Inhalt
Der erste Arbeitstag als Undercover Cop läuft für Jake Hoyt völlig anders als erwartet. Sein neuer Vorgesetzter Alonzo Harris interpretiert das Gesetz auf seine eigene Weise und hält sich dabei nicht immer an die Vorschriften. Sein Motto: “Nur wenn du selbst wie ein Wolf bist, kannst du einen Wolf fangen”. Immer tiefer wird Jake in die zweifelhaften Machenschaften von Harris hineingezogen. Als die Gewalt eskaliert, muss Jake eine Entscheidung treffen.
Kritik
Der Sonnenaufgang über Los Angeles bestimmt den Bildkader. Der Tag beginnt. Schnitt. Der Augenaufschlag von Officer Jake Hoyt (Ethan Hawke, Born to Be Blue) bestimmt den Bildkader. Der Arbeitstag beginnt und ein vierundzwanzig Stunden umspannendes Zeitfenster öffnet sich. Nachdem Jake Hoyt neunzehn Monate als Streifenpolizist zugebracht hat, eröffnet sich an diesem Tag, seinem Training Day, nun die Chance, den Sprung ins Drogendezernat zu schaffen und irgendwann mal Detective zu werden. Als seine Frau ihm kurz vor dem Verlassen des Hauses anrät, er solle es nicht vermasseln, quittiert er ihre mahnenden Worte mit dem Durchladen seiner Dienstwaffe. Womöglich veranschaulicht Training Day in dieser Szene bereits, dass Jake heute lernen wird, dass man Konversationen nicht nur mit Worten führen kann, so wie es ihm sein neuer Vorgesetzter Detective Alonzo Harris (Denzel Washington, Fences) noch beibringen wird.
Eine der besten Szenen in Training Day ist wohl das erste Zusammentreffen von Ethan Hawke und Denzel Washington in einem Diner, werden ihre Charaktere doch in ihrem ersten Dialog bereits vollkommen ausgedeutet, als Zuschauer allerdings wähnt man sich noch in einer Situation des Zauderns. Man möchte nicht wirklich glauben, dass Alonzo Harris ein egozentrisches Arschloch ist, dem gute, saubere Polizeiarbeit wirklich am Allerwertesten vorbeigeht. Man möchte ihn eher als ruppigen Ordnungshüter verstehen, vielleicht ein Stück weit desillusioniert, aber sich immer noch im Klaren darüber seiend, worum es geht. Mit dieser Vorspiegelung räumt Antoine Fuqua (The Equalizer) allerdings in Windeseile auf, was sich auch als die wohl größte Schwäche des Films festhalten lässt. Denn, ohne Zweifel, auch wenn Ethan Hawke und ganz besonders der Oscar-prämierte Denzel Washington hier groß aufspielen, entstammen ihre Charaktere dem Reißbrett.
Wie man es von Antoine Fuqua gewohnt ist, ist auch Training Day vollkommen Testosteron-überfrachtet. Frauen treten hier entweder als unfassbar schöne Geliebte (Eva Mendes, Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen) oder als Drogensüchtige auf. Es ist eine reine, gewaltgeschwängerte Männerdomäne, von der Training Day berichtet – und damit auch eine Domäne der fehlgeleiteten Ideale und Profilneurosen. Dass sich die Verfehlungen, die den Männern – und ganz besonders Alonzo – anheimgefallen sind, explizit von Jake Hoyt isolieren, lässt seine Figur umso blasser erscheinen. Ohnehin ist es Ethan Hawke unmöglich, gegen das gigantische Charisma eines Denzel Washington anzuspielen. Vielleicht aber ist auch das Methode in diesem Film: Vielleicht hat Training Day hier versucht, die subjektive Perspektive von Hoyt einzunehmen, um zu veranschaulichen, wie es ist, wenn man zum Schach spielen gezwungen wird, obwohl man sein ganzes Leben nur mit Dame zugebracht hat.
Training Day jedoch kennt tatsächlich nur Good Cop und Bad Cop, nur Gut und Böse, nur Wölfe und Schafe. Dementsprechend flach, anspruchslos und zu gewissen Teilen reaktionär fallen die Rollenmuster aus, die Fuqua mit aller Beharrlichkeit (über-)stilisiert. Von ambivalenten Abstufungen jedenfalls möchte man hier nicht reden, der geisteskranke Alonzo erfüllt das Klischee des korrupten, aus persönlicher Motivation heraus agierenden Antagonisten, während Jake Hoyt den Paragraphen-reitenden Saubermann gibt – und damit das reine Gewissen des Films. Wäre Training Day nicht so extrem stilbewusst und packend inszeniert (sowie von imposanten Schauspielleistungen durchströmt), man hätte arge Schwierigkeiten damit, positiv für diesen Film zu argumentieren. So aber werden die transparenten Persönlichkeitsprofile Bauteile einer Welt, in der die Straße noch als Dschungel, als Schlachtfeld gilt. Einer Welt, in der man sich die Finger schmutzig machen muss.
Fazit
Inhaltlich natürlich wenig originell und in Sachen Charakter-Zeichnung fast schon desaströs simpel, funktioniert "Training Day" dennoch blendend als ruppiger Genre-Film, weil er sich auf eine stilbewusste, sich ohne Längen formulierende Inszenierung seitens Antoine Fuqua verlassen kann, sowie auf die Schauspielleistungen von Ethan Hawke und ganz besonders Denzel Washington. Washington, der hier für siene Performance des wahnsinnigen Alonzo Harris seinen zweiten Oscar gewinnen konnte, gibt eine durchtrieben-bösartige Vorstellung ab, die sich wahrlich ins Gedächtnis brennen wird.
Autor: Pascal Reis