„Ready for Round 2?“
Anno 2010 sorgte der Brite Matthew Vaughn, der sich 2004 bereits mit „Layer Cake“ anschickte, dem inoffiziell patentierten Stil eines Guy Ritchie oder Quentin Tarantino nachzueifern, für reichlich Furore, als er seiner vergleichsweise handzahmen Fantasy-Träumerei „Stardust“ die abgefahrene Superhelden-Parodie „Kick-Ass“ hinterherschob.
Aus der wahnwitzigen Idee, dass sich ein fanatischer Comicfreak und Durchschnitts-Highschool-Loser zum selbsternannten Real Life Superhelden aufschwingt und das Böse auf eigene Faust bekämpft, bastelte er einen „Anti-Superheldenspaß“, bei dem typisches Coming-of-Age auf trashig-blutige Exploitation traf, während gleichzeitig ein wahres Feuerwerk an Pop-und Geek-Kultur abgefackelt wurde, das es eine wahre Freude ist.
Inmitten der nicht enden wollenden Flut an Comicverfilmungen, die zum Großteil mehr oder weniger dem durch Christopher Nolans „Dark Knight“ gesetzten Trend der düsteren, ernsthaften Herangehensweise hinterhechelten, war „Kick-Ass“ der kompromisslose Bastard (oder besser die Schlampe?) des Genres, der sich genauso schamlos darüber lustig machte wie er ihm huldigte, womit man eine heikle Balance meistern konnte.
Zusätzlich war er der einzige Vertreter, dessen Verfilmung es bereits vor der eigentlichen Vorlage gab. An deren Fortsetzung mit dem ursprünglichen Arbeitstitel „Balls to the Wall“ setzte sich Erfinder Mark Millar denn auch gleich nach dem buchstäblich durchschlagendem Erfolg und baute das Universum prompt für eine Trilogie aus.
Aus Zeitmangel verdrückten sich er und Matthew Vaughn für „Kick-Ass 2“ aber ins Executive-Producer-Hinterstübchen und überließen Drehbuch und Regiestuhl Jeff Wadlow, der mit seinen beiden Filmen „The Fighters“ oder „Cry Wolf“ nicht unbedingt als übermaßig talentiert gilt.
Anders als beim Independent-Vorgänger, der aber nicht zuletzt dadurch seinen ganz eigenen Charme versprühte, produzierte man nun unter dem Global Player Universal einen waschechten Hollywoodstreifen.
Wer allerdings befürchtet, dass aufgrund dessen wohl oder übel mehr Zugeständnisse ans Mainstream-Publikum gemacht werden mussten, der dürfte bei „Kick-Ass 2“ schnell sein blaues (bzw. kick-assgrünes) Wunder erleben. Zumindest auf den ersten Blick.
Nach einem etwas holprigen Anfang, der aber einigermaßen stimmig rund zwei Jahre nach dem Ende des Originals ansetzt, ist spätestens nach der ersten Viertelstunde klar, welche von dessen Qualitäten sich Wadlow besonders aneignen will.
Doch so denkwürdig es auch ist, wenn Hit-Girl bei einer Straßenprügelei abgebrühten Gangstern sagenhaft choreographiert die Gossenvisagen poliert und dem letzten obendrein nach einem „If I ever catch you robbing again, shit-burger, I'm going to go to Saudi Arabia on your ass and cut your hand off.“ ungeniert die ungewaschene Hand abhackt, kann man nicht umhin zu behaupten, dass man nur noch halbwegs in dieselbe WTF Schockstarre verfallen ist wie bei ihrem ersten Auftritt, wo eine damals 11-Jährige (!!) mit einem Mal ein ganzes Appartement voller bewaffneter Schurken im Alleingang niedermäht.
Der bis dato minderjährigen Chloë Grace Moretz kann man das aber nicht unbedingt ankreiden, sondern vielmehr dem Drehbuch, was versucht, sie mit heißer Nadel in ein mehr als hautenges Kostüm zu verstricken, dem sie offenkundig entwachsen ist.
Da erscheint es zunächst nur konsequent, wenn sie mit einem Mal das "Hit" in Hit-Girl streichen und erstmal nur noch brav zur Schule gehen will.
Damit stellt sich der Film allerdings gleich doppelt ein Bein.
Wie man es dreht und wendet, der heimliche Star von „Kick-Ass“ war das minderjährige, rotzfreche Hit-Gör, was hier aber nun erzählerisch an die Kette dröger Selbstfindungsklischees gelegt wird.
Zwar kann Moretz, wenn sie sich durch die verspätete Pubertät prügeln und mit hinterhältigen High School Bitches rumschlagen muss, auf ihre Rolle im „Carrie“ Remake zurückgreifen, letztendlich ist es aber vollkommen egal, wenn Hit-Girl am Ende wieder Hit-Girl ist und bleibt und der High School Plot in einer peinlich übertriebenen Kotz-Brech-Reiz(darm) Szene gipfelt, die dem Fäkalien-Valhalla der Spoof-Schwachmaten Seltzer/Friedberg gefährlich nahekommt.
Neben dieser immerhin verklärten Charakter-Entwicklung gibt es bei Kick-Ass Aaron Taylor-Johnson so gut wie gar keine mehr.
Zwischen den Jahren ist aus dem schmächtigen Loser-Typen mit Schwäche fürs Heroische ein selbstbewusster Player geworden, der inzwischen viel zu „good in shape“ ist, sich nach der Trennung von Freundin Katie (Lyndsy Fonseca in einer unglaublich undankbaren "haha, sie hat Schwanz gesagt!" Szene) mit Kollegin "Night Bitch" tröstet.
Da kann später noch so oft die Rede vom „real life“ mit seinen „real life consequences“ sein: „Kick-Ass“ fährt inzwischen auf derselben „with great power comes great responsibility“ Einbahnstraße wie alle Anderen auch, was ihn schließlich ziemlich langweilig macht und unweigerlich die Frage aufkommen lässt, warum überhaupt immer noch er die Story aus dem Off erzählt.
Abseits dessen schlummert aber noch mehr an verschwendetem Talent und verschossenem Potenzial.
Bestes Beispiel ist dafür wohl die Justice-League Verarsche, „Justice Forever“.
Angeführt von Colonel „Stars and Stripes“ wollen sie die Welt zu einem besseren Ort machen, und, wie gefühlt jeder (zweite) Superheld, ihre Wut über persönliche Tragödien in "Gutes" (ergo Selbstjustiz) verwandeln.
Hier tummeln sich einige Gestalten: da wäre zum Einen Night Bitch, die eher wie vom letzten Cosplay in den Film verirrt wirkt, oder das Ehepaar „Remembering Tommy“, das eventuell schon als böse Parodie auf den Vermisstenfall Maddie gemeint sein könnte.
Allen voran ist es hier aber Jim Carrey als Colonel „Stars and Stripes“, dessen Anblick einem das Herz bluten lässt.
Sichtlich gealtert spielt der berüchtigte Improvisateur und Grimassenkönig seinen überraschend limitierten Part inklusive "Eierbeißer Eisenhower" beileibe nicht schlecht, aber doch merkwürdig lustlos herunter. Ob Carrey sich mit diesem Auftritt ein Comeback erhofft hatte, wie es Nicolas Cage als "Big Daddy“ schon hätte haben können (wäre da nicht sein wohl nicht mehr aufzuhaltender Karriereverschleiß), bleibt fraglich.
Aber wie heißt es doch an einer Stelle? „Without „Kick-Ass“, no one of us would be here.“
Dem bunten wie blassen Treiben der Amateur-Superhelden um Kick-Ass stellt Wadlow, wie bereits am Ende des ersten Teils zu erwarten, den selbsternannten „Motherfucker“ aka „Red Mist“ aka Chris D'Amico aka Christopher Mintz-Plasse entgegen, der (wie könnte es auch anders sein) aus Rache für seinen toten Vater mit dem Familienvermögen eine Armee aus Amateur-Super-Villians auf die Beine stellt.
Während Hit-Girl Moretz unerklärlicherweise durch die Teenie-Film-Selbstfindungshölle gejagt wird, darf Mintz-Plasse als einer der wenigen endlich einmal auftrumpfen. Als wandelnder Ödipus- und Vaterkomplex im schnittigen SM Outfit seiner SPOILER toten SPOILER Mummy ist er schlicht zum Schreien komisch, wo immer er auftaucht. Für eine wirkliche schauspielerische Glanzleistung (die er durchaus mitbringt, wie man am, warum auch immer dringelassenen Knasti-Besuch bei „GoT“ Star Iain Glen sehen kann)ist seine Rolle aber dann doch zu albern, als das er als wirklich bedrohlicher Antagonist funktionieren könnte.
Rausstechen aus seiner angeheuerten Super-Söldner Truppe der "toxischen Mega-Fotzen" (Pause für Gelächter) kann dann eigentlich nur noch „Mother Russia“, die so dermaßen überspitzt den weiblichen KGB-Dolph Lundgren gibt, dass sie auch gut und gerne aus Robert Rodriguez' „Machete“ Franchise entsprungen sein könnte.
Wo man sich hin und wieder aber immerhin noch ein paar schlicht abgefahrene Momente SPOILER Rasenmäher meets Windschutzscheibe SPOILER gönnt, die durchaus gute (CGI-) Action bieten können, fällt Jeff Wadlow im Gegensatz zum kreativ verspielten Comic-Stil Matthew Vaughns optisch nicht wirklich viel ein, wenn er diesen mal nicht gerade plump rezitiert/imitiert. Bis auf das traurige "In the Warehouse, in a Heartbeat" Hintergrund-Geklimper John Murphys sind vom fetzigen Soundtrack des Erstlings eher audiovisuelle Herzrhythmusstörungen übriggeblieben, der unterschwelligen Gesellschaftskritik, mit der Vaughn u.a. die Mediensensationsgeilheit anprangerte (man denke nur an die TV Live Übertragung der Big Daddy Hinrichtung) hat er ebenfalls kaum etwas hinzuzufügen.
Den Ausgleich versucht man also mit ständigen Drehern an der Gewaltschraube. Und auch wenn hier ein paar Details gegenüber der Vorlage dann doch unter der Studio-Knute zurückgehalten wurden, wie etwa die Vergewaltigung von Night Bitch (bei der der „kleine“(von) Motherfucker hier nicht so richtig „in Stimmung“ kommen will) ist die FSK 18 durchaus berechtigt.
Trotz der eloquenten Aneinanderreihung erlesener Schimpfwörter im gepflegt manierlichen "South Park" Jargon scheitert Jeff Wadlow auch damit jämmerlich. „Kick-Ass“ behielt bei all dem „holy shit“, der sich beim Showdown abspielte, immer das perfekte Timing für den absurden Wortwitz, den Esprit, das unübersehbare Augenzwinkern.
In „Kick-Ass 2“ ist davon nicht mal mehr ein Blinzeln übrig.
Das Finale ist eine lachhafte Wannabe Heros vs. Wannabe Villians Scharade, die endgültig ohne den Hauch von Selbstironie zum rein selbstzweckhaften, freudlos durchexerzierten Magerquark-Metzelfest ausartet, dem in seinem immer wieder gleichen selbstgefälligen Schema F eigentlich schlussendlich nichts anderes übrig bleibt, als sich selbst zu zerlegen.
Fazit: Jeff Wadlow liefert mit „Kick-Ass 2“ die Parodie auf einen Film, der das Superhelden-Genre parodiert. Und doch hat er erstaunlicherweise mit seinem Überfluss an verheizten Charakteren, Talenten und Ideen einen Aspekt des gesamten Genres absolut treffsicher persifliert: Übersättigung.
„Oh, I'm real. Real enough to defeat you! And I did it without your precious gifts, your oh-so-special powers. I'll give them heroics. I'll give them the most spectacular heroics the world has ever seen! And when I'm old and I've had my fun, I'll sell my inventions so that everyone can have powers. Everyone can be super! And when everyone's super...no one will be.“
(Syndrome in „The Incredibles“)