Es ist mittlerweile mehr als zwei Jahre her, dass ich Malicks Arbeit von Badlands - Zerschossene Träume bis The New World durchgeschaut habe. Ich vermag mich nicht zu erinnern, ob Müdigkeit oder eine technische Behinderung dazu führte, dass ich aufhörte seine Filme zu sehen. Doch hatte ich alle Werke mindestens überdurchschnittlich bis sehr gut in Erinnerung. The Tree of Life schließlich setzt seiner mir bekannten Filmographie eine wohl verdiente Krone auf. Das Werk, das Malick nach Days of Heaven begann und erst Dekaden später realisieren konnte, macht sich die Zeit als Element der Erzählung ebenso selbstverständlich und visionär zu eigen wie einst Stanley Kubrick in 2001. Letzterer springt von der Zeit des Affen ins Jahr 2001, Malick springt aus den 50ern zum Urknall. Er erzählt von den Beginnen, er erzählt von Liebe und Macht, Glauben und Hass. Besonders beeindruckend - sicherlich neben der großartigen Arbeit von Emmanuel Lubezki und Douglas Trumbull der größte Faktor für die Wirkung des Films - ist die Schnittarbeit von Malick. Ganze fünf Cutter hat der Herr engagiert; The Tree of Life ist ein Dokument von Malicks Arbeitsprozess und -philosophie in der Postproduktion. Wie wild werden die ruhigen, sanften, poetischen Einstellungen aneinandergereiht. Aus dem Prinzip des unsichtbaren Schnitts des klassischen Erzählkinos wird ein Prinzip des omnipräsenten Schnitts. Jeder Schnitt reizt den Verstand des Zuschauers, Verbindungen herzustellen. Malick fordert den Zuschauer heraus und bringt ihn dazu, derart viele Verbindungen zu erstellen, dass die Seele sich vom Körper zu trennen scheint. Der Verstand arbeitet auf Hochtouren, der Körper entspannt ob der tranceartigen Kraft der Bilder, die zwischen den Schnitten zu sehen sind. Ein Film, der sich als belohnenden Kraftakt der visuellen Ruhe beweist.