James Cameron weiß wie es ist, wenn das Meer langsam sein heimeliges Blau abstreift und das bedrohliche Tiefschwarz der Meeresgräben das schummerige Scheinwerferlicht vollends verschlingt. Seine Begeisterung für die Ozeanografie ist weitreichend bekannt, er selbst darf sich sogar zu den wenigen Menschen zählen, die in das westpazifische Challengertief im Marianengraben hinuntergetaucht sind – dem tiefsten Punkt der Weltmeere, dem letzten unerschlossenen Territorium unseres Planeten. Und selbstverständlich versteht auch James Cameron das Meer in all seiner einschüchternden Anmut als transzendente Erfahrung. Der Beweis dafür lässt sich schon in „The Abyss“ erkennen, einem Film, der durchweg deutlich macht, welch inbrünstige Kräfte die maritimen Weiten mit sich bringen, da ist der Druck auf den Ohren des Zuschauers über die 170-minütige Laufzeit eine Garantie. James Cameron allerdings offenbart in seinem harmonieheischenden Habitus eine überraschend rührselige Nähe zum Kino des Steven Spielberg und lässt es sich sogar nicht nehmen, zur plakativen Vermittlung pazifistischer Werten überzugehen, während „The Abyss“ im Kern eine Liebesgeschichte erzählt: Und die Unter-Wasser-Tour-de-Force ist natürlich ein komfortabler Austragungsort, um die zwischenmenschlichen Wogen der krisengeschüttelten Partnerschaft nach und nach zu glätten. Es sind indes seine formalen Attribute, die wirklich einnehmen, die klaustrophobische Stimmung, die exquisit konzipierten Spannungsmomente, in denen durchweg alles auf dem Spiel steht, und der überirdische Überbau, der „The Abyss“ einen flirrend-mystischen Anstrich verleiht. Angesichts dieser Bilder ist man beinahe schon gewillt, darüber hinwegzusehen, dass James Cameron der Emanzipation der Frau doch nicht ganz über den Weg traut und sie lieber dem heldenhaften Schatten eines Ed Harris unterwirft. Beinahe.
Kritik von Souli
Gesehen: April, 2016
Wird geladen...