“Der goldene Handschuh” ist ein Film, den ich schwer einordnen kann. Die ganze Zeit überlegte ich mir, warum der als Horrorfilm durchgeht, da so wirklich Horror gar nicht aufkeimt. Natürlich ist es grausam, was in dem Film passiert, grässliche Morde, Verstümmelungen an Verstorbenen und Gewalt, die an ihnen verübt wird. Dass der Protagonist Fritz Honka (Jonas Dassler) ein Geisteskranker ist, sollte hier jedem bewusst werden. Der wirkliche Horror entpuppte sich bei mir erst am Ende, als ich realisierte, dass der Film eine wahre Geschichte erzählt. Dann verstand ich auch, denn in meinen Augen gibt es nichts schlimmeres als solch realen Erlebnisse und Erzählungen, das sind die, die mir wirklich Angst einjagen.
Teenie-Splatterfilme sind fiktional, da denkt man sich nicht viel dabei, selbst wenn es dennoch grausam ist, wie ein Killer nach und nach die jungen Menschen zerlegt, foltert oder einfach nur ganz schnell tötet. Dies gibt es natürlich in “Der goldene Handschuh” nicht, zumindest nicht im Detail. Dennoch habe ich den Film kaum ertragen, denn ich verkrafte es nicht mehr, wenn jemand zerstückelt, gefoltert oder ähnliches wird. Die Anfangssequenz in der Fritz Honka (Jonas Dassler) sein Opfer zersägt ging mir durch Mark und Bein, ich konnte nicht hinsehen und nicht hinhören. Schlimmer noch sind solche Szenen, in der nur angedeutet oder erklärt wird. Ein Punkt, der mich an “Extremely Wicked, Shockingly Evil and Vile” besonders schockiert hat, da man seiner Fantasie freien Lauf lassen muss. Besonders die “Hacksaw”-Szene kurz vor Ende hat mich für mein Leben geprägt.
Ich hatte mich vorher mit “Der goldene Handschuh” nicht eindringlich befasst, hörte mir nur Meinungen zu dem Film an und las, dass er wohl ziemlich ekelerregend sein soll. Tatsächlich musste ich bei manchen Szenen darum kämpfen, meinen Mageninhalt zu behalten, besonders dann, wenn die ganzen Maden durch die Decke des unteren Mieters fallen. Hierbei fragte ich mich auch, warum dieser den ganzen Lärm nicht mitbekommen hatte, den Honka veranstaltet hatte. Immerhin war ihm schon mal der Gestank aufgefallen, da Fritz Honka Teile seiner Opfer in seiner Mansardenwohnung aufbewahrte und den Gestank mit Duftbäumen zu übertünchen versuchte.
“DER GOLDENE HANDSCHUH” IST ECHT UND UNZENSIERT
“Der goldene Handschuh” zeigt echt und ohne zu verschönern die Facetten eines Serienkillers, detailgetreu und ohne Vorhang. Gerade das macht den Film so schockierend. Auch die Kulissen sind so real, dass man gar nicht das Gefühl hat, man sehe hier ein Filmset. Mit liebe zum Detail wurde die Wohnung von Fritz Honka originalgetreu nachgebildet, was man im Abspann sehr gut an den Gegenüberstellungen erkennen kann.
Da ich bis dorthin nicht wusste, dass es eine echte Geschichte ist, war ich dennoch fasziniert von der Setgestaltung, denn ich dachte mir, wie geduldig man die Poster der halbnackten und nackten Frauen aufgehängt hatte und die Wohnung auch sonst mit Details geschmückt hat, die nur bei genauerem Hinsehen ersichtlich sind. Jonas Dassler (Das schweigende Klassenzimmer), der überraschenderweise viel jünger ist als ich, spielt seine Rolle hervorragend. Hier auch ein großes Lob an die Maske, die ihn eben aussehen ließ wie einen Mann von 40 Jahren und älter.
FATIH AKINS GESPÜR, MENSCHEN ECHT UND SCHNÖRKELLOS WIRKEN ZU LASSEN
Seit ich letztes Jahr das erste Mal “Gegen die Wand” von Fatih Akin gesehen hatte, weiß ich, dass er ein Gespür dafür hat, Menschen “echt” darzustellen. Es gibt nicht diese glatte Hollywood Art, Akin (Aus dem Nichts) packt die Wahrheit auf den Tisch und zeigt Menschen so, wie sie sind, ohne glatte Haut und glatt gekämmte Haare. Bei seinen Figuren hat man das Gefühl sie könnten wirklich deine Nachbarn sein und das macht seine Filmkunst so besonders. Als Zuschauerin habe ich stehts das Gefühl mich in der echten Welt zu bewegen ohne Glamour und Glitzer. Natürlich sind nicht alle Tage schwarz, dennoch ist nicht alles Glanz und Gloria. Auch wenn in Hollywoodfilmen dies auch nicht immer der Fall ist, habe ich bei Akin doch den Eindruck, ich befinde mich gerade mitten im Geschehen und zwar wirklich, ohne träumerische Aspekte.
Was mir durch den Film allerdings nicht so klar wurde, war die Position der weiblichen Protagonistinnen. Natürlich waren sie allesamt Frauen, die sich nach Geborgenheit und einem Heim sehnten, allerdings verstand ich nicht, warum sie nicht einfach gingen, nachdem er eine andere vom Stuhl geprügelt hatte oder selbst eine von ihnen das Gesicht blutig schlug. Im nachträglichen lesen der Hintergrundgeschichte, erlas ich, dass die Frauen meist Prostituierte waren oder es zumindest anboten. Selbst das rechtfertig das nicht, dennoch kann ich nun besser verstehen, warum sie blieben, möglicherweise des Geldes wegen. Wenn neben mir ein Mann eine Frau von Stuhl schlägt und halb vergewaltigt, dann wäre ich auf jeden Fall weg und hätte die Polizei verständigt.
Auch zieht sich “Der goldene Handschuh” ziemlich dahin, vor allem wollte ich das aber auch alles nicht mehr ertragen. Ich war froh, als der Film endlich zu Ende war, weil er auf der einen Seite kurios wirkte und auf der anderen total abstoßend.
FAZIT:
“Der goldene Handschuh” ist kein Horrorfilm im eigentlichen Sinne, sondern ein Serienkillerfilm, der durchaus schockiert, besonderes da sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat. Ich hatte noch gehadert, mir den Film anzusehen, jedoch hatte ich die Auswahl zwischen diesem, einen Kannibalen- und einem Folterfilm. Da ich den letzten beiden Genre nichts abgewinnen kann, schlichtweg weil ich es seelisch nicht ertrage, fiel meine Wahl schlussendlich bei “Der goldene Handschuh“. Serienkiller interessieren mich generell immer, selbst wenn ich bis zum Ende nicht wusste, dass es sich um einen echten Fall handelt.
“Der goldene Handschuh” ist an sich optisch, wie darstellerisch gelungen, erzählt nur ein bisschen langsam. Es wird nichts verschönt und auch nicht zu viel der Fantasie überlassen, was zum einen schockiert und zum anderen auch ekelt. Allerdings wird hier nicht gezielt darauf gesetzt, Horroraspekte zu setzen, sondern legt den Fokus mehr auf Authentizität.