Inhalt
Nachdem sein Sohn auf tragische Weise ums Leben gekommen ist, entführt ein trauernder, gewalttätiger Vater das Kind, das vermutlich dafür verantwortlich ist, und löst damit eine wilde Fahndung aus, die von einem mächtigen Politiker angeheizt wird.
Kritik
Rache ist eines der besten Motive, die es in den Filmen überhaupt gibt, egal ob es nun darum geht einen toten Hund zu rächen (John Wick) oder Rache für den Tod eines Familienmitglieds zu nehmen. Aus irgendeinem Grund übt diese Thematik eine besondere Faszination auf Menschen aus und das aus einem guten Grund. Wenn man im wahren Leben Rache übt, dann landet man im Knast, doch wenn man sich einen Film ansieht, kann man seine Rachegelüste ausleben ohne, dass es für seine Mitmenschen gefährlich werden kann und das macht Rachefilme besonders attraktiv, sonst wären sie sicherlich bei weitem nicht so erfolgreich. Bei dem Film Blinde Vergeltung erwartet man grundsätzlich nicht viel und wird doch positiv überrascht, weil der Thriller einen von der ersten bis zu letzten Sekunde großartig unterhält und es schafft, die Spannung nicht nur gut aufzubauen, sondern sie auch konstant aufrechtzuerhalten. Schon der Einstieg in den Film ist großartig gewählt und der Plot-Twist ist hervorragend. Man fragt sich ständig: „Wer lügt und wer sagt die Wahrheit? Und sind die Dinge wirklich so, wie sie scheinen?“
Bei Blinde Vergeltung ist Rache nämlich nur die Spitze des Eisbergs und dahinter versteckt sich noch Korruption, ein Vertuschungsskandal und die Vergangenheit einzelner Figuren, die sie irgendwann mal einholt. Doch das allerbeste an dem Thriller ist die Beschäftigung mit "Victim-Offender Overlap", mit dem Phänomen, das besagt, dass Opfer von Straftaten selbst zu Tätern werden. Glücklicherweise wird nicht jedes Opfer zum Täter, doch der Risikofaktor von Opfern der Misshandlungen ist deutlich höher als bei anderen Menschen. Statistisch gesehen haben die meisten Täter in ihrer Vergangenheit Opfererfahrungen gemacht. Die frühen Erfahrungen, die man als Kind macht, können unser ganzes Leben beeinflussen. Genau darum geht es bei Blinde Vergeltung und gerade die Hintergrundgeschichten machen den Thriller tiefgründig und emotional. Es gibt hier keine klare Abgrenzung zwischen Opfer und Täter und auch die Frage der Schuld muss erst einmal geklärt werden. Hier gibt ein trauernder Vater einem Kind die Schuld an dem Tod seines Sohnes. Doch ist er wirklich der wahre Schuldige?
Dass ein primäres Racheobjekt ein kleiner Junge ist, macht den Film ungewöhnlich und interessant, weil das Maß der Aggressionen, die Calleb gegen den Jungen richtet, für die meisten Filme eher ungewöhnlich erscheint. Das macht die Handlung unberechenbar, weil Garrett Hedlund (Vier Brüder) so gut die Rolle des aufgebrachten Vaters spielt, dass man ihm zu hundert Prozent glaubt, dass er jeden Moment dem entführten Kind etwas Schlimmes antut. Durch sein überragendes Schauspiel gewinnt der Film definitiv an Authentizität und eine solche Herangehensweise ist definitiv nicht selbstverständlich, denn es gibt genug Filme, die immer wieder beweisen, dass es schwer ist Entführungen zu inszenieren, weil sie oft wie Teekränzchen bei Oma aussehen, auch wenn die Filme es vollkommen ernst meinen. Bei Blinde Vergeltung wird nicht lange gefackelt, bloß, weil ein Kinderdarsteller beteiligt ist und wenn doch gefackelt wird, dann nur als Foltermethode. Das führt dazu, dass man diesen Film ernst nehmen und sich von den spannenden Wendungen mitreißen lassen kann. Und der Film beantwortet sogar die Frage, die er selbst stellt: „Müssen wir uns immer an unseren schlimmsten Taten messen?“ Das müssen wir nicht, doch manche Menschen werden immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt und auch das Aussprechen der Wahrheit wird nie etwas daran ändern können.
Fazit
Ein großartig inszenierter Thriller, der von der ersten bis zu letzten Sekunde spannend bleibt. „Blinde Vergeltung“ überzeugt nicht nur mit der hervorragenden schauspielerischen Leistung und überraschenden Wendungen, sondern auch mit seiner tiefgründigen Seite, die sich mit "Victim-Offender-Overlap" befasst.
Autor: Yuliya Mieland