Inhalt
Lisbeth Salander hat jeden Kontakt zu Mikael Blomkvist abgebrochen, auch wenn die Hackerin mit ihren eigenen Methoden noch ganz genau verfolgt, was der Journalist so tut. Sie selbst nimmt es gerade mit der NSA auf, hackt den US-Abhördienst und ergattert dabei Beweise für eine Verschwörung innerhalb des Auslandsgeheimdienstes. Blomkvist wird derweil als Journalist nicht mehr so ernst genommen wie früher, weil er seinen Biss verloren hat. Doch als Frans Balder, einer der weltweit führenden Experten für künstliche Intelligenz, ermordet wird, ist seine journalistische Neugier wieder geweckt. Denn Balder nahm vorher Kontakt mit ihm auf. Bei seinen Recherchen findet Blomkvist bald eine Verbindung zu Lisbeth. Gemeinsam müssen sie unter anderem Balders in Lebensgefahr schwebenden, autistischen Sohn August beschützen, doch dabei haben sie einen verdammt gefährlichen Gegner...
Kritik
Nachdem der skandinavische Schriftsteller Stieg Larsson im Jahre 2004 im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts verstarb und der Welt seine Millenium-Trilogie als Vermächtnis hinterließ, mussten sich auch die Anhänger der erfolgreichen Krimi-Reihe von dem Traum verabschieden, ganze zehn aus der Feder von Larsson stammende Bücher rundum die mysteriöse Hackerin Lisbeth Salander in den Händen halten zu können - wie es der ursprünglich Plan des Autors war. Vor seinem Tode allerdings fertigte Larsson bereits ein unvollständiges Manuskript zu seiner nächsten Fortsetzung an, welches von David Lagercrantz komplettiert und nun seinen Weg unter dem Titel Verschwörung in die Lichtspielhäuser finden wird. Doch auch mit diesem Fall erwartet die Zuschauer ein Hoffnungstöter: Eine Rückkehr von David Fincher ist damit endgültig ausgeschlossen.
David Fincher, der mit seiner Verblendung-Adaption vor nunmehr sieben Jahren bereits das schwedische (Fernseh-)Original offenkundig in den Schatten stellte, bewies eindrucksvoll, dass die Aufbereitung eines europäischen Stoffes durch das amerikanische Kino nicht zwangsläufig zu dessen Glättung oder Verzerrung führen muss. Ganz im Gegenteil, sein mit Rooney Mara und Daniel Craig hervorragend besetzter Hochspannungsthriller ist die vor Intensität strotzende Machtdemonstration eines (über-)talentierten Filmemachers. Ein gewaltiges Erbe also, welchem sich Evil Dead-Regisseur Fede Alvarez mit Verschwörung gestellt hat, auch wenn er durch die losgelöste Handlung der Vorlage immer noch in Richtung Stand-Alone argumentieren konnte – der Vergleich wird dennoch unweigerlich forciert. Und dieser Vergleich stellt sich definitiv als ein ernüchternder heraus, nicht nur für das Franchise an sich, sondern auch für die Karriere des Uruguayers.
Nahezu erschütternd erscheint der Umstand, dass Verschwörung beinahe vollständig auf ein nachvollziehbares, ernsthaft durchdachtes inszenatorisches Konzept verzichtet. Das Leitthema der Erzählung ist dabei fast schon himmelschreiend überdeutlich: Hier geht es um Distanz und Entfremdung, um Verlust und Abgründe. Allein der Prolog, der den Ausgangspunkt dafür unternimmt, Lisbeth Salander und ihren seelischen Narben im Folgenden näher denn je auf die Schliche zu kommen, offenbart bereits, in welch großschlächtigen Bildern Fede Alvarez denkt: Wenn eine Spinne durch die Dielen eines Hauses krabbelt, um sich dann auf einem Schachbrett zu erkennen zu geben, oder die kleine Lisbeth der grausamen Hand ihres Vaters entflieht, indem sie sich aus dem Fenster stürzt, überlässt Verschwörung nichts der Interpretation oder Intuition des Zuschauers: Niemand soll auf der Strecke bleiben, alles muss unmissverständlich sein.
Die frustrierende Konsequenz aus all der offensichtlichen Symbolik wie Metaphorik ist natürlich auch jene, dass der ungemein spannenden, ambigen Figur der Lisbeth Salander (Claire Foy, Aufbruch zum Mond) nach und nach jedes geheimnisvolle Potenzial entrissen wird, was ihrer elektrisierenden Charakterdynamik zusehends an Kraftstoff nimmt. Für Fede Alvarez scheint es an dieser Stelle ausreichend genug zu sein, Lisbeth im Neonlicht bei einem Clubbesuch zu zeigen, wie sie abseits der tanzenden, pulsierenden Menschenmenge ihre Zigarette raucht, nachdem sie in bester Punisher-Manier einem gewalttätigen Ehemann die Leviten gelesen hat. Sind das wirklich die sinnstiftenden Eindrücke einer Verlorenen, die der wahrlich begabte und nach wie vor vielversprechende Regisseur bei der Umsetzung des Filmes im Kopf hatte? Nun, hoffentlich nicht, doch das Scheitern am nebulösen Wesen Lisbeth Salanders ist augenfällig.
Der mangelhafte Umgang mit der Protagonistin ist sicherlich nicht nur auf Fede Alvarez zurückzuführen, obgleich dieser weder in Evil Dead noch in Don't Breathe derart markante Figuren aufbot, die unbedingt ein handfestes Profil benötigten. Verschwörung zerbricht vielmehr an seinem schludrigen Drehbuch, welches wiederum die Absenz eines inszenatorischen Konzepts erklärt, aber nicht entschuldigt. Die hier dargebotene Geschichte als hanebüchen zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung, scheint das Skript sich doch gnadenlos darin zu verheddern, die Schnelllebigkeit des Informationszeitalter, welches sich Lisbeth genauso zu Nutze macht, wie sie auch unter diesem leidet, mit einem persönlichen Dilemma zusammenzuführen. Wo genau diese Synergien in der Bourne-Reihe für reichlich Konflikt- und Widerspruch-geladenen Eifer sorgten, fehlt Verschwörung die Inspiration, um den Nukleus der Spannung, der sich aus der unwägbaren Hetzjagd ergibt, in Bewegung zu halten.
Alles, wirklich alles, an diesem Film ist schmucklos, unbeholfen und lieblos arrangiert. Das große Wiedersehen zwischen Lisbeth und Mikael Blomkvist (Sverrir Guonason, Borg/McEnroe), dem ein emotionales Fundament von bereits vier Werken vorausgeht, verpufft rücksichtslos im affektiven Niemandsland. Die Idee, die beiden Charaktere in gläsernen Aufzügen gegenüberzustellen, wenn sie nach Jahren zum ersten Mal wieder in Kontakt treten, ist dem Leitthema natürlich nur dienlich, entbehrt sich aber jede Vehemenz, jedes Feuer, jede Tiefe. Wie soll dieser (Schein-)Stand-Alone aber funktionieren, wenn er die Beziehung zwischen diesen beiden elementaren Figuren nicht greifbar macht? Verschwörung antwortet darauf fast schon zu erwartungsgemäß: Er verdammt Blomkvist kurzerhand zur belanglosen Nebenfigur, der jedwede Kontur fehlt. Selbiges gilt für das familiäre Trauma, dem sich Lisbeth stellen muss.
Nachdem sie die entsprechende Distanz überwunden hat und an einem Abgrund auf die Dämonen ihrer Vergangenheit trifft, hat sich Verschwörung bereits dadurch bis auf die Knochen blamiert, dass eine idiotensichere Wendung als bahnbrechender Twist verkauft werden sollte. Und genau darin liegt das Problem, an dem Fede Alvarez und seine Drehbuchautoren untergehen: Sie gestehen dem Publikum nicht die nötige Intelligenz zu, um eigenständige Schlüsse aus dem Geschehen zu ziehen und verweigern dem Film somit jeden Anspruch auf Reibungspunkte und Leerstellen. Nur deshalb fehlt es den Charakteren an Leben. Nur deshalb wird hier gnadenlos notdürftig Handlungsbaustein auf Handlungsbaustein geschichtet. Nur deshalb möchte der Film mit einer Wendung überraschen, die bereits vor über 20 Jahren antiquiert gewirkt hätte. Hoffen wir, dass sich Fede Alvarez hier nur einen Fehltritt geleistet hat.
Fazit
Eigentlich ist ein Film wie "Verschwörung" ein echter Karrierekiller. Hätte sich Fede Alvarez zuvor nicht als überaus interessanter und begabter Genre-Handwerker bewiesen, könnte die Zukunft des Uruguayers nicht sonderlich rosig aussehen, so aber wird "Verschwörung" eher als ein Fehltritt in seinem Schaffen verwertet. Ein heftiger Fehltritt, wohlgemerkt. "Verschwörung" besitzt keinerlei Gespür für nachhaltige Bilder, für das Innenleben seiner Figuren, für eine ausgeklügelte, packende Geschichte. Wo es um Abgründe gehen soll, fehlt es schlicht am Abgründigen. Ein schmuckloser, uninspirierter und maßlos notdürftig arrangierter Thriller, der sein Sujet offensichtlich nicht verstanden hat.
Autor: Pascal Reis