Inhalt
Die X-Men müssen sich in DARK PHOENIX nicht nur ihrem stärksten und mächtigsten Gegner stellen, sie sind auch mit der Tatsache konfrontiert, dass dieser Gegner aus ihren eigenen Reihen stammt. Es ist Jean Grey, die bei einer Rettungsmission im All beinahe getötet wurde, dann aber von einer unbekannten kosmischen Kraft getroffen wird. Bei ihrer Rückkehr von dieser Mission sind diese Kräfte zwar viel stärker und mächtiger geworden – doch sie sind auch viel instabiler und kaum kontrollierbar. Jean kämpft mit diesen neuen ihr innewohnenden Kräften, die sie weder versteht, noch zügeln kann. Der Kontrollverlust führt dazu, dass sie die Menschen, die ihr wirklich nahe sind und die sie liebt, vor den Kopf stößt und verletzt. Gleichzeitig beginnt sie die ureigentlichen Verbindungen auseinanderzunehmen, die die X-Men zusammenhält.
Kritik
Im Bereich der Superheldenfilme haben die X-Men eine besondere Position. Immerhin war es die erste Verfilmung von 2000, die maßgeblich den Erfolg von Comicverfilmungen angestoßen hat (neben Blade von 1998). Dabei war das Franchise voller Höhen und Tiefen. Ein deutlicher Tiefpunkt war gewiss Der Letzte Widerstand, der die im X-Men-Universum äußerst populäre Dark-Phoenix-Storyline halbherzig und lieblos interpretierte. Danach folgte mit dem X-Men: Erste Entscheidung zwar ein überaus gelungener (Pseudo-) Neustart, aber die verpasste Chance den Phönix ausgiebig erstrahlen zu lassen, spukte wohl nicht nur bei den Comickennern und Fans weiter im Kopf herum.
X-Men: Dark Phoenix soll es nun richten und darüber hinaus auch den nicht gerade beliebten X-Men: Apocalypse, der vor dreiJahren das Ende der Bryan-Singer-Ära einleitete, vergessen machen. Der neue Teil spielt zehn Jahre nach dem Ende von Apocalypse, im Jahre 1992 (nein, der Film setzt nicht auf Retro-Chic). Professor Charles X. Xavier (James McAvoy, Glass) hat die Schüler von einst endgültig zu den X-Men gemacht, die mittlerweile in aller Öffentlichkeit agieren und gleich zu Beginn des Films vom Präsident persönlich gebeten werden, die Astronauten eines Raumschiffs zu retten. Professor X verspricht sich mit den Heldentaten seiner X-Men, die öffentliche Meinung gegenüber Mutanten in eine positive Richtung zu lenken, was auch erfolgreich ist. Allerdings dauert es nicht lange, bis Mutanten wieder als Bedrohung eingestuft werden.
Diese Thematik, die Unterdrückung und Vorverurteilung von Mutanten, ist ein Kernelement des Franchise. Doch auch wenn X-Men: Dark Phoenix dies offen anspricht, wirkt der Umgang damit indifferent. Die Thematik wird aufgegriffen, nur um sie irgendwann schulterzuckend fallen zu lassen. Diese Gleichgültigkeit zieht sich leider wie ein roter Faden durch den gesamten Film. Nichts wird hier wirklich konsequent durchdacht und zu Ende gebracht. So dienen z. B. tragische Verluste einzig für halbgare Motivationsschübe. Das Perfide am schwachen Script ist aber, dass genügend Möglichkeiten vorhanden sind, um aus Dark Phoenix mehr herauszuholen, als das übliche Heldenspektakel. Es wirkt hier aber so, als ob die Verhandlung über das Anderssein nur rudimentär vorhanden ist, weil es halt irgendwie zu den X-Men gehört.
Ähnlich lustlos inszeniert Regisseur Simon Kinberg, der die Reihe seit langem als Produzent begleitet, auch die Action: Storm (Alexandra Shipp, Love, Simon) darf Blitze verschießen, Quicksilver (Evan Peters, American Animals) rennt schnell (hat diesmal aber keinen erinnerungswürdigen Moment wie in X-Men: Zukunft ist Vergangenheit), Nightcrawler (Kodi Smit-McPhee, Alpha) teleportiert sich und Professor X hockt in seinem Rollstuhl und hält sich mit verkniffenem Blick Mittel- und Zeigefinger an die Schläfe. Erst beim Finale, dass ursprünglich wohl in einem Raumschiff spielen sollte und nun aber in einem Zug vonstattengeht, findet Kinberg kurze Momente die beeindrucken.
Wirklich kurze Momente allerdings, die dazu von äußerst schwachen dramaturgischen Entscheidungen torpediert werden. Dennoch ist der Showdown das klare Highlight, was nicht dafür spricht, dass die Story rund um Jean Grey (wenig beeindruckend: Game of Thrones-Star Sophie Turner) und den Dark Phoenix wirklich gelungen ist. Zugegeben, so schlimm wie beim Letzten Widerstand geht man mit der Vorlage nicht um, Nicht-Kenner der Comics werden sich nach der Sichtung von Kinbergs Regiedebüt aber sicherlich fragen, was denn jetzt so grandios, episch und überzeugend an dieser Geschichte sein soll.
Etwas Tolles, was dennoch nicht überzeugen will, trifft leider auch auf die Mehrheit der Besetzung zu. James McAvoy spult seine Rolle ähnlich stagnierenden ab wie Michael Fassbender (Inglourious Basterds) als Magneto, dessen Rolle hier tatsächlich absolut nutzlos ist. Nicholas Hoult (Mad Max: Fury Road) als Hank McCoy aka Beast tut es ihnen gleich und dass Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence (Red Sparrow) keinen Bock mehr auf ihre Mystique-Rolle hat, sollte nach X-Men: Dark Phoenix auch kein Geheimnis mehr sein. Am Schlimmsten trifft es aber Jessica Chastain (Der Marsianer - Rettet Mark Watney) als Antagonistin. Ihr Part ist so öde, einseitig und vergessenswert, dass selbst die Schurken aus Thor: The Dark Kingdom oder Ant-Man besser wirken.
Nach X-Men: Dark Phoenix ist es deutlich, dass das Franchise eine Generalüberholung nötig hat. Auch wenn Kinbergs Film etwas Abschließendes hat, so lässt er doch haufenweise Möglichkeiten offen, dass uns demnächst wieder ein X-Men aus diesem Universum erwartet. Natürlich ist es schon etwas gemein, zu hoffen, dass Disney (und Fox) auf einen radikalen Neustart setzten, aber nach Dark Phoenix wirken die aktuellen Kino-X-Men schon irgendwie leblos. Eine Wiederbelebung des Leichnams wäre möglich, aber vielleicht wäre es doch besser in ein paar Jahren die Mutanten von Grund auf neu für die Leinwand aufzubauen – oder sogar zu erfinden.
Fazit
Auch „Dark Phoenix“ gelingt keine adäquate Umsetzung der bekannten wie beliebten Storyline. Stattdessen erweist sich der Blockbuster als ermüdend lustloses Abhaken der typischen Merkmale der Mutantensaga. Diese Generation der X-Men hat sich mit diesem Film den Todesschuss verpasst. Danke für die ganze gute Unterhaltung, aber es ist Zeit, Adieu zu sagen. Immerhin, nach „Dark Phoenix“ sollte einem der Abschied leicht fallen.
Autor: Sebastian Groß