7.6

MB-Kritik

Upstream Color 2013

Sci-Fi, Drama – USA

7.6

Amy Seimetz
Shane Carruth
Andrew Sensenig
Thiago Martins
Kathy Carruth
Meredith Burke
Andreon Watson
Ashton Miramontes
Myles McGee
Frank Mosley
Carolyn King
Kerry McCormick
Marco Antonio Rodriguez
Brina Palencia
Lynn Blackburn
Trey Walpole

Inhalt

Kris (Amy Seimetz) wird von einem Fremden mit einer Made unter Drogen gesetzt. In einer Art Dauerhypnose lässt sie sich freiwillig ausrauben und dient einem in ihr wachsenden Wurm als Nährboden. Ein dubioser Arzt kann den Parasiten zwar entfernen, pflanzt ihn aber in ein Schwein ein, das daraufhin ebenfalls Kris‘ Namen trägt. Die Essenz lässt sich erahnen: Mensch und Schwein sind nun spirituell miteinander verbunden.

Kritik

Es ist finstere Nacht. In einem provisorischen Lazarett liegt die junge Kris, scheinbar immer noch in Trance, von draußen tönen Geräusche schäumender Meereswellen aus großen Lautsprechern. Kris liegt auf einem Behandlungstisch, neben ihr ein Schwein auf einer weiteren Liege. Ein Fremder betritt die Szenerie und entfernt mit ruhiger Hand einen meterlangen Wurm, der anscheinend in der jungen Frau herangewachsen ist. Anstatt ihn zu entsorgen wird der Wurm in das Schwein gepflanzt. Das Jungtier bekommt anschließend einen Clip ans Ohr. Darauf ein vielsagendes Wort: Kris.

Es ist die Schlüsselszene in Shane Carruth's Experimentalfilm „Upstream Color“. Vor der beschriebenen Operation wurde Kris betäubt und hat unter dem Einfluss der biologischen Droge ihre komplette Habe auf den Täter überschrieben. Nachdem sich der Wurm aus ihrem Körper verabschiedet hat, tut es ihm die Handlung gleich und verabschiedet sich aus nahezu komplett aus dem Film. Was nach einem Malheur des Autoren klingt, ist aber vielmehr pure Absicht und etwas, auf das sich der Zuschauer vorbereiten sollte. Monate nach ihrer Trance trifft Kris auf Jeff, einen reservierten Kerl, dem es in der Vergangenheit anscheinend ähnlich erging wie ihr. Jeff wird übrigens von Regisseur Carruth höchstpersönlich gespielt. Das bisher durch „Primer“ auffällig gewordene Multitalent übernimmt neben Regie und Hauptrolle ebenfalls Drehbuch, Musik und Produktion. Aus einer Hand serviert er seinem Publikum auf Leinwand gebannte Emotion. Narrative Elemente finden nur am Rande statt und stiften teilweise arge Verwirrung. Doch genau darum geht es: Kris und Jeff haben Teile ihrer Erinnerung und somit den den Halt im Leben verloren. Was ihre Schweine-Pendants derweil denken wissen wir nicht, aber Kris und Jeff teilen mitunter die Gemütslage der Tiere - ohne dabei zu erahnen, woher zum Beispiel Todesangst oder Mutterinstinkte so plötzlich kommen.

Die beiden werden schließlich zum Paar, suchen fortan einen gemeinsamen Weg aus der Orientierungslosigkeit und plötzlich auch nach dem Quell ihrer Leiden. Dabei fängt Carruth die Unsicherheit des Paares geschickt ein und verleiht seinem Drama etwas sehr Zerbrechliches, gar Schützenswertes. Den Wegen der beiden zu folgen kostet den Betrachter dabei viel Anstrengung. Dazu wird immer wieder der mysteriöse Schweinearzt eingeblendet. Man sieht ihn inmitten seiner beängstigend großen Sammlung von „Schweinen mit Menschenanteil“ - wie auch immer man so etwas nennen mag. Wenn er nicht auf seiner Farm verweilt, nimmt er Naturgeräusche mit dem Mikrofon auf und presst diese auf CD's. Somit werden zumindest die Wellengeräusche aus der OP-Nacht erklärt. Vielmehr Auflösung wird es aber sonst nicht geben. „Upstream Color“ gefällt sich als transzendentes Verwirrspiel am besten und verzichtet trotz vieler Ansatzpunkte auf die konkrete Ausführung seiner Gedanken. Das „Was zum Teufel?“-Erlebnis wird durch einen berauschenden Bildertanz gefördert und die Desorientierung somit auf die Spitze getrieben. Die Kamera lehnt sich offenkundig an Terrence Malick's „Tree of Life“ an, generiert aber ein farbenfroheres und einladenderes Fundament. So fühlt sich wohl ein ein etwas zu langer LSD-Trip an. Ein guter wohlgemerkt.

Fazit

Upstream Color“ ist die Sorte Film, den der Feuilleton gern endlos bespricht, ohne dabei wirklich den Kern zu treffen. Diesen scheint es auf narrativer Ebene auch nicht zu geben, da sich Regisseur Shane Carruth in anderen kreativen Sphären herumtreibt und seinen Film zu Großteilen auf pure Emotion herunterbricht. Die Bilderkompositionen sind wunderschön, die elliptischen Szenen anstrengend und erfüllend zugleich. Hier wartet ganz große Kunst auf seinen Kultstatus.

Autor: d kr
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