Inhalt
Audrey Hepburn spielt in diesem US-Thriller von 1967 die blinde Susy Hendrix. Sie wird von drei Gangstern verfolgt, die wissen, dass Susy im Besitz einer mit Heroin gefüllten Puppe ist. Regie führte Terence Young.
Kritik
An der Schwelle zur New Hollywood Ära entstandene Bühnenadaption eines Stücks von Frederick Knott, der bereits die Vorlage zu Alfred Hitchcock’s Klassiker „Bei Anruf: Mord“lieferte. Ähnlich hinterhältig und perfide präsentiert sich auch „Warte, bis es dunkel ist“, wenn nicht sogar ein gutes Stück mehr. WARNER BROTHERS ging hier bereits ein Stückweit in die richtige Richtung, noch bevor Werke wie „Bonnie und Clyde“ und „Die Reifeprüfung“ den endgültigen Umbruch vom verstaubten Studiokino einläuteten, dass das angeödete Publikum mehr und mehr aus den Lichtspielhäusern fernhielt. Es geht nicht nur überraschend boshaft zur Sache, die bis dahin als Zuschauer-Candy in Watte gepackte Audrey Hepburn („Frühstück bei Tiffany“) durfte sich endlich mal außerhalb ihrer Everybodys-Darling-Wohlfühl-Rollen mehr Profil verschaffen.
Die Hepburn spielt die blinde Ehefrau eines Fotografen, der durch Zufall in den Besitz einer Puppe mit brisantem Inhalt gelangt ist. Den wollen einige skrupellose Ganoven lieber jetzt als später in ihren Besitz bringen und unterschätzen dabei sie Sinnesschärfe eines „augenscheinlich“ leichten Opfers. Blinde oder generell beeinträchtigte Personen zu verkörpern bürgt immer viele Risiken mit sich. Einerseits dankbar aufgrund der Anerkennung wenn dieses gelingt, andererseits stolperten schon viele Darsteller genau über diese Hürde, bei der es extrem auf ein ausbalanciertes, realistisches Spiel ankommt. Audrey Hepburn musste man dies nicht zwingend zutrauen – durfte ja nie entsprechendes zeigen -, sie meistert es mit Bravour. Weder mit weit aufgerissenen Augen wild in der Gegend rumfuchtelnd, damit auch der auf den ganz billigen Plätzen sofort ihr Handicap bemerkt, noch im Ich-bin-blind-aber-kann-trotzdem-alles-Modus, was perfekt auf den mehrfach erwähnten Stand ihrer Fähigkeiten mit der nicht angeborenen Situation passt. Eigentlich schon das kleinste Detail in der fast perfekten Inszenierung von James-Bond-Veteran Terence Young („James Bond 007 jagt Dr. No“; „James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau“; „James Bond 007 – Feuerball“), der es sich nicht nehmen lässt, in einem klitzekleinen Moment auf sein bisheriges Schaffen hinzuweisen. Aufgrund seiner Bühnenherkunft spielt sich die Handlung fast ausschließlich an einem zentralen Ort – der Wohnung des Unglücks-Pärchens - ab, die Figuren haben bis auf die einzige Konstante Hepburn Auf- und Abtritte im Minutentakt, ganz im Geiste der Vorlage.
Das ist keinesfalls als Kritikpunkt zu sehen, obwohl man sich damit natürlich in einem sehr klassischen, wenig individuellen Korsett bewegt. Der Funktionalität dieses beinahe-Kammerspiel ist es mehr als dienlich, so entsteht ein kleiner Belagerungszustand und lässt deutlicher mit der Protagonistin mitfiebern, der nicht nur ihre Peiniger, sondern auch wir als Zuschauer einen klaren Schritt voraus sind: Wir sehen, was um sie herum passiert. Sehen, wie sie manipuliert und gelenkt wird. Sehen bzw. erleben aber auch, wie sie mehr wahrnimmt, als zumindest das durchtriebene Trio ihr jemals zugetraut hätten. Da zucken nicht nur die an sich knallhart überlegenen Halunken kurzzeitig verdutzt auf, gerade der Zuschauer realisiert, diese Frau hat einen klaren Vorteil: Sie bemerkt Nuancen, die als unsichtbar abgetan werden, reagiert auf ganz andere Reizpunkte. Sie mögen nichtig erscheinen und sind doch alles andere als das, läuten das brillante Finale schon früh ein, welches „Warte, bis es dunkel ist“ über jede Zweifel erhaben macht. So weit sind wir noch lange nicht, macht auch nichts, denn bereits von der ersten Minute ist das ein Hollywood-Thriller von ungeahnter Qualität. Er beginnt schon mit einer ungewöhnlichen Perspektive, die nicht die Heldin in den Fokus rückt, sondern die Antagonisten, ihren Plan direkt offenbarend und fortan mit dessen Funktionalität bzw. dessen Scheitern spielend, an dem es ganz „blind“ wenig Zweifel geben dürfte.
An der Stelle muss der einzige, echt Pferdefuß eines exzellenten Films genannte werden, der sich ungeachtet seiner Klasse nicht weckdiskutieren lässt: Objektiv betrachtet ist das nicht mehr als Blödsinn. Drei eiskalte Gangster, die problemlos über Leichen gehen, wollen eine Puppe haben (gefüllt mit Heroin: Wie viele „Kilos“ passen in so eine Puppe – die paar Tütchen sieht man am Ende auch -, selbst beim geschätzten Straßenpreis 1967 nicht mehr als Peanuts), die sich im Besitz einer blinden Frau befinden, die nicht die leiseste Ahnung über deren Wert hat. Es wird ein Mordsaufwand betrieben, dabei könnte man: -A: Einfach nett fragen, oder -B: Die Hilflose überwältigen und sich mit roher Gewalt das Objekt der Begierde verschaffen, fertig. Variante C: Man zieht ein auf dem Papier sehr schlau geplantes, in der Praxis aber furchtbar umständliches Theater auf, das auch noch die Dame erst darauf hinweist, dass dieser eigentlich uninteressante Gegenstand einen immensen Wert besitzt, wenn auch nicht den tatsächlichen. Eigentor. Im Gegenzug: Als sie endlich im Besitz dieses (künstlich aufgebauten) Spielzeugs ist, das einfach nur verschwinden muss, wäre es doch sehr naheliegend, es zu vernichten. Wir reden hier über eine Puppe, nicht über einen Kleinwagen oder Kryptonit. Kann so schwer nicht sein. Warum das lieber auf hohes Risiko rausgeschmuggelt werden soll – wer weiß wohin und wie -, bleibt auch in der angespannten Situation sehr rätselhaft.
Um das zu entschuldigen: Wenn alle Figuren logisch handeln würden, gäbe es keinen Film. Auf dieses Gerüst grenzwertig-cleverer Entscheidungen stützt sich alles und bildet erst die Grundlage für ein mordsspannendes, extrem verdichtetes Stück Spannungskino, das seiner Zeit mindestens so weit voraus war wie die Welle des New Hollywood. Die Logik (oder eben nicht) wird erkannt, sie spielt nur eine sehr geringe Rolle. Dafür sorgen nicht nur Terence Young, Audrey Hepburn, der wunderbar integrierte Score von Henry Mancini („Der Rosarote Panther“), der großartige Richard Crenna („Rambo“), ohne den famosen Alan Arkin („Argo“) müsste man schon vor dem sensationellen Schlussdrittel über gewisse Dinge vielleicht etwas kritischer sprechen. Was für eine Leistung, was für eine Rolleninterpretation. Total oben drüber, aber so süffisant-diabolisch und leidenschaftlich verkörpert, der bleibt hängen. Wurde schon das Finale erwähnt? Wenn es dunkel ist, strahlt der Film erst recht seine beeindruckende, sogar wegweisende Klasse aus. Das ist nicht nur auf sein Entstehungsjahr gemünzt schon mutig und effektiv, das ist bis heute eine Hausnummer.
Fazit
Eine latente Unglaubwürdigkeit und bewusste Überkonstruktion lässt sich nicht leugnen, aber das ist schlicht Mittel zum Zweck. Heute sind so viele Filme unglaubwürdig und bieten nicht mal ansatzweise dieses Niveau, da muss man doch den Hebel ansetzen. Filme beziehen oft ihren Reiz aus unsinnigen Aktionen, die Frage ist doch, wie sie verarbeitet werden. In dieser Beziehung ist das ein Premiumbeispiel. Fragen stellen ist erlaubt, die zu stark zu gewichten Haarspalterei und hat nichts mehr mit Filmaffinität zu tun. Augen schließen und genießen.
Autor: Jacko Kunze