Inhalt
Eine andere Zeit ist möglich! Zumindest war dies zu Beginn der industriellen Uhrenherstellung um 1877 der Fall, als Behörden, Fabrikanten und Uhrenmodelle noch mit je eigenen Zeiteinteilungen operierten, samt damit verbundener Zeitpläne, Werte und Weltbilder.
Kritik
Weil die Zeit nicht nur auf der Berlinale, wo Cyril Schäublins kauziges Kostümtheater in der Sektion Encounters seine Premiere feiert, knapp ist und außerdem Geld in der Uhrmacherwerkstatt des nordschweizerischen Handlungsschauplatzes, fasst zumindest der Titel sich kurz. Gemeint ist das Unruh-Spirale-Schwingsystem, das in mechanischen Uhrwerken mit einer festgesetzten Frequenz um ihre durch die Lagerzapfen bestimmte Achse schwingt. Gemeinsam mit der ebenso bildwirksam benannten Hemmung sorgt sie für wechselndes Blockieren und Freigeben des Räderwerks.
Wer es so genau gar nicht wissen will und bei der umständlichen Uhr-Erklärung dezente Müdigkeit verspürt, ist schlecht gewappnet für des Schweizer Regisseurs eigenwilliges Historienstück. Das verbaut die oben auseinandergenommenen Bauteilchen altmodischer Zeitmesser in eine systemkritische Satire. Selbige läuft trotz technischer Raffinesse nicht so geschmiert wie die Uhrwerke, die Josephine (Clara Gostynski) in der Fabrik des imperialistischen Direktors Roulet (Valentin Merz) fertigt. So vertrackt theoretisch wie die Präzisionsarbeit der jungen Hauptfigur ist der Humor.
Der liegt etwa darin, dass in Josephines beschaulichem Heimatort der von seinen Schwestern als „armer Pyotr“ charakterisierte Protagonist auftaucht. Der vorgebliche Kartograph ist Kropotkin (Alexei Evstratov), dessen anarchistisches Gedankengut bei den ausgebeuteten Fabrikarbeiterinnen und besonders Josephine gut ankommt. Explosiv wird es allerdings weder romantisch noch politisch. Der Regisseur und Drehbuchautor sperrt sich in seinem zweiten Spielfilm zwar gegen die dramatische Stechuhr, doch die präzise aufgebaute Story voller kleinteiliger Langaufnahmen tickt nur gemächlich vor sich hin.
Fazit
Der Titel meint neben dem Uhrwerk-Kleinteil, dass Cyril Schäublins nach eigener Aussage selbst in Uhren baute, politische Aufbruchstimmung und amouröse Rastlosigkeit. Viel zu spüren ist davon allerdings nicht in der mit wahren Begebenheiten verbauten Fiktion. Deren biografische, wirtschaftliche und soziale Aspekte sind nur schmückendes Beiwerk des mechanischen Plots. Dessen Interesse gilt mehr Handwerk als den von überforderten Laien dargestellten Charakteren. Starre Fernaufnahmen, zähe Dialoge und einlullender Vortrag garantieren, dass die Zeit geradezu dahin kriecht.
Autor: Lida Bach