Das Euathlos-Paradoxon als Verbildlichung einer gezüchtigten Generation in der Vorkriegzeiz, die Haneke im Blitzlicht ihrer Opfer und Schuldigern skizziert und proleptisch auf die gesellschaftichen Strömungen eingeht, die Deutschland 18 Jahre später vom Faschismus träumen lassen. Unterdrückte Wut in Norddeutschland: Die Pastorenkinder gleichen einer Wehrmacht-Persiflage, wenn sie in Reih und Glied durch das Dorf laufen, man könnte nahezu von marschieren sprechen. In wohl überlegten Schritten schreiten sie vorhan, als das Dorf von mysteriösen Unfällen heimgesucht wird, mit dem Wissen, dass sie die Verursacher der Vorfälle sind. Wo ein Kläger ist, dort ist auch ein Angeklagter zu finden, doch es stellt sich die Frage zu welcher Partei die Kinder zählen, zumal sie einerseits von ihren Eltern drangsaliert und misshandelt werden und andererseits ihren Schmerz nun anderen auflasten. Der Lehrer, als stiller Beobachter der Geschehnisse positioniert, entlarvt die Kinder und stellt sie zur Rede. Der Lehrer steht nun folgender Dialektik gegenüber: »Kind x ist schuldig, weil es Person x geschadet hat« und »Kind x ist unschuldig, weil Person y ihm geschadet hat.« Diese Dialektik beruht auf einem Pradoxon zwischen dem Sophisten Protagoras und seinem Schüler Euathlos, der seinem Rhetorik-Lehrer einen Geldbetrag schuldet, sobald er seinen ersten Prozess gewinnt- Euathlos geht nicht hin. Zurück zu Haneke: Die „Überführung der Pastorenkinder“ stellt sich zunächst als ein Dilemma für den Lehrer dar, der angesichts zweier scheinbar gleichwertiger Argumente keine Grundlage für einen eindeutigen, rationalen Schiedsspruch hat: Müssen die Kinder des Pastors nun bestraft werden oder der Pastor? Haneke lässt das Paradoxon ungelöst und dem Zuschauer offen, wen er zu beschuldigen hat und schafft nebenher das Kunststück, die widerlichen Machtstrukturen männlicher Autoritären als Prolepse für die infolgedessen resultierenden Saat des Bösen zu inszenieren.