Inhalt
Der Alltag in Syrien ist nicht nur durch den jahrelangen Krieg geprägt, sondern auch durch internalisierte Misogynie und Gewalt gegen Frauen in der Familie und am Arbeitsplatz. Man spricht nicht darüber, Belästigung scheint als Ausdruck von Autorität alltäglich. Viele Frauen werden pathologisiert und in die Psychiatrie eingewiesen, selbst extreme Übergriffe werden selten angezeigt. In Damaskus kommt ein Kollektiv junger Schauspielerinnen zusammen, um zum Thema zu recherchieren.
Kritik
Dass patriarchalische Gewalt kein soziologisches Abstraktum ist, sondern eine Alltagsrealität, nicht nur für das Kollektiv junger Schauspielerinnen in der Berlinale Doku des Regie-Trios Heba Khaled, Talal Derki (Of Fathers and Sons) und Ali Wajeeh, ist ein längst etablierter Fakt. Dennoch schärft die Unmittelbarkeit von Misshandlung und Missbrauch, welche die reflektierte Reportage in jeder Hinsicht durchdringt, den Blick für die Dimension systemischer Unterdrückung. Letzte beschäftigt die Theaterschaffenden vor der Kamera auf mehr als kreativer Ebene.
Der Ausgangssituation haftet dabei indes selbst etwas Beispiel- und Bühnenhaftes an, was die Transparenz der Inszenierung bisweilen in Frage stellt. So bleibt der persönliche und professionelle Hintergrund von Grace, Farah, Eliana, Inana und Souhir, die an einem Theaterstück über die radikale Misogynie in ihrer syrischen Heimat arbeiten, unscharf. Auch die Produktion selbst wirkt mehr wie ein Vorwand für die Recherche, die ein erschütterndes, doch wenig überraschendes Muster systematisierten Hasses nachzeichnet.
Die Protagonistinnen müssen nicht einmal suchen. Ein Besuch in einer Fabrik oder einem Sozialzentrum für nonverbale Frauen genügt, um Berichte von sadistischer Erniedrigung, gewohnheitsmäßiger Misshandlung und Vergewaltigung zu hören. Die Gewalt beginnt in der Familie, setzt sich in Schule und Lehre fort und ist schließlich Teil des Berufslebens. Eine Strafanzeige führt eher zu einer Verschlechterung der Lage der Betroffenen, in der sich die Akteurinnen schließlich selbst wiederfinden und hinterfragen müssen.
Fazit
Das grausame, doch zu erwartende Fazit der von Heba Khaled, Talal Derki und Ali Wajeeh aufgestellten dokumentarischen Untersuchung ist die eigene Machtlosigkeit angesichts einer normalisierten Misogynie. Die Komplizenschaft staatlicher Einrichtungen und Organisationen wird zum zusätzlichen Risiko für Betroffene, die meist schweigend leiden. Dass die Kunstaktivistinnen im filmischen Fokus sich dagegen entscheiden, wirkt mehr wie ein Symbolakt als ein Sieg angesichts einer Problematik, der weder sie noch das Regie-Duo gewachsen sind.
Autor: Lida Bach