Inhalt
Zwei Großstadtpolizisten verschlägt es aus verschiedenen Gründen in ein verschlafenes, französisches Provinzkaff. Elizabeth Guardiano soll die Ermittlungen in einem bizarren Familienmassaker unterstützen, Franck de Rolan ist auf der Suche nach verschwundenen Kindern. Schnell wird klar, dass sich die beiden Fälle überschneiden und mittendrin steht die Folklore-Legende des Seelenfängers…
Kritik
Es war im Jahr 2007, als das französische Regieduo Alexandre Bustillo & Julien Maury mit seinem brachialem Home Invasion Thriller Inside die Genre-Welt erschütterte. Nach High Tension von Alexandre Aja (Crawl) war dies der zweite, große Eintrag in der Welle der „Neuen französischen Härte“, die ein, zwei Jahre später im Prinzip schon wieder ad acta gelegt wurde. Ihre Folgewerke bekamen dadurch im Vorfeld entsprechend immer wieder einiges an Aufmerksamkeit spendiert, die breiten Masse (gemessen an denen, die sich an ihrem Debütfilm erfreuten) konnten sie aber nicht mehr für sich gewinnen. Da war nicht alles schlecht (Livid – Das Blut der Ballerinas oder Among the Living sind deutlich besser als ihr teilweise miserabler Ruf), aber mit so was wie Leatherface schien schon relativ klar, dass sich so etwas wie das Phänomen Inside nicht mehr wiederholen würde. Nun also ihr neuestes Werk Der Seelenfänger, das sich weg vom Horror- und Slasher-Genre mehr in die Richtung eines leicht mysteriös-folklorisch angehauchten Thrillers bewegt und sich darin – nach halbwegs interessanten Ansätzen – leider hoffnungslos verstolpert.
Basierend auf dem Roman Der Seelenfresser von Alexis Laipsker wird die Geschichte um zwei zufällig aufeinandertreffende Ermittler*innen erzählt, die es in das Bergdorf Roquenoir verschlägt. Die kantige Kommissarin Guardiano (Virginie Ledoyen, The Beach) wird an einen Tatort bestellt, an dem sich ein Ehepaar scheinbar auf bestialische Art und Weise gegenseitig abgeschlachtet hat. Bundespolizist de Rolan (Paul Hamy, Madame Claude) untersucht dort einen beinah schon verzweifelte Hinweis, um in einem Fall von mehreren, spurlos verschwundenen Kindern endlich Fortschritte zu vermelden. Als sie im Keller des Hauses den völlig verstörten Sohn der Opfer entdecken, stoßen sie auf die heimische Legende des Seelenfängers, der angeblich Menschen ihrer Seele beraubt und sie in Bestien verwandelt. In der Folge kommt es zu noch mehr brutaler Todesfälle uns es scheint sehr offensichtlich, dass irgendjemand versucht, ein gut gehütetes Geheimnis des über die Jahre mehr oder weniger ausgebluteten Städtchens zu bewahren.
Fangen wir mal mit dem Positiven an, das geht relativ schnell: erwartungsgemäß sieht Der Seelenfänger nicht schlecht aus, das konnten Bustillo & Maury immer. Das verlernt man so schnell nicht und da man den Beiden zwar viel vorwerfen kann, aber niemals den Mangel an Leidenschaft und Selbstbewusstsein, ist das auch hier der Fall. Die glauben an ihre Filme und geben sich immer Mühe, so auch hier. Die rein handwerkliche Präsentation ist völlig in Ordnung und obwohl man sich eindeutig nicht im Slasher-Genre bewegt, gibt es noch Raum für einige ziemlich explizite Gewaltspitzen, so dass der Gore-Bauer-Fanboy von einst noch etwas zum Beklatschen vorgeworfen bekommt. 2007 wäre das nur aufgrund dieser vielleicht drei Szenen nicht mit FSK: 16 durchgekommen und noch ein paar Jahre zuvor direkt ins Zensur-Exil geschickt, aber das scheint inzwischen wie aus einem anderen Leben. Und zumindest der Anfang generiert so etwas wie Interesse an der Auflösung des gesamten Mysteriums, obgleich es hier bereits sämtliche Nonsens-Alarmglocken klingeln.
Tja, wer hätte es gedacht, so kommt es auch. Der Seelenfänger verläuft sich in einem absurd konstruierten Plot, vollgestopft mit lächerlichen Pointen, die selbst nicht zwingend Logik-affinen Gelegenheitszuschauer*innen mittelschwere Kopfschmerzen verursachen dürften. Hier wird das Schock-Momentum über jedweden Sinn und Verstand gestellt und einfach angenommen, dass der Zweck die Mittel heiligt. In einem primitiven Slasher mag das sogar ab und zu funktionieren, wenn dir aber hier eine (grundsätzlich) ziemlich ernste und bösartige Thematik mit so einem Humbug versucht wird unterzuschummeln, grenzt das schon ans Respekt- und Pietätlose. An der Auflösung scheiterten auch schon viel bessere Filme dieser Gangart, aber wenige so fatal wie dieser. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass eigentlich nie echte Spannung generiert wird und maximal die Neugier auf die (eigentlich zum Scheitern vorverurteilte) Auflösung bei der Stange hält. Eine Rätsel und harte Schauwerte sind kein Ersatz für eine gute Geschichte oder spannende Narration, solides Handwerk hin oder her.
Fazit
Das einstige Kult-Duo Bustillo & Maury zementieren weiter die eigene Belanglosigkeit. „Der Seelenfänger“ funktioniert maximal kurzfristig durch das Interesse an einer dämlichen Auflösung mit hanebüchenen Plot-Holes, gegen die jeder Fitzek-Roman wirkt wie ein Pulitzer-Preisträger. Das ist aufgrund des pulpigen Groschenroman-Ambientes nicht wirklich langweilig und man kann sich am Ende auch prima darüber aufregen, so dass er auf eine falsche Art mehr „Spaß“ oder zumindest „Entertainment“ hervorruft als so manch andere Krücke ohne irgendeinen Schauwert. Aber darauf darf und sollte man nicht stolz sein.
Autor: Jacko Kunze