Kriegsfilm aus der Bauchlage
Sie liegen in ihrem Blut, Verwundete und Tote, verstreut in einem gelb blühenden Feld, und haben den Feind noch nicht einmal gesehen. Alleine diese Szene nach der (nicht gezeigten) Schlacht von Brooklyn Heights, in der englische Truppen das Heer der aufständischen Amerikaner mit Kanonen zusammenschossen, ist in die Filmgeschichte eingegangen. Sozusagen der Höhepunkt eines Filmepos, in dem der Brite Hugh Hudson über den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) drastischen Geschichtsunterricht gibt.
Denn Hudson verfilmte den Krieg nicht vom stolzen Feldherrnhügel aus, sondern mit nervöser, zitternder Kamera aus der Bauchlage jener, die in vorderster Front kämpften, der Betroffenen und Getroffenen, der kleinen Leute, dem Kanonenfutter. Seine Helden sind keine; sie werden von den Ereignissen erfaßt, gebeutelt, fast ums Leben, jedenfalls um den verdienten Sold gebracht, bevor sie nach dem Sieg in eine ungewisse Zukunft wieder ausgestreut werden.
Keine Begeisterung. Erst um seinen als Trommelbub in englischen Waffendienst gepreßten Sohn zu retten, wächst der Trapper Dob (Al Pacino) über sich hinaus. Statt heroischen Posen nur verquälte Einzelschicksale. Die Geburtswehen der US-Nation ohne patriotischen Heroismus, das konnte in Reagans damaligen Amerika der 80er nur eine Pleite werden, trotz Starbesetzung und vieler aufwendiger Action-Szenen.
Nicht nur als eindringliches Lehrmittel für Schulen und kriegslüsterne Politiker á la Trump dringend empfehlenswert, stören aber doch einige Gefühlsduselei, langer Atem und das verkrampfte vermeiden von Liebesszenen (letzteres, um von der sozialen Botschaft des Kriegsberichts nicht abzulenken). Was nicht zum übrigen Realismus des Films paßt: Selbst Revolutionäre bekamen damals Heimaturlaub für ihre Bräute.
"Manchmal denke ich, daß ich keine Filme inszeniere, sondern die Realität". Ein Statement Hugh Hudsons, das besonders auf seinen dritten inszenierten Film hier zutrifft. "Die Stunde des Siegers", sein Filmdebüt, war eine akkurate Nachbildung englischer Geisteshaltung und Großmacht-Ignoranz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Tarzan-Film "Greystoke" kollidierten Werte und Normen gegensätzlicher Kulturen - der Waldmensch der Vergangenheit gegen Dekadenz und Pomp neuzeitlicher Industrienationen.
Dieser Vorgabe bleibt Hudson treu. Seine Breitwand-"Revolution" besitzt die monumentale Machart eines David Lean und ist ein Film gegen verlogene Mythen und falsche Heldenverehrung. Der Krieg war so, wie Kriege eben sind: schmutzig, blutig und mörederisch anonym. Dem Sieger flicht Hudson keinen Kranz. Der 28 Millionen Dollar teure Film wurde ausschließlich in England gedreht, hauptsächlich aus Kostengründen. Aber Regisseur Hudson gab Europa auch deshalb den Vorzug, "weil in den USA noch kaum alte Architektur erhalten ist. In England leben die Menschen noch in den alten Gebäuden, und das sieht man ihnen auch an."
Aber nicht nur von daher ist dem Film der typisch europäische Blick deutlich anzumerken. Die müden Krieger, die durch tiefen Schlamm ins pulverdampfgraue Feld ziehen, die ungeschönten Bilder der furchtbaren Massaker und noch dazu ein gebrochener Anti-Held (Pacino) an der Front, all das bewirkt ein Geschichtsbild ohne Glanz und Glorie. Kein Wunder, daß "Revolution" in den USA damals an den Kinokassen floppte. Al Pacino hat nach Fertigstellung an diesem Filmepos eine Drehpause von vier Jahren eingelegt. Seine Begründung dafür: "Revolution" wäre der schlechteste Film, den er je gemacht hätte und es hätte an seinem Selbstwertgefühl genagt.
Fazit: Man kann dem Edelmimen Pacino keinen Vorwurf zu seiner schauspielerischen Leistung angedenken. Neben ihm versuchen noch Nastassia Kinski ("Katzenmenschen") und Donald Sutherland ("Die Nadel") den Karren buchstäblich aus dem Dreck zu ziehen, aber ihre bemühten Leistungen sind Perlen vor die Säue, gehen völlig verloren in diesem stümperhaften Kriegs-Wirrwarr, das nie weiß wo es hinwill und am Ende natürlich auch nirgendwo ankommt. Das bildgewaltige Historien-Epos versumpft an seiner eigenen Handlung und nur eingefleischte Al Pacino Fans werden ihre Freude daran haben.
Kritik von Gertschi
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