Scheiße, ist der schön. Schön, weil er so unfassbar nah am Menschen, seinen Affekten und der Menschlichkeit im Allgemeinen ist, dass es einem mit einem erwartungsvollen Grinsen auf den Lippen wieder einmal (im besten Sinne, klar) Angst und Bange wird, was man vom 26-jährigen (!) Xavier Dolan in Zukunft noch so geboten bekommt: Definitiv Großes. Zu groß, womöglich. „Mommy“ aber stellt mal wieder unter Beweis, dass die Tränen, die Dolan erzeugt, momentan einfach die salzigsten sind; dass die Lacher, die es immer wieder gibt und geben soll, einfach eine unfassbar befreiende Wirkung mit sich bringen; dass der Schmerz, der zur (echten) Liebe unweigerlich dazu gehört, auch das eigene Herz unnachgiebig zerdrückt: Wer sich in Dolans Filmen verlieren kann, der lebt sie auch – in jedweder Hinsicht. In „Mommy“ steht erneut eine Mutter-Sohn-Beziehung im Zentrum, in diesem Fall ist das Diane und ihr an ADHS leidender 16-jähriger Sohn Steve, der frisch aus einem Erziehungsheim geschmissen wurde, weil er nicht mehr tragbar hat. Beide besitzen unglaubliches Nervpotenzial, werden in den feinfühligen Händen eines Xavier Dolan aber zu Charakteren geformt, denen man sich gerne hingibt und anschließt, weil sie in all ihren Stärken und Schwächen einfach wie aus dem Leben gefallen scheinen: Die symbiotische Beziehung aus stimulierender Audiovisualität (und der Manieriertheit-Vorwurf ist inzwischen ohnehin komplett obsolet, hat alles seinen Zweck) und beeindruckender Menschenkenntnis ist in dieser Form wohl nahezu einmalig. Wie es Xavier Dolan gelingt, dieses unerschütterliche Band einer Liebe zwischen Mutter und Sohn, die inbrünstiger und zerstörerischer nicht sein könnte, anzufertigen, ist nichts weniger als herausragend und (gesellschaftlich als auch filmisch) grenzensprengend. Gefühlskino, pur, ehrlich, anstrengend, wahrhaftig und, vor allem, hoffnungsvoll.