Ficken. Telefonieren. Koksen. Alles wie immer.
Unsere Nachbarn aus dem beschaulichen Österreich haben längst unter Beweis gestellt, dass neben Exportschlager Michael Haneke auch andere aufstrebende bzw. bereits etablierte Filmemacher um die Gunst der internationalen Filmcommunity kämpfen dürfen. Auch Regisseur und Drehbuchautor Götz Spielmann steht für den erwachsenen und intellektuellen Ansatz aus der Alpenrepublik. 2008 lieferte er mit dem Rache- und Charakterdrama Revanche sein populärstes und vielleicht auch bestes Werk ab.
Zu Beginn begibt sich der österreichische Autorenfilmer in die Rotlichtszene und fertigt in den grauen, verfallenen Hotelzimmern der Escortdamen eine Milieustudie über ihren tristen Alltag an. Diese verruchte, von Geld, Armut und Peitscherlbua regierte kleine Welt in der Wirtschaftsmetropole Wien bietet auch den Ursprung für die titelgebende Revanche, welche in der zweiten Hälfte die Geschehnisse und Gefühlswelten der Protagonisten bestimmt. Geschickt verwebt Spielmann die Handlungsstränge des Polizisten Robert und Ex-Knacki Alex, welcher als firmeninterner Drecksarbeiter des Bordells Cinderella seinen Lebensunterhalt verdient.
Auch wenn der leicht angekitschte und mit Elementen aus der griechischen Tragödie gespickte Grundplot leise nach Klischee und Pathos schreit, vermag Revanche vor allem durch die nüchterne und entschleunigte Herangehensweise zu begeistern. Kameramann Martin Geschlacht (saugeiler Nachname) setzt auf stoische, neutrale Aufnahmen und harmoniert perfekt mit der ruhenden Natur, welche die Kulisse für die zweite Hälfte bietet. Im starken Kontrast zu dieser Unbeirrtheit stehen die schwerwiegenden menschlichen Konflikte und Diskursanstöße über Moral und Vergebung. Die exzellente Kameraarbeit bietet den überragenden Darstellern zudem den Spielraum, um in intimen und höchst emotionalen Momenten ihre komplexen Charaktere zu vertiefen. Insbesondere Theaterschauspieler und Hauptdarsteller Johannes Krisch legt als rachesinnender Kleinganove eine phänomenale Darbietung aufs Parkett.
Götz Spielmann baut immer wieder Alltägliches sowie fast schon unscheinbare Situationen in die düstere Szenerie ein, wodurch Revanche stets greifbar bleibt und sich glücklicherweise auch nicht in unnötigen hakenschlagenden Nebenplots oder Ein-Mann-Armee-Unfung verstrickt. Trotz oder gerade wegen der reduzierten Ausstattung, kitzelt Revanche ob seiner nahezu schmerzhaften Realitätsnähe konsequent an den Nerven der Zuschauer, ohne den flackernden Optimismus im Keime zu ersticken. „Meine Figuren rennen von allein ins Unglück, ich laufe nur mit der Kamera hinterher“ scherzte Spielmann über seinen Film und ergänzte: „Ich bin ein optimistischer Filmemacher“.
Revanche ist ein geerdetes, kleines Schmankerl über große Themen und zugleich der Nährboden für fulminante Schauspielerleistungen. Aus der äußerst präzisen Weniger-Ist-Mehr Taktik entwickelt sich der vielleicht größtmögliche Effekt. Ur tulli!