»Die Zeit zerstört alles.« predigt Noe in seinem grandiosen Machwerk und trotzdem lese ich in den meisten Rezeptionen von Gewalt(-ästhetisierung) oder sinnfreier Provokation seitens des Regisseurs. Ebenfalls bin ich mir sicher, dass vielen Zuschauern IRREVERSIBLE nur aufgrund seiner kontroversen Sprache gefiel, ohne näher zu hinterfragen, was Noe mit seinem Werk überhaupt vermitteln wollte. Das Zerbrechen eines Weinglases ist ein irreversibler Prozess, das Zerbrechen der runden Gläser von Max Plancks Brille ist ein irreversibler Prozess und auch das Zerbrechen der Zeit, wenn Monica Bellucci in  einem U-Bahnhof vergewaltigt wird, ist ein irreversibler Prozess. Anhand dieser Szene lässt sich im Prinzip der Gedanke hinter IRREVERSIBLE erklären: Immanuel Kant sagte »die Zeit ist die reine Form unserer Sinne«, Parmenides sagte »gleich ist für mich, wo ich beginne, denn dorthin kehre ich wieder zurück« und Augustinus fragte rigoros: »Was also ist Zeit?«. Die Zeit ist das Aufeinanderfolgen von Zuständen, die durch Bewegung im Raum ausgelöst werden und grenzenlos, aber endlich sind. Der Raum, in dem Zustände entstehen, befindet sich wiederum im Sein und dieses Sein wird durch einen subjektiven Idealismus bestimmt, d.h. (wie von Kant bereits zitiert) die Zeit ist die reine Form unserer Sinne. So ist die Zeit ein böses Geschwür im Bewusstsein von Monica Bellucci, wenn sie in der schier endlos andauernden Vergewaltigungs-Szene hilflos missbraucht wird und sich nicht dagegen wehren kann. So bestimmen aufeinanderfolgende Zustände unsere Leben und auch das Leben von Vincent Cassel, als er sich auf einen Rachefeldzug begibt und das Chaos herauf beschwört. Im Chaos der zeitlichen Illusion versinkt letztlich ALLES, selbst die narrative Erählweise und die chronologische Abfolge des Films. Gaspar Noe studierte Philosophie und Filmwissenschaften an der Ecole Louis Lumière in Paris und verknüpft beides eindrucksvoll in diesem bedeutenden Werk der Filmgeschichte.