Quälereien, quälend langweilig
Über Robinsons einsame Insel
Schallt laut dessen geiles Gewinsel
Daß sein Weib sich verweigert
Hat in Wut ihn gesteigert
Warum nahm sie der Einfaltspinsel?
Dieser bescheidene Limerick anstatt einer Inhaltsangabe ist noch ein Kunstwerk gegen jene Reime, die Robinson alias Gerald Kingsland (Oliver Reed) dichtet, um sich im selbstgewählten Exil einer tropischen Trauminsel die Zeit zu vertreiben.
Aber mal der Reihe nach. Folgende Geschichte ist wahr und hatte als Resultat je ein Buch der Beteiligten und diesen künstlerisch irgendwie fragwürdigen Film zur Folge:
Anfang des Jahres 1981 las die damals 25jährige Lucy Irvine (Amanda Donohoe) im Londoner Stadtmagazin "Time Out" folgende Kleinanzeige: "Autor sucht 'Frau' für einjährigen Urlaub auf tropischer Insel". Aufgegeben hatte die Anzeige ein Mann, der gut und gern Lucys Vater hätte sein können: Gerald Kingsland.
Tatsächlich ist dieser Kingsland, ein Schriftsteller, etwas verrückt, willkürlich, wehleidig und stinkend faul. Völlig unverständlich, warum sich Lucy für ein Jahr einsames Inselleben mit dem Romantiker meldete. Das ungleiche Paar reiste auf das winzige Tropeneiland Tuin, zwischen Neu-Guinea und Australien gelegen. Lucy willigte sogar in eine Ehe mit dem Abenteurer ein, da die australische Regierung sonst die Einwanderungserlaubnis verweigert hätte.
Was sich dann allerdings auf der Insel abspielte, entsprach so gar nicht Gerald Kingslands Vorstellung von der ewig himmelblauen Insulaner-Existenz. Lucy kündigte dem eigenbrötlerischen Exjournalist eines Tages aus unerfindlichen Gründen jäh den Sex auf.
Für ein volles Jahr lang!
Die daraus resultierenden gegenseitigen Quälereien mögen ein Fressen für Psychiater sein, Menschen wie du und ich werden sie vermutlich nur quälend langweilig finden.
Am zugegeben sehenswerten Körper von Frau Robinson (Amanda Donohoe) hat man sich ohnehin bald satt gesehen, eine Reihe idyllischer Ansichten von Strand und Korallenriffen kann man genausogut in jedem Reiseprospekt bewundern. Oliver Reed mißfällt als dicker, häßlicher Querulant.
Wer also von diesem Abenteuer eine "Blaue Lagune" für Erwachsene erwartet, der dürfte enttäuscht werden. Nicolas Roegs "Castaway" handelt - ähnlich wie Peter Weirs "Mosquito Coast" - von der Sehnsucht nach einem idyllischen Urzustand, und der grauenvollen Ernüchterung, die an die Stelle der Illusion tritt, sobald der idealistische Traum zur greifbaren Wirklichkeit wird.
Die Aussage des Films ist bitter: Der Mensch ist unfähig, zivilisatorische Zwänge und Normen abzulegen und sich ein privates Paradies zu schaffen, selbst wenn er sein ideal vom grenzenlosen Einklang mit der Natur noch so engagiert und in bester Absicht verfolgen mag. Kein Film also, den man sich freiwillig auf eine einsame Insel mitnehmen würde.
Wieder einmal hat der weitverbreitete Irrtum, daß ein spannender Roman einen ebensolchen Film ergibt, sein Opfer gefunden. Besonders tragisch, daß dies Opfer Nicolas Roeg heißt, bislang als einer der raffiniertesten Psycho-Regisseure erfolgreich („Wenn die Gondeln Trauer tragen", „Insignificance“).
P.S.: Die echte Lucy (Irvine) rechtfertigt sich in ihrem durchaus lesenswerten Erlebnisroman „Eva und Mister Robinson" (irgendwann mal erschienen im Heine-Verlag) seitenweise für ihr lustfeindliches Verhalten. Sehr viel verständlicher wird es deswegen allerdings auch nicht.
Fazit: Hätt' ich nicht für möglich gehalten: ein fader Film von Nicolas Roeg!