{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Gertschi

Kritik von Gertschi

Unheilvoll, abstoßend, faszinierend

Man muß bereit sein, sich ernstlich verstören zu lassen. Anwidern zu lassen, schockieren vergiften. Erst dann ist man reif für die schrecklichen Schönheiten eines Films, der zu den abseitigsten Abenteuern gehört, die man im Kino erleben kann. Hat man das ungeheuerliche Filmdebüt von David Lynch erst einmal gesehen, erscheint einem sein zweites Werk, "Der Elefantenmensch" - Liebeserklärung an eine monströse Mißgeburt -, wohl als halbherziger Kompromiß.

Auch in dieser gruseligen Nachtmahr geht es um eine Mißgeburt, deren kaum mehr menschenähnliche Darstellung zu den abstoßendsten und zugleich faszinierendsten Bildern der Filmgeschichte gehört. Ekelhaft und widerlich auch das übrige lebende und tote Inventar dieses voll innerem und äußerem Schmutz starrenden Alptraums um einen schizophrenen Insektenfetischisten, der nach Sex mit einer deformierten Blondiene fiebert. Eine perverse, brechreizende Monströsität.

Die Bilder dieses schaurigen Lichtspiels sind vieldeutig, der Ton entnervend, die Beleuchtung grauenerregend, die Schauplätze zum davonlaufen, die Personen erschreckend. Aber alle Einzelheiten sind realistisch: Der Slum, die Wohnungen, die Eigenarten der Handelnden, das müllübersäte Fabrikdekor, der Lärm der Maschinen. Das andere bleibt jedoch im wahrsten Sinne des Wortes im dunkeln. Wo es auch hingehört. Ein großer Teil der Filmsequenzen ist nicht ausgeleuchtet, die Bilder besitzen immer eine "schwarze" Zone. Zonen, aus denen früher oder später das Unvorstellbare hervorbricht. So verschmilzt David K. Lynch Form und Inhalt.

Dieses faszinierende Machwerk entstand, in drei Jahren Drehzeit, ausschließlich in Los Angeles und größtenteils nachts in selbstgebauten Sets auf dem Dachboden eines Hauses in Beverly Hills. "Wir", sagt der Regisseur, "also die fünf oder sechs Leute in dem kleinen Team, haben über ein Jahr lang jede Nacht gearbeitet." Auch die Entstehungsgeschichte trug zum Kult bei, der sich mittlerweile um diesen abendfüllenden Erstling rankt. Denn ein Kultfilm für eine mitternächtliche Kinogemeinde ist "Eraserhead" längst geworden.

Dafür legte der 1946 in Missoula/Montana geborene Lynch auch selbst Stück für Stück Hand an. Ein handwerklicher Tüftler war er schon, als er noch die Corcoran School of Art, die Boston Museum School und später die Pennsylvania Academy of the Fine Arts besuchte. Er machte Fingerübungen mit Trickfilmen und drehte schließlich - mit einer Prämie des "American Film Institute - "The Grandmother", einen 34minütigen Kurzfilm, der ihm etliche internationale Preise eintrug.

Dann begann die Knochenarbeit an "Eraserhead". "Die Riesenmengen an Werkzeugen und Eisenwaren, die angeschafft wurden", meinte David Lynch, nicht ohne gebührenden Stolz, "würden einen normalen Eisenwarenladen dagegen mickrig aussehen lassen". Das nötige Kleingeld für die Herstellungskosten besorgten wiederum das "American Film Institute" - und die Schauspielerin Sissy Spacek, deren Hang zu Mysterien sie mit David Lynch zusammenbrachte.

Auch den grauenvollen Embryo hat Lynch selbst gebastelt. Es übertrifft bei weitem die abgehäuteten Karnickel in der Handtasche von Catherine Deneuve aus Polanskis Filmschocker "Ekel". Was fasziniert ihn an menschlichen Monstern? Antwort: "Nicht das Äußere, sondern die optischen und akustischen Stimmungen und Schwingungen, die ein solcher Mensch auslöst." Und diese Stimmungen kommen eben besonders dann zum Schwingen, wann man sich Lynchs Film-Faustschlägen der Nacht aussetzt.

Fazit: Beeindruckende Bilder, die nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wozu man heute Special-Effects-Brigaden braucht, das schaffte Lynch mit Licht & Schatten, beängstigende Einsamkeit insuierende Einfach-Dekorationen, Pokerface-Mimik seiner Darsteller und schreckhaften Requisiten wie Regenwürmer. Einfach selber anschauen und es als Experiment betrachten, die eigenen körperlichen und geistigen Grenzen auszuloten, bis man mit dem koketten Song der Lady hinter dem Heizungslüfter übereinstimmt und am Ende bewusst wird: "Hier ist gerade etwas passiert, aber ich weiss nicht, was. Weiss ich schon, aber es ist... AARGH

Wird geladen...