Inhalt
Anna Fox (Amy Adams) fühlt sich am sichersten, wenn sie die Welt von der Geborgenheit hinter ihren Fenstern aus beobachten kann. Doch dann zieht gegenüber Familie Russell ein und sie wird Zeugin von etwas Undenkbarem. Stellt sich nur die Frage: Was hat sie wirklich gesehen?
Seit 14. Mai 2021 exklusiv auf Netflix.
Kritik
Als Prestige-Thriler für 20th Century Fox konzipiert, feierte The Woman in the Window von Regisseur Joe Wright (Die dunkelste Stunde) nun exklusiv seine Premiere auf Netflix. Vorausgegangen waren desolate Testvorführungen, daraus resultierende Nachdrehs und schließlich die Übernahme von Fox durch Walt Disney, die ähnlich wie bei The New Mutants nicht so wirklich wussten, was sie mit dem Film nun anstellen sollen und schließlich noch Covid-19. Sie entschieden sich dazu ihn an Netflix zu verkaufen, wo er am 14. Mai 2021, knapp zwei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Kinostart, endlich erschienen ist.
Der Weg war also lang für The Woman in the Window und nicht alle waren mit den internen Entscheidungen zufrieden. Drehbuchautor Tracy Letts (Im August in Osage County), der im Film selbst eine Nebenrolle hat, zeigte sich, enttäuscht darüber, dass das Studio Nachdrehs beorderte, die den Thriller für das Publikum verständlicher machen sollte. Ein Vorhaben, welches geglückt ist. Am Ende gibt es keinen offenen Fragen mehr. Nichts bleibt den Schatten überlassen, schon gar nicht, welche Art von Film Regisseur Wright mit der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von A.J. Finn abliefern wollte.
The Woman in the Window ist durch und durch eine Hommage an Alfred Hitchcock. Es dauert nicht einmal zwei Minuten, das ist ein kurzer Ausschnitt von Das Fenster zum Hof zu sehen. Nicht die einzige Anspielung. Es wird viel stilistische Mimikry begangen, die dafür sorgt, dass einem der Thriller nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell recht bekannt vorkommt. Wright gelingt es aber immer wieder hübsche Ideen einzugliedern, deren symbolische Strahlkraft zwar oftmals extrem plump dafür aber auch edel ausfallen. Indes täuschen diese nicht darüber hinweg, dass die Romanverfilmung keine wirklich gute Symbiose aus Drama und Thriller hinbekommt.
Eigentlich fast immer, wenn die psychische Komponente der Geschichte behandelt wird, verfällt der Film dem Irrglauben, dass man dies sofort für den Aufbau von Spannung nutzen muss. Das hat zur Folge, dass Hauptfigur Anna trotz ihrer Schwächen und Eigenheiten, nie wirklich wie ein echter Charakter daher kommt. Mehr ist sie fast schon ein Objekt, dass zwischen den Szenen hin und her geschoben wird. Dass Amy Adams (Nocturnal Animals) dazu wieder so performt, als müsste sie der Oscar Academy ihr Spiel schmackhaft machen, sorgt mit dafür, dass die Figur mit der meisten Screentime und der wichtigsten Funktion auch die uninteressanteste ist. Die diversen, teils sehr prominent besetzten, Nebenfiguren haben eben auch den Vorteil, dass sie Geheimnisse haben, die den Kriminalplot anreichern.
Wer sich allerdings von The Woman in the Window nicht mehr erhofft, als einen stilistisch gelungen und dazu recht kurzweiligen Thriller mit deutlichen Hitchcock-Vibes, der wird hier bestens bedient. Nichts was der Film auftischt ist wirklich frisch und die finale Auflösung ist hanebüchen und sorgt dafür, dass sogar kurz der Einruck entsteht, die Macher wollten auf den letzten Metern noch eine Slasher aus der Produktion machen, aber insgesamt ist The Woman in the Window nicht die Vollkatastrophe geworden, die viele haben kommen sehen. Es ist ein handwerklich guter, dramaturgisch über konzipierter und unterhaltungstechnisch durchaus gelungener Spannungsfilm. Ein Thriller für Menschen, die das Genre nur dann mögen, wenn sie von ihm nicht überfordert oder verunsichert werden.
Fazit
Miese Testscreenings, Nachdrehs, Studioübernahme, Verschiebungen, Verkauf an Netflix. Sein wir ehrlich, die Geschichte hin zum Release von "The Woman in the Window" ist interessanter und spannender, als der eigentliche Film. Doch die Erwartungen, dass uns hier ein süffisanter Fehlschlag erwartet, erfüllen sich nicht. Der starbesetzte Thriller funktioniert insgesamt, trotz teils großen Sandkörnern im Getriebe, recht gut. Sieht schick aus, ist kurzweilig, hat ein paar nette Einfälle und lässt sich wohl am besten kategorisieren unter "Kann man mal gucken".
Autor: Sebastian Groß