Hendrik Hölzemanns Regiedebüt Kammerflimmern ist ein äußerst präzises, behutsam, mit mystischen und rauschhaften Bildern, erzähltes Sozialdrama, das in semidokumentarischen Bildern einen bestechend schmerzhaften Einblick in den Sanitätsalltag eines jungen Rettungsassistenten gewährt. Der Film zeigt Menschen, die sabbernd nach einem Schlaganfall im Sessel sitzen, desaströse Ehen, in denen Frauen geschlagen werden, jungendliche Selbstmörderinnen, die nicht gerettet werden wollen, bis hin zu Frauen, die den Anblick ihres plötzlich erkrankten Ehemanns nicht ertragen können und aus dem Zimmer rennen. Diesen und anderen Personen mit ihren Schicksalen begegnen dem Hauptprotagonisten Crash (Matthias Schweighöfer) und seinem Kollegen (Jan-Gregor Kremp) beim Rettungseinsatz. Crash, dem selbst eine gewisse Depressionsanfälligkeit obliegt verspürt sichtlich den Wunsch, diesen Menschen aus ihrem situativen Flanieren zu retten, während sein Kollege einen abgebrühten Zynismus an den Tag legt, um sich selbst zu schützen. Ergänzt wird diese Alltagsbeschreibung von der Liebesgeschichte zwischen Crash und einer Schwangeren (Jessica Schwarz), die er beim erfolglosen Rettungsversuch eines heroinabhängigen Fixers, kennenlernte, sie zuvor aber immer wieder in seinen Träumen sah. Dies wirkt keinesfalls kitschig, da es einen dramaturgischen Gegenpart zu den Geschehnissen im Dienst bildet. Hölzemann erschuf damit ein interessantes, dichtes und schlüssiges Coming-of-Age-Drama, welches seine Figuren ernst nimmt und sie keinesfalls überzeichnet. Kammerflimmern ist auch deshalb überaus sehenswert, weil der Regisseur mehrere Erzähltechniken zum richtigen Moment einsetzt: In Rückblenden und traumanalytischen Sequenzen wird die Biographie des Sanitäters Crash erläutert, die rasante Video-Clip-Ästhetik kommt bei Rettungseinsätzen zur Geltung und die melancholischen Slow-Motion-Parts tragen am Schluss zur formalen und emotionalen Dramaturgie bei. Zudem trifft der sorgfältig ausgesuchte Soundtrack den Tonfall des Films kongenial. Kammerflimmern ist ein hervorragendes Debüt, das fast schon ein Generationenporträt über das Leben in Deutschland bildet.Wem dieser Film gefallen hat, dem könnte auch Bringing Out The Dead oder Die Klasse von '99 liegen.