Mit Grave Encounters (2011) gelang dem damals 25jährigen Regisseur Colin Minihan (damals gemeinsam mit Stuart Ortiz als „The Vicious Brothers“) ein überraschend vernünftiges und relativ erfolgreiches Low-Budget Spielfilmdebüt, das dem oftmals dürftigen Sub-Genre des Found Footage-Horrors einen seiner wenigen brauchbaren Beiträge hinzufügte. Wie so oft konnte die geschürte Erwartungshaltung nicht wirklich erfüllt werden; seine Folgewerke Extraterrestrial - Sie kommen nicht in Frieden und It Stains the Sands Red blieben bedeutungslose DTV-Ladenhüter. Da macht auch sein neuester Streich What Keeps You Alive leider keine Ausnahme, was aufgrund der Möglichkeiten wie der formellen Präsentation wirklich eine herbe und unnötige Enttäuschung darstellt.
Das gleichgeschlechtliche Frauenehepaar Jules & Jackie feiert ihr Einjähriges in einer romantischen Wald-Hütte am See. Dort, wo Jackie einst als kleines Mädchen von ihrem Papa das Jagen erlernte, der Kopf des damals von ihr erlegten Bären schmückt immer noch die Wohnzimmerwand. Friede, Freude und knisternde Leidenschaft, bis auf einmal Jackie’s ehemalige Jugendfreundin Sarah vor der Tür steht. Diese will nicht etwa, keine Sorge, einen Keil zwischen die Beiden treiben, ist nur sehr überrascht Jackie wiederzusehen…die sie noch als Megan kennt. Das wirft berechtigte Fragen für die verblüffte Jules auf, die innerhalb weniger Stunden mehr über ihre Gattin erfährt als im gesamten letzten Jahr, wofür diese aber immer noch eine relativ plausible, goutierbare Erklärung bereithält. Bis sich genug erklärt wurde, nun sollen Taten folgen…
Der Beginn von What Keeps You Alive füttert wirklich anständig an. Schnell wird die anfängliche Harmonie unterwandert von urplötzlich hereinbrechendem, irritierenden Misstrauen, was der auch für das Script verantwortliche Colin Minihan zunächst mit einem angedeuteten Interesse an echtem Suspense aufbaut, nur um es ab der Peaktime mit undurchdachtem Nonsense komplett mit dem Allerwertesten wieder einzureißen. Völlig unnötig, denn selbst als schlicht gedachter Survival/Rache-Thriller würde da noch einiges machbar sein, was schon inhaltlich einfache, aber fachliche effektive Beiträge wie zuletzt Revenge eindrucksvoll bewiesen. Dabei zieht der Film seine größte und durchaus noch positiv anzurechnende Qualität eindeutig aus seiner technisch kompetenten Umsetzung. Ansehnlich in seinen Bildern und stimmig in seiner Kulisse, akustisch etwas unbeholfen, aber wenigstens interessant, darstellerisch bemüht (wenn auch nicht unbedingt ideal): Da stimmt schon viel Grundsätzliches, nur das wohl Wichtigste – der inhaltliche Verlauf – tritt dem Ganzen brutal ins Kreuz.
Um eines ganz klar zu stellen: Es geht hier weder um die Grundidee noch um Logik. Viel mehr um den Plot und dessen Glaubwürdigkeit. Das mag grob gleich klingen, steht jedoch für eher komplementäre und nicht identische Faktoren. Die Geschichte im Sinne des Ansatzes, des Aufbaus hat Potenzial. Deren Entwicklung, Umsetzung und Ablauf offenbaren drastische Fehler. Mit Logik haben es etliche Genre-Filme nicht so und das sollte bei guten Vertretern auch nie das Problem darstellen. Viele davon gebe es gar nicht, wenn Logik ein echter Faktor wäre. Es geht doch immer darum: Eine Prämisse und auch (wie besonders) Verhaltensweisen von Figuren dürfen gerne unlogisch erscheinen, wenn es dazu dient ein spannendes Szenario aufzubauen und dann noch kombiniert wird mit dem Bewusstsein, dass man dafür etwas anbieten muss. Erklärungsversuche oder (auch löchrige, wenig wasserdichte, schnell abgehandelte) Begründungen zu etablieren, die man als Zuschauer bereit ist zu schlucken, wenn es der Film einem dafür entsprechend zurückzahlt. Genau diese „Zahlungsmoral“ lässt What Keeps You Alive komplett vermissen.
Es wirkt nicht so, als wäre seinem Schöpfer die Fehlerhaftigkeit des eigenen Scripts bewusst oder – noch schlimmer – es ist ihm scheißegal, wie absurd hier nicht nur Details, sondern eigentlich alles ab der ersten halben Stunde erscheint. Es erzeugt nicht mal den gewünschten Spannungseffekt, ganz im Gegenteil: Dieser wird dadurch gar sabotiert. Zu wenig investiert man in Situationen, die einfach nicht den gewünschten Emotionen aufrufen können, wenn der Zuschauer nur damit beschäftigt ist auch nur den fadenscheinigsten Grund auszugraben, warum dieses oder jenes gerade als schlüssig oder wenigstens akzeptable versucht wird an den Mann zu bringen. Mal ganz abgesehen davon, in was für einer einfallslosen Stangenware die vorher noch recht ansprechend entwickelte Geschichte verendet. Da findet sich nicht mal ein brauchbarer Einfall, der noch über die offensichtliche Defizite hinwegtäuschen könnte. Die anständige, formelle Präsentation wird da nur zur Fußnote für ein offenbar in technischer Hinsicht fähiges, in kreativ-inhaltlicher Weise aber schlampiges Talent. Dieses Prädikat – Talent – sollte Colin Minihan (noch) nicht abgesprochen werden. Auch wenn sich seine Fähigkeiten schon deutlich in Teilbereichen abzeichnen.