Inhalt
Frank ist eine Kapazität auf dem Sektor des Geldschrankknackens, ein Desperado, der sich hinter einer bürgerlichen Fassade versteckt - unangreifbar. Bis zu dem Tag, an dem der Syndikatsboss Leo in sein Leben tritt und Frank in einen Vier-Millionen-Dollar-Coup einwilligt. Das größte Ding seines Lebens wird sein Verhängnis.
Kritik
Chicago lebt. Chicago atmet. Es dehnt sich aus, es zieht sich zusammen, es prustet und es faucht. Auch wenn die Millionenmetropole ihr Gesicht gerne mal im prasselnden Regenschauer und dem Schlagschatten der Anonymität verhüllt, zeigt sich Chicago als stetig bebender Organismus. Schon die Eröffnungsszene in Michael Manns „Thief – Der Einzelgänger“ (1981) beweist, zu welch visionärer Bildgewalt die Stadt in der Lage scheint, wenn man sie nur aus der richtigen Perspektive betrachtet respektive abstrahiert: Es ist Nacht geworden in Chicago, die Kamera ruht zentral in sich, beobachtet, inspiziert, wie die Lichter der Großstadt, welche sich in den Pfützen des unebenen Asphalts spiegeln, interagieren. Wie sie sich zu einem Lichtermeer ballen und in neongreller Sprache kommunizieren. Neongrell. Denn geht in „Thief – Der Einzelgänger“ die Sonne unter, dann bestimmt nicht etwa das diesige Mondlicht den Takt, sondern neongrelle Lichtsignale aus allen Himmelsrichtungen, die in wellenartigen Bewegungen über den Lack der Motorhauben fließen.
Als Zuschauer möchte man sich in den pittoresken Fotografien eines Donald E. Thorin verlieren. In der einzigartige Schönheit des Moments, für den Michael Mann („Heat“) bereits in seinem Debüt eine ungemeine Sensibilität entwickelt hat. Ohnehin ist „Thief – Der Einzelgänger“ ein Film, der Bilder sprechen lässt; der die Ambition besitzt, neue Visionen in der Kinolandschaft zu kultivieren. Und wenn sich dazu noch der mal treibende, mal ganz gezielt Geschwindigkeit drosselnde, ja, beinahe schon von Harmonie und Einmütigkeit säuselnde Soundtrack von Tangerine Dream einen paralysierenden Klangteppich über das Szenario legt, dann ist man sich wieder im Klaren darüber, was man unter einer 'audiovisuellen Allianz' zu verstehen hat. Tatsächlich aber hat Michael Mann mit „Thief – Der Einzelgänger“ keinen Film gedreht, der durch seinen äußeren Glanz überzeugt, im Inneren aber vollkommen hohl bleibt. Wie so häufig, korrespondieren Form und Inhalt unentwegt und gebären einen Protagonisten, der weiß, wie er sich als Keimzelle des Geschehens zurechtfinden muss.
Frank (James Caan,„Der Pate“) ist Tresorknacker – vermutlich der beste, den es an der gesamten Ostküste zu finden gibt. Er arbeitet präzise, Verbindlichkeiten widerstreben seinem zweifelhaften Berufsethos, nur sein langjähriger Kumpane Barry (James Belushi, „Red Heat“) darf ihm zur Seite stehen, wenn er sich Geldbündel oder Juwelen im großen Stil unter den Nagel reißt. Frank erscheint wie ein Produkt seiner maschinellen, frostigen Umwelt. Das Gefängnis hat ihn abgehärtet und verdeutlicht, was wichtig ist, um zu überleben: Man darf einfach keinen Wert daran binden, ob man lebt oder nicht. Es muss Dir gleichgültig werden, nur dann kannst Du die Angst besiegen. „Thief – Der Einzelgänger“, diese in Grün und Blau verwischte Paraphrase des Film noir hat dem amerikanischen Neo-Noir dadurch einen Bärendienst erwiesen, dass sie durch ihre originären Bildwelten den Menschen vor den Leinwänden wieder einmal ins Gedächtnis gebrannt hat, welch Interpretationsfreiraum man genießt, wenn man sich dem klassischen Film noir annimmt, ihn aber im nächsten Schritt nicht dezidiert klassisch in die Moderne transferiert.
Ein Leitmotiv, welches Michael Mann auf audiovisueller Ebene aushandelt. Die Korrelation zwischen dem (im besten Sinne) Altmodischen und dem Neuzeitlichen. Hier wird mit dem Film noir ein Stilphänomen auf ein neues Level gehievt, um eine eigenständige Ikonographie zu etablieren, die in ihrer fluiden Dynamisierung gar hypnotisch auf den Zuschauer einwirkt, ohne aber ihre Wurzeln zu vergessen. Frank steht mit beiden Beinen fest in der Halbwelt, es rentiert sich für ihn: Markenklamotten und schicke Autos hat er zu genüge. Doch da ist auch der Traum von einer bürgerlichen Existenz, der sich ihm bei seinem Gefängnisaufenthalt in den Kopf gepflanzt hat. Keine fixe Idee, sondern ein inbrünstiger Wunsch, tief verankert in seiner keinesfalls verrohten Menschlichkeit. Es trägt im Folgenden ungemein tragische Züge in sich, dass es ausgerechnet seine Profession ist, die sich ihm vor der Umsetzung dieses doch ehren Ziels in den Weg stellt. Augenblicke der Intimität bleiben ein Geschenk mit Verfallsdatum, der innere Frieden scheint nur temporär möglich. Für Frank gibt es keinen Frieden. Es gibt nur seine Profession. Der Rest muss den Flammen zum Opfer fallen.
Fazit
Es ist schier unglaublich, mit welchem Stilwillen respektive Stilsicherheit Michael Mann bereits in seinem Debüt zu Werke geschritten ist. „Thief – Der Einzelgänger“ ist nicht nur einer der besten Filme, die Michael Mann inszeniert hat, sondern auch einer der visionärsten Filme, die die 1980er Jahre hervorgebracht haben: Wer diese neongrelle Paraphrase des klassischen Film noir nicht gesehen hat, der wird niemals ganz verstehen, was 'Neo Noir' eigentlich bedeutet. Bedeuten kann. Ein formvollendetes Meisterwerk.
Autor: Pascal Reis