Xavier Dolan wagt sich mit diesem Film in wirklich völlig neue Gefilde. Ein minimalistischer Thriller, ein avantgardistisches Psychodrama, ein Menschenfilm voller unverständlicher Gefühle. In dieses gewagte Konzept, dass vom Pacing her zuweilen sogar an Hitchcock erinnert, implementiert Dolan aber wie eh und je seinen umwerfenden Inszenierungswahn. Und der wird hier wirklich untergebracht, nicht draufgeklatscht. Es ist unglaublich zu sehen, mit was für kleinen, feinen Handgriffen er seinen Stil anpasst und perfektioniert.
Wenn zu Michel Legrands "Les Moulins de Mon Coer" die Kamera in geradezu unwirklicher Symmetrie über die Felder fliegt, bis sie schließlich den fahrenden Wagen ins Blickfeld bekommt, und dann zu einer unruhigen Nahaufnahme vom fahrenden und musikhörenden Tom geschnitten wird, dann merkt man sofort, dass man einen Dolan Film schaut.
Ein fieses, kleines Kammerspiel entwickelt sich, dass von den grandiosen Darstellern und den gefühlvollen, geduldigen Dialogen getragen wird. Eine Geschichte, in der man die Hauptfigur am liebsten anschreien möchte, so unerträglich scheinen uns seine Gedanken Handlungen. Und sich darauf einzulassen, ist tatsächlich keine leichte Aufgabe. Aber trotzdem bleiben die Figuren im Gesamtkonstrukt glaubwürdig.
"Tom à la Ferme" ist unangenehmes, gemeines Kino. Da gibt es keine Pointen und Twists, keine sympathischen Identifikationsfiguren. Es ist ein Wurf ins kalte Wasser. Und die eisigen Tropfen spritzen einem gnadenlos ins Gesicht.
Am Ende wissen wir, dass wir teilgenommen haben am Leben dieser irritierenden Menschen. Und irgendwie bereut man es nicht. Schon beim Abspann erscheint uns dieses seltsame, kleine Horrordrama wie eine lange, vergangene Erinnerung. Aber nicht irgendeine Erinnerung. Eine Erinnerung, die nicht vergessenswert ist. Eine Erinnerung, die wir als psychologische Studie im Kopf behalten möchten.
Anstrengend, verwirrend, gefühlvoll und unangenehm. Ein verdammtes Wildpferd ist dieser Film. Und manchmal denkt man sogar, dass man es bändigt, die Zügel in der Hand hält. Aber schlussendlich merken wir, dass die jemand ganz anderes in der Hand hatte. Die ganze Zeit.