2015 erschien ein Buch mit dem Titel „Ethik ist wichtiger als Religion“, in dem der Dalai-Lama durchaus imposant darlegte, wie Religion im Zeitgeist zu bewerten sei und welche Stellung die Ethik, die Lehre der Moral, in diesem Kontext einnehme. Verstehen wir die Ethik als allgemeines Gesetz, als übergeordnete Instanz, wie wir es mit der Rechtstaatlichkeit handhaben, so haben wir einen Schutz gewisser Grundwerte, die eben auch die Religion schützen möchte. Nun ist die Einhaltung der Ethik durchaus schwieriger, weil sie lediglich dem eigenen Gewissen unterliegt und nicht dem prüfenden Auge eines Gottes. Dafür ist sie allerdings auch weniger anfällig für extremistische Auslegungen und einer Radikalisierung nach politischem Vorbild infolge dessen.
Terroristische Milizen und Radikalisierungen gibt es vermutlich ebenso lange wie es Religionen gibt. Auch wenn wir in letzter Zeit vor allem muslimisch geprägten Terrorismus beobachten können, gab und gibt es ähnliche Ausprägungen genauso im Christentum oder anderen religiösen Gemeinschaften. Terrorismus hat dabei nicht nur eine direkte Wirkung und schadet der gefühlten wie der wahrhaftigen Sicherheit von Menschen, sondern weckt oftmals Radikalisierungen auf der Gegenseite. So liefert der Terrorismus vielen den Nährboden für blinden Hass auf Menschen anderer kultureller Abstammung. In der Endkonsequenz verursacht diese radikale Auslegung der Religion eine sehr negative Zudichtung zwischen verschiedenen Menschengruppen. In den Nachrichten wird von Anschlägen auf dem Breitscheidplatz, vom Abbrennen von Flüchtlingsheimen und von tausenden Opfern von Terror-Milizen.
Katja Benrath erzählt nun eine Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht und statuiert damit ein Exempel für die Menschlichkeit, für die Solidarität und für die Ethik. Während es Filme gibt, die sich mit der politischen Zudichtung im eigenen Land auseinandersetzen (z.B. Er ist wieder da) oder welche, die die grauenhaften Taten derartiger Milizen am direkten Tatort dokumentieren (z.B. Darfur- Der vergessene Krieg), so hat Benrath eine ganz andere Herangehensweise. Sie findet zwischen all den Negativ-Beispielen einen Fall, der als Hoffnungsschimmer zu werten ist. Sie erzählt diese Geschichte ohne pathetisch zu werden, ohne zu politisch zu werden, ohne den Islam zu bewerten, sondern nur um zu zeigen, dass es Menschen auf der Welt gibt, die zusammenhalten, die sich gemeinsam gegen den Terror stellen und dabei ihre Vorurteile begraben.
Hier wird eine schreckliche Grundsituation zwischen Kenia und Somalia nicht verherrlicht, nicht ausgeschlachtet, sondern realitätsnah dargestellt. Als Zuschauer spürt man die Angst, die die Protagonistin verspürt. Die wortkargen Dialoge, die aggressive Haltung in der ersten Hälfte des Filmes zeigt nur zu gut, wie sehr sich die Menschen entfremdet haben, wie Terrorismus Angst schürt und wie diese Angst zu einer menschlichen Kälte und einem extremen Misstrauen der Menschen untereinander führt. Diese erste Hälfte ist virtuos inszeniert, kommt mit wenigen Worten aus und kommuniziert dennoch so viel.
Die zweite Hälfte beschreibt nun vor allem den eigentlichen Fall. Man sieht wie die Terroristen den Bus überfallen, wie sie die Insassen dazu auffordern, sich draußen getrennt nach ihrer Religion aufzustellen, und man sieht wie sich diese Menschen weigern, wie sie sich mit den Waffen direkt auf ihre Köpfe gerichtet, verweigern mit den Terroristen zu kooperieren. Durch Schüsse, Schreie und die Präsenz von Waffen wird die Härte einer möglichen Konsequenz für diese Heldentat dargestellt. Aber das Heroische, das Selbstlose, besteht eben darin, die gute Tat trotz einer möglichen Konsequenz zu begehen. Die Szenen wirken recht schnell, so dass man als Zuschauer nur zu gut den Schock nachempfinden kann, unter dem sich die Protagonisten befinden.
Am Ende wird der Zuschauer nachdenklich zurückgelassen. Der Kontrast zwischen der Nahbarkeit der schrecklichen Härte des Terrorismus und dessen Auswirkungen auf die Menschheit und der humanistischen Heldentat lassen diesen Film zu einem intensiven, melancholischen und dennoch hoffnungsvollen Werk avancieren. Die neutrale Inszenierung, die ergreifende Musik und die Kürze stehen dem Film dabei wunderbar und sorgen dafür, dass diese knapp 20 Minuten Film unheimlich gehaltvoll und aussagekräftig wirken.