Als Dieter Degowski am 15. Februar 2018 nach knapp 30 Jahren aus der Haft entlassen wurde, ging ein mittelschweres Beben durch die deutsche Presselandschaft. So erscheint es fast perfide, dass der ARD-Zweiteiler Gladbeck über eben jenes Geiseldrama nicht nur drei Jahrzehnte nach der eigentlichen Tat sondern auch kurz nach Degowskis Freilassung erstmals über die TV-Kisten der Nation flimmerte. Schließlich stellte das beispiellose Gewaltverbrechen von 1988 eine mediale Zäsur dar und führte zu einem Um- und Überedenken des Presseethos. Die Geiselnahme und anschließende Odyssee durch halb Deutschland lockte die Nation in einem Ansturm von Voyeurismus vor die Fernseher, wie wir ihn heutezutage nicht einmal vom digitalen Gaffertum kennen. Es durfte bestaunt werden, wie die Pressevertreter mit den auskunftsfreudigen Tätern ein nettes Pläuschchen über das weitere Verfahren abhielten oder die Geiseln mit Blitzlichtgewitter flankierten.
„Halt doch noch mal dem Mädchen die Pistole an den Kopf!“
Glücklicherweise adaptiert Gladbeck trotz des oben angesprochenen fahlen Beigeschmackes nicht das unverantwortbare Verhalten der Presse, sondern geht mit der journalistischen Geierei, welche das Verbrechen umgarnte, hart ins Gericht. Die Rekonstruktion der nahezu lückenlos dokumentierten Vorfälle arbeitet zwar mit gelegentlichen Überspitzungen, verfällt jedoch zu keinem Zeitpunkt in eine exploitative Sensationsgier. Bemerkbar macht sich das vor allem an der Abbildung des kriminellen Dreiergespannes, denn Gladbeck lässt sich keineswegs auf BILD-Niveau herab oder suhlt sich nach Aufmerksamkeit heischend in Verschwörungstheorien um die Beweggründe wie Psyche von Dieter Degowski, Hans-Jürgen Rösner und Marion Löblich. Selbstverständlich inkludiert die Polizeiarbeit die Biographie der Täter, allerdings schlachtet Regisseur Kilian Riedhof diese in keiner Weise aus, sondern fokussiert sich ebenfalls auf die oft umgangene Geschichte der Opfer und ihrer Angehörigen. Gladbeck bietet den Familien zweier Todesopfern Raum zum Trauern und macht unmissverständlich klar, dass die vielzählig vertretenen Kameras 1988 mehr als eine groteske Doku-Soap eingefangen haben.
Dieser Aspekt führt zur Frage, inwiefern sich ein Film über ein derartig grauenvolles non-fiktives Szenerio filmischen Konventionen und suggestiver Dramaturgie bedienen darf. Schließlich ist das Medium Film auf Manipulation geeicht. Nichtsdestotrotz sollte es (mE) selbstverständlich sein, dass eine Verfilmung über reelle, brutale Geschehnisse diese minimiert. Kilian Riedhof unterstreicht mit seiner unaufgeregten Herangehensweise und dokumentarischen Kameraarbeit seine Intention, eine filmische Umsetzung über das Versagen des Polizeiapparates und der Medien sowie den Schmerz der Opfer und Angehörigen zu drehen.