Inhalt
Wilson ist ein Mann mittleren Alters und lebt allein in Oakland, Kalifornien. Freunde hat er keine, denn mit seinen zahlreichen Neurosen, seinem ewigen Pessimismus und seiner schmerzhaft direkten Ehrlichkeit stößt er anderen Menschen meist innerhalb kürzester Zeit so sehr vor den Kopf, dass diese nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Dass sein Leben keinen rechten Sinn hat, ändert sich für Wilson erst, als er erfährt, dass seine Ex-Frau Pippi ihr Kind einst zur Adoption freigegeben hat. Wilson macht sie ausfindig und begibt sich mit seiner einstigen Partnerin auf die Suche nach seiner Tochter, die inzwischen im Teenager-Alter sein sollte.
Kritik
Menschen, die mit ihrer bloßen Anwesenheit für unbehagliche Stimmung sorgen, dürfte jeder schon einmal beobachtet oder kennengelernt haben. Ein solcher Mensch ist auch Wilson, der durch sein Verhalten dazu verdammt ist, ein Leben in völliger Einsamkeit zu fristen. Bis auf seinen Hund ist ihm niemand mehr geblieben, der freiwillig länger Zeit mit ihm verbringt. Schaut man sich die ersten Minuten von Craig Johnsons (The Skeleton Twins) Film an, könnte man meinen, dass es dieser Wilson geradezu offensiv darauf anlegt, alles und jeden in seinem Umfeld von sich zu stoßen.
Mit einer Mischung aus forscher Extrovertiertheit, durch die er sich beispielsweise im Zug gerne neben Fremde setzt und diese sofort mit persönlichen Fragen löchert, und seiner ungefiltert-ehrlichen Art, bei der er verletzende Erniedrigungen mit selbstverständlicher Offenheit äußert, gerät der Protagonist des Films zu Beginn von einer unbequemen Situation in die nächste und mit ihm auch der Zuschauer. Zwischen bissigen Fremdschammomenten und bösartiger Situationskomik entfaltet sich Johnsons Adaption des Graphic Novel von Daniel Clowes (Ghost World) als exzentrisches Charakterporträt eines unausstehlichen Misanthropen, dem Woody Harrelson (The Messenger - Die letzte Nachricht) ein passendes Gesicht verleiht.
Der Schauspieler entpuppt sich als Glücksfall für diesen Film, denn Harrelson zählt zu jenen Darstellern, die schon nach kurzer Zeit völlig hinter ihren Rollen verschwinden und einen Blick rein auf die Figur gestatten. Harrelson ist es somit auch, der Wilson sowohl als manischen Wahnsinnigen spielt, dem man sofort aus dem Weg gehen möchte, falls man ihm begegnet, wie auch als tragisch gescheiterte Existenz. In wenigen Momenten lässt der Schauspieler die ganze Sehnsucht seiner Figur mit rührenden Nuancen aufblitzen und verdeutlicht gleichzeitig, wie sehr sich dieser Wilson nach jemandem sehnt, der ihm zuhört und für ihn da ist. Nachdem der Protagonist seine Exfreundin Pippi ausfindig macht, die ihn vor 17 Jahren verlassen hat und mit dem Glauben zurückließ, das gemeinsame Kind abgetrieben zu haben, verkantet sich Wilson - Der Weltverbesserer zunehmend in seinem schwankenden Erzählton.
Von Pippi erfährt Wilson, dass sie das Kind damals nicht nur zur Welt gebracht, sondern auch noch zur Adoption freigegeben hat. Von Wilsons Euphorie angetrieben wird das wiedervereinte Paar schließlich dazu bewegt, die mittlerweile jugendliche Tochter aufzuspüren und mit ihren leiblichen Eltern zu konfrontieren. Im Zuge dieser Handlungsentwicklung kann sich der Regisseur nie dafür entscheiden, ob er seinen Film von nun an als skurriles Charakterporträt oder seichte Familienkomödie inszenieren will. Johnson bedient stattdessen beide Genres mit durchwachsenen Resultaten, denn weder sind seine rabiaten Ausreißer lustig genug, noch vermag der emotionale Kern dieser eher unfreiwillig zusammengewürfelten, dysfunktionalen Familie wirklich zu berühren.
Auch wenn Laura Dern (Blue Velvet) in der Rolle von Pippi ein überzeugendes Gegenstück zu Wilson abgibt und ihrer Figur der überforderten Ex-Prostituierten mit Drogenvergangenheit einige Szenen beschert, die dem skurrilen Geschehen immer wieder die nötige Bodenhaftung verleihen, pendelt der Streifen als Gesamtwerk zu sehr zwischen karikaturesker Zuspitzung und ernstem Drama. So erscheint das letzte Drittel des Films, in welchem dem Protagonisten aus kaum nachvollziehbaren Entwicklungen noch einmal besonders übel mitgespielt wird, ebenso unpassend wie das Finale, das aufgrund des versöhnlichen Tonfalls wie ein Traum wirkt, aus dem der richtige Wilson mies gelaunt hochschrecken würde.
Fazit
Regisseur Craig Johnson fährt in seinem zunächst als exzentrisches Charakterporträt angelegten Film „Wilson - Der Weltverbesserer“ zu Beginn einige überaus gelungene Momente auf, in denen er bissige Situationskomik und bösartige Fremdschammomente ausgewogen balanciert. Mit fortschreitender Dauer geraten die zunehmend unterschiedlichen Erzähltöne allerdings außer Kontrolle, wodurch der Film unausgegoren zwischen skurriler Farce und warmherziger Familienkomödie pendelt. Trotz der hervorragenden schauspielerischen Leistungen von Woody Harrelson und Laura Dern ist „Wilson - Der Weltverbesserer“ daher nur ein halbherziges Vergnügen.
Autor: Patrick Reinbott