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Vitellone

Kritik von Vitellone

Gesehen: Januar, 2018

Direkt zu Beginn verortet Xavier Dolan seinen Film in ein nicht allzu fernes Kanada, in dem ein neues Gesetz Eltern die Möglichkeit bietet, auffällige Kinder und Jugendliche ohne juristische Konsequenz in einer Anstalt unterzubringen. Was zunächst seltsam unpassend erscheint, schwebt fortan wie ein Damoklesschwert über dem Film. Doch zuvor stürzt sich Mommy ins Leben, atmet und schwitzt. Xavier Dolan inszeniert zum Rhythmus eines Herzschlags, nie kommt dabei ein Lächeln ohne Träne zustande. Die Grenze adoleszenter Sehnsüchte überschreitet er ebenso spielerisch, wie er gängige Erwartungen unterläuft. Mommy ist zu keinem Zeitpunkt ein einfacher Film, schlichtweg deshalb, weil er so unglaublich nah am Leben ist, dass es wehtut. Jeder Schrei, jeder Schluchzer und jeder Schlag schmerzt, während gleichzeitig die ungestüme Freude überwiegt, zu solch kraftvollen Emotionen fähig zu sein. Ebenso lohnend wie fordernd macht Dolan deutlich, dass das Leben ein Kampf ist. Drei Seelen, miteinander verbunden und dennoch einsam, wiedersetzen sich den Normen der Gesellschaft und verschwören sich gegen ein vorgefertigtes Rollensystem, in welches sie sich nicht einfügen wollen, nicht einfügen können. Leben, Lieben, Leiden. Ein komplexes Gebilde, in dem stets die Gleichzeitigkeit von Gefühlen dominiert. Und jener Moment, in dem Mommy sein beengtes Format sprengt, um seinen emotionalen Höhepunkt metaphorisch auf den Zuschauer zu übertragen, gehört ohnehin zu den eindringlichsten Augenblicken der jüngeren Filmgeschichte. So kraftvoll kann Kino sein.

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