Spätestens mit The Avengers war klar, dass die Filme und Serien aus dem Marvel Cinematic Universe eine ganze Ära der Comicverfilmungen prägen können. Bei Fans und an den Kinokassen waren die Filme bislang immer ein Erfolg und auch die Kritiker sparten nicht mit Lob. Allerdings sind auch deutliche Schwankungen bei der Qualität der Film zu verzeichnen. Etwa der langatmige Der unglaubliche Hulk, der als überfrachtet gebrandmarkte Iron Man 2 oder zuletzt der dröge Thor 2. Einen wirklichen miesen Film hat Marvel jedoch auch noch nicht produziert, weshalb dies meist Meckern auf hohem Niveau ist. Auch Captain Americas erster Leinwandauftritt 2011 wurde nicht besonders überschwänglich gelobt. Dessen erzählerische Einfachheit und streckenweise klischeebehaftete Handlung waren dabei oftmals die Kritikpunkte. Captain Americas zweites Soloabenteuer setzt jedoch teilweise ganz neue Maßstäbe für Marvel. Denn bislang fügte sich, bis auf das Klassentreffen The Avengers, kein Film so gut in den Kosmos von Marvel ein.
Dramatisches Blockbusterkino
Captain America 2 ist ein reinrassiger Actionfilm mit einer Fülle von herausragenden Actionszenen. Diese sind dabei meist sehr körperlich vorgetragen und entsprechend intensiv. So macht der Film immer dann am meisten Spaß wenn der Captain seine Faustkampfakrobatik demonstrieren kann und die Feinde gleich reihenweise vermöbelt. Jedoch sollte man nie vergessen, dass es sich auch um eine Comicverfilmung mit entsprechend vielen Science-Fiction-Elementen handelt. Trotz aller Bodenständigkeit gibt es auch dementsprechend viele technische Gimmicks und Besonderheiten. Allerdings machen besonders die Fahrstuhlszene und die beiden Autoverfolgungsjagden so viel Freude, dass sicher auch Comicmuffel viel Spaß daran haben werden. Zweifelsohne ist Captain America 2 Blockbusterkino wie es sein muss.
Der Plot wurde hingegen deutlich dramatischer konstruiert. Aus der strukturell einfachen Erzählung des kleinen Jungen aus Brooklyn wurde ein hochexplosiver Politthriller. Dieser ist dabei ungemein spannend inszeniert und mit entsprechend vielen Twists angereichert. Interessant ist dabei die immer wieder durchklingende Überwachungsthematik, die in ihrer Fülle einen deutlichen Bezug zum aktuellen NSA-Skandal annimmt. Etwaige Kritik an der US-amerikanischen Politik wird jedoch auch nicht zur Gänze aufgeführt. Mutig ist der Entwurf von Captain America 2 dennoch. Spannend ist dabei besonders der gutherzige Captain America der mit der Moralität einer anderen Epoche gegen die aktuellen Problematiken vorgeht. Die Reibungsfläche zwischen dem simpel gestrickten Soldaten und den totalitären Methoden von SHIELD gibt immer wieder Stoff für komplexere Fragen. Leider werden diese meist nicht ausdiskutiert, weshalb man vorwerfen kann es nur bei der Andeutung von Fragen zu belassen. Zweifelsohne hätte der Film mit mehr Konsequenz auch der bislang intelligenteste von Marvels Filmen werden können.
Der moralische Leuchtturm
Chris Evans Captain America ist zweifelsohne eine sehr sympathische Figur und macht auch in seinem dritten Aufritt einen guten Eindruck. Eine charakterliche Weiterentwicklung findet zwar nicht unbedingt statt, aber dessen Versuch sich in der neuen Welt zu Recht zu finden sind dennoch amüsant in den Film untergebracht. So fungiert der Captain weitestgehend als niemals schwankender moralischer Leuchtturm, der nur das richtige tun will. Neben im haben auch andere Figuren ihren Platz. Etwas Scarlett Johansson als gewohnt undurchsichtige Black Widow und Samuel L. Jackson als gewohnt arschcooler Nick Fury. Beide legen wie gewohnt viel Spielfreude an den Tag, was auch für den Neuling Anthony Mackie als Falcon gilt. Kleines Highlight ist hingegen der Winter Soldier, der bei jedem seiner Auftritte eine bemerkenswerte Präsenz entwickelt. Robert Redford bleibt hingegen erschreckend blass und will sich niemals in das ansonsten stimmige Gesamtgefüge einreihen. Auch findet sich diesmal kein charismatischer Bösewicht vom Format eines Loki, der selbst Thor 2 noch ins Mittelmaß reißen konnte, wieder. Da man es jedoch diesmal mit grundsätzlichen Problemen und eine weltumspannenden Bedrohung zu tun hat mag dies auch durchaus zum Konzept des Films gehören.
Natürlich ist auch an Captain America 2 nicht alles perfekt. Wer beispielweise nach Schwächen in der Story suchen mag, der wird diese freilich auch finden. Jedoch sind diese auch nicht augenfällig penetrant. Auch kleinere Schwäche wie die altbekannte Frage nach den Kommunikationsmittel oder die klassische Problematik, wie es der Captain immer wieder schafft an seinen Schild zu kommen können an den Film gestellt werden, ohne dass sich diese wirklich aufdrängen würde. Den Vogel hat jedoch mit Abstand die deutsche Übersetzung des Titels abgeschossen. Warum man nämlich aus dem Originaltitel Captain America 2 – The Winter Soldier für die deutsche Fassung The Return oft he First Avengers macht ist nicht nur kaum nachzuvollziehen sondern auch unglaublich bescheuert.
Zudem fügte sich bislang kaum ein Film besser in das Marvel Universum ein. Der Film ist zum einen die konsequente Weiterführung der in The Avengers begonnenen Handlungsstränge als auch dessen Dekonstruktion. Zwar waren auch in Thor 2 und Iron Man 3 Verweise sichtbar, Captain America 2 nimmt diese jedoch wirklich ernst und verarbeitet diese weiter. Ebenso wie viele weitere Zitate zu anderen Marvelfiguren wie Dr. Strange, Crossbones oder Bartoc the Leaper finden sich im Film wieder und werden von Marvel mit Sicherheit weiterverfolgt.
Ein ordentliches Pfund vorgelegt
Captain America 2 ist packendes und spannendes Blockbusterkino wie man es sich wünscht. Der Captain macht auch in seinem neuesten Abenteuer eine gute Figur und auch aus den Fehlern des ersten Teils hat man gelernt. Wirklich beeindruckend ist hingegen die Integration in das bisherige Universum. Denn bislang dürfte wohl kaum ein Film ein so rundes Gesamtbild abgegeben haben wie Captain America 2. Marvel hat somit erneut ein ordentliches Pfund vorgelegt und The Amazing Spider-Man 2, Transformers: Ära des Untergangs und X-Men: Zukunft ist Vergangenheit müssen sich jedenfalls mächtig strecken um an den Unterhaltungsgrad von Captain America 2 heranzureichen. Vielleicht schafft dies aber auch erst Guardians of the Galaxy, der bereits jetzt der eigentümlichste Marvel Film sein dürfte und bei dem es sehr spannend sein wird, wie er sich in das bisherige Universum einfügen lassen wird.