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Imperious

Kritik von Imperious

"Mit einem Orchester hätten die Jesuiten sich den ganzen Kontinent unterwerfen können.“ Ein einzelner Mann erklimmt, unter erheblicher Anstrengung, den höchsten Punkt oberhalb der Iguaçu Wasserfälle. Gebannt sehen wir ihm dabei zu, wie er, einem Insekt gleich, das gigantische Gefälle bezwingt. Oben angekommen, passiert er im tiefsten Dschungel zunächst einen toten Leguan, am Kopfende aufgehängt. Aber der Jesuit stiehlt sich weiter und holt, nachdem er sich auf einem Stein niedergelassen hat, aus einem länglichen Bündel ein Instrument, eine Oboe, hervor. Und obwohl er im nahen Dickicht bereits Geräusche, vielleicht ein Tier, vielleicht Freund, vielleicht Feind, hört, führt er die Oboe zögerlich an die Lippen und beginnt darauf zu spielen. Hier erklingt sie zum allerersten Mal. "Gabriel's Oboe" erhebt sich, schon bereits nach wenigen Tönen, über die hohen Baumwipfel; mit einem Mal blendet der Film alles andere aus, lässt die sagenhafte Komposition von Altmeister Ennio Morricone den ganzen Moment für sich vereinnahmen, während die oscarprämierte Kamera von Chris Menges die ungebändigte Schönheit dieses Landes tief in unser Gedächtnis brennt. Pater Gabriel baut hierdurch völlig ohne Worte eine Bindung zum einheimischen Guaraní-Stamm auf, wir aber zum Film selbst. Für mich als Liebhaber von Filmmusik war dieser Moment wohl der mit Abstand eindrucksvollste. Und dabei kam er fast zu Anfang, nachdem im Vorspann bereits ein Superlativ vor (Robert De Niro, Jeremy Irons), als auch hinter dem Objektiv (Stuart Craig, Enrico Sabbatani) dem anderen folgte. Aber Morricone, eigentlich das Synonym der akustischen Erhabenheit für die audiovisuelle Perfektion des Westerns, ist hier für mich der alles überstrahlende, heimliche Stern. Seine Musik untermalt nicht nur einfach die majestätischen Naturpanoramen. Sie trägt den Film über seine komplette Länge, sie verleiht den Figuren zusätzliche Tiefe, begleitet sie mit uns Zuschauern auf ihrer Reise, bis hin zum bitteren Ende. Es wäre ein fataler Fehler, „The Mission“ bloß als historisch authentischen, brav abgefilmten Abenteuerfilm abzutun. Nein, in diesem Rohdiamanten (man kann es wirklich nicht besser umschreiben, Andy) steckt soviel mehr. Hier geht es um empfindliches Gleichgewicht. Zwischen Mensch und Natur. Zwischen Barmherzigkeit und Aufopferung. Zwischen Freiheit und unterdrückender Ausbeutung. Zwischen friedlicher Zivilisation und Solidarität und Fortschritt allein um des Fortschritts willen. Und um den ewigen Machtinteressenskonflikt oder vielmehr die (klare) Trennlinie zwischen Kirche und Staat. Primär geht es in Roland Joffés Film aber zuoberst um eines: Den Glauben selbst. Oder vielmehr um genau zwei Facetten des Glaubens. Anhand des aufopferungsvollen Jesuiten-Paters Gabriel, mit überwältigender Hingabe verkörpert von Jeremy Irons, erfahren wir von der tief verwurzelten Überzeugung des Glaubens und der unbedingten Bereitschaft, bedingungslos dafür einzustehen. Durch den einstmaligen Kopfgeldjäger, Sklavenhändler und Brudermörder Rodrigo Mendoza werden wir Zeuge von Glaubensfindung. Nicht durch die unbedingte Bekehrung, sondern tiefste Reue, selbstauferlegte, harte Buße und Erbarmen, welche er durch die Hand derer erfährt, die er einst unterdrückte. Schauspiellegende Robert De Niro verleiht diesem inneren Wandel, der schließlich zum Eintritt in den Jesuiten-Orden führt, in nahezu jedem Moment wahrhaft bestechende Authentizität. Die Nebenrollen müssen sich der fast schon erdrückenden Doppelpräsenz dieser beiden Schwergewichte geschlagen geben und so fällt Liam Neeson als Ordensbruder leider ein über weite Strecken recht passiver Part zu. Auch Aidan Quinn hat im Grunde genommen auch nur seine viel zu knapp bemessene, sehr kurzlebige Rolle zu spielen. Sich an den tatsächlich im Grenzgebiet Argentiniens, Brasiliens und Paraguays zugetragenen Ereignissen orientierend, ist es dem Film bei seiner Spielzeit auch kaum möglich, sämtliche Interessensgruppen ausreichend zu Wort kommen zu lassen, die am erbitterten Kampf um die Jesuiten-Mission beteiligt waren, welche sich durch den 1750 beschlossenen Vertrag von Madrid im nunmehr portugiesischen Herrschaftsbereich wiederfindet, womit die zweckdienliche Versklavung der Guaraní noch völlig legitimiert wäre. Hochinteressant ist dabei aber der aus Rom entsandte Kardinal als eigentlicher Erzähler, hin-und hergerissen zwischen Pflichterfüllung und leisen Anflügen seiner eigenen Vergangenheit im Jesuitenorden, dessen gesamte Existenz auch auf dem europäischen Kontinent mit einem Mal bedroht ist. Das Schöne an „The Mission“ ist, dass Joffé nicht nur für keine Seite wirklich Partei ergreift, sondern die Begebenheiten stets fernab von Kitsch hält und sie nicht mit zusätzlichem Religionspathos aufbläst. Er lässt den Zuschauer selber mit sich ringen, den eigenen Kampf darüber ausfechten, selber entscheiden, ob er was und wie gutheißt oder nicht. Und vielleicht ist es gerade das, was Filmschaffende und Theologen erst 2009 dazu bewog, den Film zum „besten katholischen Film aller Zeiten“ zu küren. Ob aus dem einen oder dem anderen Grund oder der jeweils anderen Betrachtungsweise: „The Mission“ ist ein mutiger, ein wichtiger Film, der unerklärlicherweise nach dem Sieg der Goldenen Palme in Cannes und stolzen 7 Oscar-Nominierungen nunmehr in bedauernswerte Vergessenheit geraten ist. Dabei hat dieser Film alles, was es zum handfesten Klassiker braucht: Begnadete, überragende Schauspieler, überwältigende, anmutige Bilder und eine Thematik, die bei näherem Hinsehen so viel mehr aussagt, sogar über heutige gesellschaftliche Verhältnisse, als es zunächst den Anschein haben mag. Vielleicht hatte der Film aber schlussendlich auch nicht genug triefendes Pathos aufzubieten für Hollywood. Vielleicht sprach er zu viele bittere Wahrheiten aus, denen man sich auch heute nicht gerne entgegenstellt. Vielleicht sollte er bewusst im Strudel der Zeit untergehen. Beachtet ja, aber nicht wirklich gewürdigt. "Und so kam es, dass die Indianer des Guaraní-Stammes endlich der unermesslichen Gnade Gottes zugeführt wurden, und der kurzlebigen Gnade der Menschen."

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