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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Eine Familie liegt in Trümmern: Der Sohn wird in der Schule tyrannisiert, zu Hause reagiert er seinen Frust brutal an der drogenabhängigen Mutter ab. Der Vater, der gerade seinen gutbezahlten TV-Job los wurde, fühlt sich sexuell zu seiner Tochter hingezogen, die sich zur Aufbesserung ihres Taschengeldes prostituiert. Für den Wiedereinstieg in die Branche schreckt der Vater nicht davor zurück, seine eigene, zerfallene Familie als TV-Doku zu verkaufen...

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Ein überaus produktiver Regisseur mit einem schier unüberschaubaren Gesamtwerk ist Takashi Miike (Audition) mittlerweile seit Jahrzehnten. Von ganz besonderer Bedeutung ist aber vermutlich die Zeitspanne zwischen 1995 und 2005, in welcher der japanische Regie-Extremist seine wohl bekanntesten, wertvollsten und vor allem polarisierendsten Filme veröffentlichte. Speziell das Jahr 2001 ist auffällig, denn hier erschien mit Ichi the Killer einer der berüchtigsten Miike-Schocker, ein grelles, surreales Splatter-Spektakel, das den Gewaltgrad in astronomische Höhen beförderte und immer wieder auf cartoonhafte Überzeichnung setzte. Für viele Fans des Regisseurs verständlicherweise so etwas wie sein Magnum Opus. 

2001 ist aber auch gleichzeitig das Jahr von Visitor Q, in dem Miike mit einer grobkörnigen Digitalkamera im Anschlag grundlegende, familiäre Werte garstig zerlegt und dabei den (Medien-)Voyeurismus, also das Verlangen in jedem von uns, hinsehen zu wollen und nicht wegschauen zu können, in wahnwitzig absurder Manier auf die Spitze treibt. Bei der Familie in diesem Film hängt der Haussegen nicht nur schief, sondern ist längst über dem Fundament zusammengekracht. Der Sohn wird von seinen Mitschülern gemobbt und lässt den gesamten Frust an der Mutter aus, die er wutentbrannt durch die Wohnung peitscht. Die Mutter weiß sich in ihrer ratlosen Verzweiflung nur mit starkem Heroinkonsum zu helfen und geht als Prostituierte mit körperlicher Behinderung einer Kundengruppe nach, die eher auf abseitigere Wünsche aus ist. Die Tochter ist bereits ausgezogen, um ebenfalls anschaffen zu gehen, wobei sie auch mal ihren eigenen Vater als Kunden empfängt. Der wittert in der Dokumentation seiner eigenen kaputten Familie die große Chance, in seinem Beruf ein Comeback zu feiern, nachdem ihm eine Reportage zuletzt missglückt ist.

In diesem verkommenen Geflecht aus körperlichem Missbrauch, häuslicher Gewalt und Inzest bekommt der Begriff der dysfunktionalen Familie eine völlig neue Bedeutung, dem Miike durch die zusätzliche Integration eines unheimlichen Besuchers verstärkten Zündstoff verleiht. Wer der geheimnisvolle Mann ist, der sich dreist in der Familie einnistet, mit einer Kamera Vorkommnisse dokumentiert und nach und nach ein nur noch größeres Chaos in Gang setzt, lässt sich nur mutmaßen. Gut möglich, dass der Regisseur durch ihn die subjektive, destruktive Perspektive des Zuschauers selbst in den Film einbringt, der sich von Natur aus zu solchen sensationslüsternen, verdorbenen Ereignissen hingezogen fühlt und in der Rolle des voyeuristischen Beobachters an immer extremeren Ausprägungen interessiert ist. 

Mit den oberflächlich hässlichen Aufnahmen, die von der billigen Digitalkamera eingefangen werden, erzeugt Miike eine beachtliche Atmosphäre, in der sich verschrobene Impressionen mit schmerzhaftem Realismus paaren. Dem Regisseur ist dadurch ein Kunstgriff gelungen, durch den Visitor Q tatsächlich in jeder einzelnen Szene ein Gefühl des puren Unbehagens ausstrahlt, selbst in Momenten, in denen gerade nicht wirklich viel passiert oder etwas auffällig in die Länge gezogen wird. 

Die beklemmende Anspannung löst Miike schließlich auf seine unvergleichliche Art auf, indem er den Film im letzten Drittel in ein bizarres Theater der Absurditäten kippen lässt, in dem sich perverse Tabubrüche an brutale Exzesse reihen. Der Regisseur bietet dem Zuschauer ein pechschwarzes Ventil an, um die vorherige Beklemmung mit Galgenhumor und Splatter-Slapstick zu entlasten. Natürlich wird aber nur ein eingeschränktes Publikum von eher eingefleischteren Miike-Anhängern beherzt lachen können, wenn die Leichenstarre einer Toten einen so noch nie gesehenen Sex-Unfall verursacht, Muttermilch aus Brüsten geradezu durch die Wohnung regnet, Jugendliche unter hysterischem Gelächter getötet und geschlachtet werden und alles mit einem Bild der geheilten, neu vereinten Familie endet, das Verstörung und Harmonie auf erschreckendste Weise vereint.

Fazit

Takashi Miike lädt zum großen Familienfest ein. Heraus kommt dabei eine Ansammlung grotesker Abartigkeiten, schonungsloser Abgründe und ganz normalem Wahnsinn. "Visitor Q" ist extrem, aber auch extrem komisch, wenn er beklemmenden Realismus mit surreal-bizarrer Komik verbindet und auf ebenso kreative wie derbe Weise das Porträt einer geschädigten Familie durch das Stilmittel einer garstigen (Medien-)Satire ausdrückt. Für Fans des eigenwilligen Japaners selbstverständlich ein absolutes Muss.

Kritik: Patrick Reinbott

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