Inhalt
Sein Name ist Charlie – und das ist seine Welt: Ein Ort des Bösen, der Gewalt und der Perversion. Charlie ist ein sexueller Sadist, der unschuldige Frauen verführt und ermordet. Gierig nach Macht und Kontrolle filmt er seine wahnsinnige Geschichte. Eines Tages begegnet ihm die schöne Ashley. Heimlich filmt er sein neues Opfer, verfolgt sie und bricht in ihre Wohnung ein. Aber diesmal ist alles anders. Charlie empfindet längst vergessene Gefühle für seine Beute…
Kritik
Bei seinem Spielfilmdebüt begibt sich Regisseur & Autor Matthew Berkowitz in den Kopf eines Serienkillers und lädt den Zuschauer ein, an dieser Tour des Wahnsinns teilzuhaben. Seine Low-Budget-Independent-Produktion versteht sich dabei keinesfalls als schnell und leicht konsumierbarer Genre-Happen für zwischendurch oder als Slasher für den anspruchslosen Heimkinoabend in geselliger Runde, kokettiert eher mit einem höheren Anspruch, ohne diesem letztlich gerecht werden zu können.
Unmissverständlich orientiert sich Berkowitz dabei an großen Vorbildern, in erster Linie überdeutlich an John McNaughtons subversiven, nihilistischen Genre-Klassiker „Henry: Portrait of a Serial Killer“ (1986), der von seiner ganzen Struktur als eine Art Blaupause für dieses Werk dient. Schon damals wurde ein misogynes Monster in den Mittelpunkt der Handlung gestellt, das aus einem nicht kontrollierbaren, inneren Zwang heraus tötete, seine Taten dabei (teilweise) auf Video festhielt und dessen Welt aus den Fugen geriet, als er Gefühle für eine Frau entwickelte. Dazu finden sich weniger direkte, dennoch inhaltlich durchaus vorhandene Referenzen an weitere Filme des Subgenres wie Michael Powells Meisterwerk „Augen der Angst – Peeping Tom“ (1960) oder praktisch jeden anderen Film, in dem das Serien-Killer-Motiv mit einem (manchmal semi-dokumentarischen) Film-in-Film-Stil verknüpft wird. In seiner Ausrichtung somit ambitioniert und indirekt zitierend, lässt Berkowitz zumindest partiell erkennen, dass in ihm einiges an Talent schlummert. Manche Szenen versprühen eine ungemeine beklemmende Bedrohung und verfehlen die angepeilte Wirkung keinesfalls. Besonders der pochende Score bohrt sich mitunter in den Kopf des Zuschauers, die in den letzten Jahren überstrapazierten, inzwischen oft nur noch nervigen Found-Footage-Montagen ergeben im Kontext der Handlung nicht nur Sinn, sie passen mit ihrem groben, ungeschliffenen Ambiente zu der angespannten Stimmung. In diesen Momenten ist „Wild in Blue“ tatsächlich mal nah dran an seinen Idolen, ohne gänzlich ihre Radikalität (John McNaughton) oder noch weniger ihre suggestive, künstlerische Ebene (Powell) zu erreichen.
So sehr diese Szenen ihren Zweck erfüllen, im Gesamten ist „Wild in Blue“ – und hier musste das Wörtchen „leider“ fast schon groß geschrieben werden – nicht mehr als ein bemühter Versuch, der mit seiner zähen, sperrigen Art sich dem Massengeschmack sowieso entziehen wird (was ohnehin niemanden der Beteiligten ernsthaft verwundern sollte und billigend in Kauf genommen wird) und auch als „kleiner Bruder“ der erwähnten Filme zu wenig Relevanz und Stellenwert innerhalb des Genres besitzt. Viel zu erzählen hat er nicht und wenn, wurde es schon mehrfach (deutlich besser) an anderer Stelle getan. Seine Charaktere sind zu dünn und leer gezeichnet, deren Unterbau ein dürftiges Einmaleins aus der psychologischen Waschküche, konstante Grundspannung stellt sich nicht ein, seinen Reiz bezieht er ausschließlich aus diesen separaten Situationen, die das Interesse nicht über die 85 Minuten Laufzeit aufrecht erhalten können. Irgendwann hat sich „Wild in Blue“ in seiner spärlichen Story und dem Mangel an eigenen Idee komplett verrannt und schleppt sich nur noch irgendwie über die Ziellinie. Da nützt es einfach nichts, wenn sich Kenntnis und ein gewisses Potenzial im Hantieren mit den Stilmitteln erkennen lassen, am Ende des Tages ist der Film schlicht zu belanglos, um wirklich erwähnenswert zu sein. Eines sollte dann aber doch noch erwähnt werden: Es ist der letzte (vollendete) Film von Karen Black („Familiengrab“), der Frau mit dem Silberblick, die im August 2013 im Alter von 74 Jahren verstarb, wobei ihr kurzer Auftritt dabei nicht der Rede wert ist.
Fazit
Sichtlich fachkundige und bemühte Hommage an den Serien-Killer-Film und seine Klassiker, der mehr am eigenen Anspruch als den bescheidenen Mitteln scheitert. Mit diesen weiß der Regisseur relativ gekonnt umzugehen, sein Drehbuch hingegen ist nicht mehr als ein Wildern bei seinen Vorbildern, ohne deren inhaltlich Klasse auch nur annährend zu erreichen. Zu wenig Nährwert, zu wenig eigener Input, insgesamt schlicht unnötig.
Autor: Jacko Kunze