Inhalt
Steve Rogers alias Captain America entscheidet sich, seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit S.H.I.E.L.D. und Natasha Romanoff alias Black Widow im Hier und Heute fortzusetzen. Er lebt zurückgezogen in Washington und tut sein Bestes, sich an die moderne Welt zu gewöhnen. Doch als ein S.H.I.E.L.D.-Agent unter Beschuss gerät, wird Steve in ein Netz von Intrigen verwickelt, das eine Gefahr für die ganze Welt darstellen könnte. Mit Black Widow an seiner Seite versucht Captain America verzweifelt, die sich weiter verdichtende Verschwörung aufzudecken. Dabei muss er sich immer wieder gegen professionelle Attentäter wehren, die ihn zum Schweigen bringen sollen. Als sich die gesamte Tragweite des teuflischen Plans offenbart, finden Captain America und Black Widow in dem Falken einen neuen Verbündeten. Gemeinsam sehen sie sich schon bald einem so unerwarteten wie gefährlichen Gegner gegenüber - dem Winter Soldier.
Kritik
Man kann von Disney halten, was man möchte. Für eines gebührt ihnen (und v.a. Kevin Feige) allerdings der Dank jedes Film- und Comic-Nerds auf dieser Welt. Drei Wörter, die allen Geeks und Action-Enthusiasten das Wasser im Mund zusammen laufen lassen: Marvel. Cinematic. Universe. Obwohl mit „Iron Man 2“, „The Incredible Hulk“ und nicht zuletzt dem ersten Auftritt des Vorzeige-Supersoldaten in „Captain America – The First Avenger“ der ein oder andere Fehlgriff seinen Platz ins „Cinematic Universe“ gefunden hat, lässt die durchschnittliche Qualität der Marvel-Filme sonstige Action-Blockbuster im Regen stehen. Kevin Feige zog beim Nachbau des Comic-Universums auf der großen Leinwand oft die richtigen Fäden, brachte die richtigen Drehbuchautoren, Regisseure und Darsteller ins Spiel und machte die Post-Credit-Szene salonfähig. Mit dem Cinematic Universe stieß er bei den Fans auf so gutes Feedback, dass sein Publikum mittlerweile so sehr hinter ihm steht, dass diese einem Sci-Fi-Action-Film mit einem Raketen-Waschbär und einem sprechenden Baum entgegenfiebern, von dem sie zuvor noch nie etwas gehört haben. Und das während DC und Warner Bros. einen teuer produzierten „Green Lantern“-Film in den Sand setzten, einen mittelmäßigen „Man of Steel“ ins Rennen schickten und behaupten, die Welt wäre noch nicht bereit für einen „Wonder Woman“-Film. Ob dies etwas mit dem fragwürdigen Casting Gal Gadots zu tun hat, sei mal dahin gestellt. Solch eine Aussage lässt sich allerdings anzweifeln, wenn Marvel es schafft, einen Space-Waschbär mit einem Raketenwerfer in einen Film zu packen und sowohl Fans, als auch der Presse nach einem Trailer die Schuppen von den Augen fallen. Doch bevor die „Guardians of the Galaxy“ im August unsere Kinos stürmen, springt der amerikanische Soldat par excellence ein zweites Mal in „The Return of the First Avenger“ ab dem 27. März über unsere Leinwände.
Bevor überhaupt das zweite Abenteuer von Captain America startet, das hierzulande mit dem fürchterlich einfallslosen Zusatztitel „The Return of the First Avenger“ vermarktet wird, wurde nicht nur bereits „Captain America 3“ bestätigt, es wurde ebenso enthüllt, dass die verantwortlichen Regisseure des aktuellen Teils, Joe und Anthony Russo, erneut auf dem Regiestuhl Platz nehmen sollen. Dass Kevin Feige auch noch mit breiter Brust verkündete, man werde nicht vom aktuellen Startdatum, dem 06. Mai 2016, ausweichen, obwohl an besagten Tag ebenso der heißersehnte „Batman vs Superman“ von DC und Warner Bros. starten soll, beweist das Vertrauen des verantwortlichen Studios in "The Return of the First Avenger" (OT: „Captain America – The Winter Soldier“). Und das aus gutem Grund.
Die Brüder Anthony und Joe Russo, die hier für die Regie verantwortlich waren, erscheinen dabei als ziemlich fragwürdige Besetzung. Ihr Portfolio wird geziert von Comedys und und der Regie-Arbeit bei einigen Fernsehserien, wie etwa „Community“, „Happy Endings“ und „Arrested Development“. Talent und Kreativität fehlt dem Regie-Duo somit keineswegs, doch fehlt ihnen definitiv die Erfahrung mit Big-Budget-Action-Blockbuster. Und sowohl umso erfreulicher, als auch überraschender ist es, dass die Action in „The Return of the First Avenger“ nicht weniger ist, als absolut großartig. Der größte Pluspunkt in der Inszenierung wurde gewiss damit erreicht, dass es den Regisseuren hervorragend gelungen ist, Captain Americas „Superkräfte“ zu visualisieren. „Superkräfte“ per se besitzt er zwar nicht, aber als Supersoldat haut und schlägt und tritt er drei, vier und fünf mal so hart um sich, wie sonst jeder Navy Seal. Die Action wird deshalb definiert von Nahkämpfen mit Faust, Messer, Fuß und nicht zuletzt Schild, wobei der Avenger in (Marine-)Blau kräftig austeilen darf. Dabei rammt er (wortwörtlich) eine Tür nach der anderen ein, kickt Männer geradezu durch die Luft, als wären es Fußbälle und entwaffnet sie in brutaler Jason-Bourne-Manier, um ihnen letztendlich mit einem coolen Handkantenschlag das Licht auszuknipsen, was auf der Leinwand einfach nur unglaublich befriedigend wirkt. Die kreative und durchaus intensive Benutzung des Schildes in den Kämpfen zaubert sehr coole Momente aufs Bild, denen man einen gewissen „Badass“-Faktor nicht absprechen kann. Auch mit Schuss- und Stichwaffen wird nicht gegeizt, ebenso wenig mit Leichen. Generell fällt „The Return of the First Avenger“ überraschend brutal aus. So brutal, dass z.B. einem „Bad Guy“ in einer Kampfszene die Hand mit einem Messer an die Wand getackert wird. Dass in all dem Krach kein einziger Tropfen Blut fließt, ist zwar angesichts all der Schuss- und Schlitz-Action etwas lächerlich, mindert den Spaß allerdings kaum.
Mit Ausnahme von „Thor“ und „Thor – The Dark Kingdom“, die eindeutig eher auf der Fantasy- als auf der Sci-Fi-Schiene fahren, zeichnet sich die Atmosphäre in „The Return of the First Avenger“ erneut mit diesem charakteristischen „Semi-Zukunfts-Flair“ aus, der auch sonst alle Marvel-Filme ziert. Hologramme, Beton-schneidende Pocket-Laser für die Handtasche, Miniguns unter dem Schaltknüppel im selbstfahrenden Auto, automatische Rammböcke, Magnet-Minen, robotisierte Gliedmaßen, Jetpacks und drei fliegende Flugzeugträger verleihen der Gegenwart, in welcher der Film angesiedelt ist, eine dezente und angenehme Science-Fiction-Aura.
Während „Captain America – The First Avenger“ noch ein WWII-Film mit einem Superhelden an der Spitze war, ist der zweite Teil ein etwas zu sehr auf Action und Zerstörung ausgerichteter Verschwörungsthriller der Marke „Der Staatsfeind Nr. 1“ oder „Das Bourne Ultimatum“. Als Dreh- und Angelpunkt greifen die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely für den Plot das Konzept der Freiheit und Überwachung auf. Was ist Sicherheit wert und wie viel seiner Freiheit muss man aufgeben, um wirklich „sicher“ zu sein? Eine interessante und durchaus filmreife Frage, mit der sich unzählige Filmklassiker bereits beschäftigt haben. In der modernen Zeit gibt es keine Staaten, in die Soldaten geschickt werden, um Kriege zu führen, während die USA weiter fröhlich im Westen, unbefleckt von Kriegen, ihr Dasein fristen. Dies änderte sich mit dem Krieg gegen Terror, als es keinen Staat zu bekämpfen gab, sondern eine radikale Ideologie, in den einzelnen Köpfen einzelner Menschen in der Masse. Der Krieg gegen den Terror wird in den USA geführt, mit Drohnen und Überwachungskameras, statt mit Kanonenfutter und Propaganda, Paranoia und Überwachung sind Resultate dieser Entwicklung. Die Autoren treten in "The Return of the First Avenger" aus ihrer Schale, widmen sich einem aktuellen Thema und richten in einem 170 Millionen Dollar-Action-Film den Blick kritisierend auf die eigene Regierung. Leider nimmt „The Return of the First Avenger“ zu diesem komplexen Thema eine etwas zu radikale, pro-amerikanische „Freiheit über alles“-Position ein, dass es schwerfällt, diese wirklich respektierend ernst zu nehmen. Das Augenzwinkern bezüglich der NSA-Affäre ist dabei allgegenwärtig, keineswegs dezent und beweist wenig Fingerspitzengefühl.
„The Return of the First Avenger“ enttäuscht allerdings ein wenig in seiner Charakterzeichnung. Dies liegt eigentlich ausschließlich daran, dass Captain America nicht im Geringsten eine Wandlung durch macht. Seine Ideologien und Überzeugungen aus den 40ern scheinen sich nicht zu ändern und erwecken den Eindruck, als sei er nur dazu da, um unserer gegenwärtigen Gesellschaft und korrupten Politik gute, alte Werte über Freiheit und Moral zu predigen. Aber was sich in „Marvel's The Avengers“ schon andeutete, wird in „The Return of the First Avenger“ Gewissheit: Chris Evans IST Captain America. Während er in „The First Avenger“ noch sehr blass blieb, konnte er sich im Avengers-Ensemble durchaus durchsetzen und sich beweisen. Evans ist als Captain America charmant und sympathisch, besitzt die richtige Statur und wechselt bei Bedarf aber unverzüglich in den Punch-Kick-Berserker mit Schild und strahlt eine dementsprechende Bedrohung aus. Scarlett Johansson ist wie immer, sowohl in den Actionszenen, als auch im Dialog, absolut hervorragend als grazile Spionin Natasha Romanoff (Black Widow). Anthony Mackie wird zwar relativ wenig Zeit auf der Leinwand gewährt und auch generell ist sein Charakter ziemlich bedeutungslos und überflüssig. Er fällt allerdings nicht nur positiv auf, sondern sorgt mit seinem „Jetpack mit Flügeln“ für furiose Action. Robert Redford wird leider in eine etwas klischeehafte Rolle gesteckt, wodurch er unter seinen Möglichkeit bleibt. Samuel L. Jackson darf wie gewohnt wieder den einäugigen Badass Nick Fury abgeben und hat auch weiterhin sichtlich Spaß an seiner Rolle. Besonders erwähnenswert ist der „Winter Soldier“ selbst, gespielt von Sebastian Stan. Der „Winter Soldier“ entpuppt sich als durchaus interessanter Charakter, dem nicht ein stereotypes Bösewicht-Image aufgedrückt wird. Zwar schlüpft er für die ersten 60 Minuten in diese Rolle, indem er alles zu Brei schießt, was ihm in die Quere kommt und sich fantastisch choreographierte Nahkampf-Duelle mit Captain America liefert (mit dem er physisch auf Augenhöhe ist), sondern stellt dank seiner Maske auch ein interessantes Mysterium bis zum letzten Drittel des Films dar, welches man als Zuschauer auch lösen möchte.
Fazit
Der Capt'n spielt hier leider nur die aufgetaute Moralkeule aus den 40ern und hält unserer ach so verkorksten Gesellschaft und (zugegebenermaßen sehr) korrupten Politik ständig den amerikanisch-patriotischen „Freiheit-über-alles“-Finger vor, anstatt eine Entwicklung während des Films durchzumachen. Dass die Handlung aktuelle Themen, wie Freiheit, Sicherheit und Überwachung behandelt, auf die NSA-Affäre hinweist und versucht Argumente beider Seiten der Debatte zu präsentieren, ist lobenswert. Dass der Film sich jedoch extrem auf eine Seite stellt, die Diskussion polarisiert, indem es eben jene Diskussion in ein „gutes“ und ein „böses“ Lager teilt, ist wiederum schwarz-weiß-malerisch und kritikwürdig. „The Return of the First Avenger“ hätte mit etwas mehr Fingerspitzengefühl im Drehbuch der bis dato beste Marvel-Film werden können. Denn was die Inszenierung, das Pacing und die Action angeht, ist „The Return of the First Avenger“ auf absolut herrlichem „Avengers“-Niveau. Die Nahkämpfe sind äußerst wuchtig, brutal und wenn der Captain ein Dutzend Bodybuilder ausknockt, nichts anderes als einfach nur befriedigend. Ebenso taucht mit dem „Winter Soldier“ der wohl bisher beste Antagonist im gesamten Cinematic Universe auf, der über einen Großteil des Films ein Mysterium darstellt, dem Publikum mit seiner Ausstrahlung unweigerlich Interesse abringt und sogar Loki hinter sich lässt. Und wer nach der Post-Credit-Szene keine Lust auf „The Avengers – Age of Ultron“ hat, dem ist nicht mehr zu helfen.
Autor: Kadir Güngör