7.3

MB-Kritik

Civil War 2024

Action, Thriller

7.3

Nick Offerman
Kirsten Dunst
Wagner Moura
Jefferson White
Nelson Lee
Evan Lai
Cailee Spaeny
Stephen McKinley Henderson
Vince Pisani
Justin James Boykin
Jess Matney
Greg Hill
Edmund Donovan
Tim James
Simeon Freeman
James Yaegashi

Inhalt

Die USA in naher Zukunft: Das Land ist von einem großen Bürgerkrieg gespalten. In Washington, D.C. übt der Präsident eine dritte Amtszeit aus, um sich mit dem US-Militär gegen die westlichen Streitkräfte von Texas und Kalifornien zur Wehr zu setzen. Unter anderem befehligt er Luftangriffe gegen aufständische amerikanische Bürger. Dennoch gelingt es den texanischen und kalifornischen Einheiten in Richtung Hauptstadt zu marschieren. Sie drohen, Washington, D.C. am Unabhängigkeitstag einzunehmen. Die Kriegsberichterstatterin Lee versucht gemeinsam mit ihren Kollegen Joel, Jessie und Sammy diesen Moment zu dokumentieren, trotz der Gefahr selbst in den Kriegswirren ums Leben zu kommen.

Kritik

„Der Job des Journalisten besteht darin, zu dokumentieren, nicht Fragen zu stellen.“

So erklärt die toughe Journalistin Lee (Kirsten Dunst, Fargo) dem Neuling Jessie (Cailee Spaeny, Priscilla), wie der Job eines Kriegsfotografen funktioniert. In dem neuesten Film von Alex Garland (Ex Machina) dreht sich alles um die Kriegsberichterstattung und er möchte gerne mit Civil War provozieren, doch anders, als man denkt. „The film is intended as a kind of provocation. Not provocation to fight … Actually to think and talk.“ Mit diesen Worten leitete Alex Garland höchstpersönlich das Special Screening in Berlin ein. Wenn man bereits vor der Sichtung des Films die Gelegenheit bekommt zu erfahren, was die Intention des Regisseurs und des Autors war, dann hat man natürlich die Möglichkeit noch mehr darauf zu achten, ob der Regisseur das, was er sich vorgenommen hatte, in die Tat umsetzen konnte. Die Frage lautet daher: Hat Alex Garland es geschafft, mit seinem Film, die Zuschauer zum Denken zu animieren? Und die Antwort ist ein ganz klares "Ja“.

Dabei ging es Alex Garland nicht darum, einen gewöhnlichen Kriegsfilm zu erschaffen, der nur auf Effekthascherei oder auf Patriotismus setzt und er hat es bewusst unterlassen, Gewaltszenen zu dramatisieren. Das Blut fließt nicht in Strömen und keiner steht immer wieder auf, nachdem er von den Kugeln durchlöchert wurde. Die Getroffenen fallen einfach nur um und sind tot und es gibt nichts Romantisches oder Schönes daran. Es rennt auch kein Held wie Rambo durch die Gegend, der alle über den Haufen schießt und wenn es überhaupt einen Helden in diesem Film gibt, dann ist es die Presse an sich und kein bestimmter Mensch. Es ist weder die abgeklärte Lee, noch der alte Hase Sammy (Stephen McKinley Henderson, Beau is Afraid) oder die unerfahrene Jessie, sondern es sind alle Journalisten gemeinsam, die als Sinnbild für unsere Grundrechte stehen. Pressefreiheit ist ein essenzielles Grundrecht, das uns vor korrupten Regierungen schützen soll. Wenn es unabhängige Berichterstattung nicht gäbe, dann gäbe es auch keine Demokratie und ohne Demokratie würden wir alle gleiche Frisuren tragen und dem obersten Diktator huldigen.

Nichtsdestotrotz hat Presse unglaublich viel Macht und trägt darum viel Verantwortung und es besteht stets die Gefahr, dass diese Macht missbraucht wird, weil jeder Journalist immer eine eigene Wertung miteinfließen lässt. Gerade deshalb ist es so bemerkenswert, dass Alex Garland sich dafür entscheidet, dass seine Figuren ihre Neutralität wahren. Mit resoluter Selbstverständlichkeit macht Lee, ohne mit der Wimper zu zucken Fotos von Menschen, die jeden Moment von den Extremisten erschossen werden. Sie bewertet nichts, sondern dokumentiert nur für die Nachwelt. Business as usual. Krieg ist nun mal Krieg. „Wir bitten Journalisten einiges zu riskieren. Es könnte ihr Ruf sein, ihr Job … oder im Extremfall können sie sogar umgebracht werden. Das erfordert Mut ... und wie die Soldaten im Krieg zahlen die Individuen einen Preis … wenn die Kriegskorrespondenten lange in dieser Umgebung bleiben, bezahlen sie ebenfalls einen Preis dafür. Bereits zu Beginn des Films zahlt Lee diesen Preis: Sie lebt bereits in einem traumatischen Zustand und sie will das junge Mädchen davon abhalten, diesen Job zu tun...“ (Alex Garland)

Doch es ist schwer jemanden aufzuhalten, der im Grunde genauso ist, wie man selbst. Jessie will unbedingt das echte Leben fotografieren und wie könnte Lee es ihr überhaupt verübeln, wenn sie früher einmal genauso war. In den meisten Kriegsfilmen stehen Soldaten stark im Fokus, um so wichtiger ist es zu zeigen, dass es noch mehr Menschen gibt, die durch die Kriegsereignisse stark traumatisiert werden und das sind eben die Journalisten. Sie dokumentieren die Wahrheit, weil sie nicht die Augen davor verschließen können, so wie manche anderen Figuren in diesem Film. Der Kontrast ist natürlich gewaltig, wenn das Presseteam durch Gebiete fährt, in denen geschossen wird und ein paar Meilen später eine ältere Dame seelenruhig ihren Hund ausführt oder eine Verkäuferin im Laden steht und ein Buch liest, als wäre nichts gewesen. Als würde nicht überall im Land Zerstörung und Chaos herrschen.

Gerade die Szenen, in denen Lee mit ihrem Team durch die menschenleeren Straßen mit den zerstörten, allein gelassenen Fahrzeugen fährt, erinnern mit ihrem apokalyptischen Flair am meisten an 28 Days Later. Alex Garland ist seinem Stil definitiv treu geblieben. Er arbeitet insgesamt gerne mit Kontrasten: Er zeigt etwas Wunderschönes und kurz darauf etwas Schreckliches oder lässt laute und dann wiederum leise Töne erklingen. Es hat etwas so Friedliches an sich, wenn Lee  für einen kurzen Augenblick ihren Kopf auf den grünen Rasen legt. Sie sieht dabei nahezu verträumt aus und es wirkt auch so surreal, wenn die Journalisten im Winter Wonderland von einem winkendem Schneemann zur Jingle Bells Melodie begrüßt werden und dann zeigt man später als Kontrast zu diesen friedlichen Momenten eine Grube voller Leichen …

Wenn nach ein paar ruhigen Momenten plötzlich ein Schuss ertönt, dann zuckt man unwillkürlich zusammen. Dabei wird gar nicht erklärt, wer, warum auf wen schießt. „Jemand versucht uns umzubringen und wir wollen sie umbringen.“ So einfach hat man die Kriegsprämisse wohl noch nie zusammengefasst. This is it. Mit der Kamera bewaffnet schießt man Hunderte von Bildern und, wenn man Glück hat, dann ist vielleicht diese eine besondere Aufnahme dabei, die für immer in Erinnerung bleibt. „Eine junge Fotografin beginnt darauf zu hoffen, ein ikonisches Foto aufzunehmen und mit diesem Foto einen ikonischen Moment einzufangen, der für immer in den Artikeln verwendet wird, bis ans Ende der Zeit … mit den Trophäen-Aufnahmen von Menschen‘ möchte man nicht den Tod feiern, sondern die Realität abbilden.... Es gibt so viele berühmte Bespiele dafür … so war es bei Pablo Escobar: „Jagd auf menschliche Trophäe mit lächelnden Leuten …“ (Alex Garland)

Eine Frage, die mit diesen Trophäen-Bildern zusammenhängt, stellt man sich unwillkürlich die ganze Zeit: Sind die Journalisten eigentlich lebensmüde oder warum bringen sie ihre Leben so leichtfertig in Gefahr? Doch Alex Garland wäre nicht Alex Garland, wenn er die Frage nicht durch eine seiner Figuren beantworten würde: „Ich habe mich noch nie so gefürchtet und gleichzeitig so lebendig gefühlt!“ Im Grunde ist die ganze Geschichte auch gar nicht so weit von einer möglichen Realität entfernt, denn während des Irakkrieges wurden die Soldaten auch von den Journalisten begleitet, um das Geschehen zu dokumentieren und so zerstritten, wie man gerade in den USA ist, könnte Civil War, Gott bewahre, in der Tat eine mögliche Zukunftsversion darstellen. Auf die Frage, warum die Handlung nicht in England, sondern ausgerechnet in den USA spielt, antwortete Alex Garland folgendes:Viele Länder haben ein Problem mit Extremismus und im Prinzip kann man die Handlung überall ansiedeln, doch Amerika ist bei weitem das größte, mächtigste und einflussreichste Land der Welt und ich denke, wir schauen auf Amerika anders, als wir zum Beispiel auf Holland schauen. Deshalb musste es Amerika sein … manche Menschen hassen Amerika dafür, wie dieses Land seine Macht und Einfluss einsetzen kann. Doch im Grunde spielt es keine Rolle … wir brauchen ein stabiles Amerika, denn wenn Amerika nicht stabil ist, dann ist der Rest der Welt auch nicht stabil … deswegen sollte die Warnung.... insbesondere in diese Richtung gehen.“

Alex Garland möchte mit seinem Film auf die Gefahren von Extremismus und Faschismus aufmerksam machen. „Die meisten Faschisten definieren sich selbst nicht als Faschisten … wenn wir auf Trump oder  Bolsonaro schauen, haben sie einige faschistische Tendenzen … solche Leute agieren wie Clowns und man nimmt sie einfach nicht ernst. Der Endprodukt von Extremismus kann so wie bei Civil War aussehen. Deswegen hoffe ich, dass man aufhört, diese Menschen als Clowns zu betrachten und erkennt, wie gefährlich sie sind.“ Das ist ein wahrlich edles Vorhaben, doch ob es tatsächlich gelingt, sei mal dahingestellt. Eins steht fest: Civil War erscheint trotz der fiktiven Handlung erschreckend realistisch und dient definitiv als Warnung für die ganze Welt. Wenn wir nicht aufhören, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, dann ist all das, was in Civil War passiert, unsere Zukunft. So viele Menschen glauben, dass die Kriege, die momentan stattfinden, sie nicht persönlich betreffen und halten sich raus, doch wenn alle diesem Beispiel folgen, wie manche Figuren in Civil War, dann gewinnen, so banal es auch klingen mag „die Bösen“ und wie würde dann wohl unsere Welt aussehen, wenn sie von Extremisten regiert wird? Wäre es immer noch ein schöner Ort zum Leben?

Fazit

Ein erschreckend realistischens Zukunftsszenario, das nicht nur als Warnung dient, sondern die Bedeutung der Presse insbesondere während der Kriegszeiten hervorhebt. Es geht nicht darum, die schlimmsten Bilder abzulichten und tote Menschen als Trophäen darzustellen, sondern die ungeschönte Realität zu zeigen. "Civil War" ist eindringlich und bewegend auf eine seltsam subtile Art. Es wird nichts dramatisiert oder romantisiert. Ebenso ergreift man nicht Partei für irgendeine Seite. Trotzdem zeichnet sich das ungewöhnliche dystopische Roadtrip-Abenteuer durch seine Wahrhaftigkeit aus und das, obwohl niemand da ist, der einem die Bedeutung dieser Wahrheit erklärt. Doch manche Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte …

Autor: Yuliya Mieland
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