in seinem Haus auf. Was als einfacher Akt der Freundlichkeit beginnt, wird schnell zur ultimativen Glaubensprüfung, als die Heiligkeit seines Hauses in Gefahr gerät.
Kritik
Gesehen beim zehnten HARD:LINE International Film Festival
Während Herbert Grönemeyer sich fragt, wann der Mann ein Mann ist, pulsiert im Kopf des frommen Pfarrers David (Graham Skipper, Christmas Bloody Christmas) die Frage, wann man ein guter Mensch ist. In seiner Kirche predigt er von der Güte, die in uns steckt und die er emblematisch vor sich her trägt. David selbst ist ein Paradebeispiel für einen aufgeschlossenen, freundlichen und überaus hilfsbereiten Kerl. Jede Hilfe, die er anbieten kann, ist ihm eine Freude. Auch als er den verlotterten Terry (Jeremy Gardner, Ben & Mickey vs. the Dead) aufgabelt, diesen bei sich aufnimmt und das Großmaul kurze Zeit später seine Freundin Lexi (Taylor Zaudtke, After Midnight - Die Liebe ist ein Monster) mitbringt, scheint alles in bester Ordnung. Zumindest auf Davids Sicht. Sein Umfeld findet die Neuzugänge seltsam, nicht nur weil nun eine Frau beim Geistlichen unterm Dach wohnt. Nach und nach kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es David immer schwerer fällt, seine Wohlfühlrolle des guten Samariters aufrechtzuerhalten. Stücken für Stück zerbröckelt die Fassade und genau das macht eine Menge Spaß.
Der zweite Spielfilm von Autorenfilmer Eric Pennycoff (Sadistic Intentions), der hier wahrscheinlich erneut mit Freunden und Bekannten zusammengearbeitet hat, spielt nicht gerade kreativ, aber dafür konzentriert mit dem Kontrast: Hier der gütige Geistliche, da das ungehobelte Pärchen. Zu Beginn erinnert das alles vom Look & Feel an klassische Komödien der 1980er und 1990er Jahre. Vor allem dank der Musik von Komponist Eric Romary stellt sich das Gefühl ein, hier eine Art vergessenen, weihnachtlichen Unterhaltungsfilm zu sehen, bei dem vielleicht sogar ein John Hughes mal beteiligt war. Das ändert sich rasch. Tonal wie musikalisch. Die charakterlichen Reibungen nehmen zu, werden härter, rauer, behalten sich aber ihre Komik, die nur deutlich düsterer und fieser wird. Spätestens wenn Alkohol und andere Drogen Zutritt in Davids Haus finden, ist von der liebenswerten wie netten Stimmung nicht mehr viel übrig.
David driftet immer mehr in den Wahnsinn ab, was nicht sonderlich subtil, dafür aber ohne richtige Längen vonstattengeht. Irgendwann, nach dem Halluzinationen, kleinere Gewalteskapaden und sexuelle Aktionen abgehandelt sind, schwebt es etwas im luftleeren Raum. Aus der schwarzen Komödie ist eine blutige Satire geworden, die selbst unsicher erscheint, was sie ihrem Publikum mit auf den Weg geben will. Unterhaltsam ist das durchgängig, wenn auch konzeptionell stellenweise etwas strukturlos. Der servierte Horror von The Leech wirkt viel zu selten wirklich essenziell für die Handlung. Manche dieser Exzesse erscheinen manchmal sogar wie eine Verschleierung der nicht vorhandenen Eleganz einiger Entwicklungen der Geschichte. Einen schärferen Blick auf den eigenen Subtext hätte Eric Pennycoffs zweiten Spielfilm gutgetan.
Fazit
„Cheap Thrills“ trifft auf John Hughes. Rabenschwarze Komik, generiert aus weihnachtlichen Ambiente und der Geschichte eines Pfarrers, der versucht ein besserer Mensch zu sein und dabei in seinen eigenen Untergang stolpert. Kein unvergesslicher Spaß, aber ein durchaus solider – auch außerhalb des Beichtstuhls.
Autor: Sebastian Groß