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Moviebreak interviewt Moviebreak: Lidanoir

Stu

Von Stu in Moviebreak interviewt Moviebreak: Lidanoir

Moviebreak interviewt Moviebreak: Lidanoir

Manchmal braucht es Mut für ein Interview. Zum Glück hatten wir die Courage und haben uns ganz keck getraut MB-Autorin Lidanoir zu befragen und das obwohl sie nach der Berlinale eigentlich ihre Ruhe haben wollte. Doch wie heißt es so schön bei Herbert Grönemeyer: „Ruhe gibt’s genug nach dem Tod.“ 

Steckbrief

Name: Lida Bach (Lidanoir)
Herkunft: Berlin
Lieblingsfilm: Freaks
Erster Beitrag bei MB: Precious - Das Leben ist kostbar
Letzter Beitrag bei MB: Molly's Game
Wunschvideo: When the Day Breaks (1999, & )

Eigentlich beginnen wir diese Interviews mit Fragen a la „Wie bist du zu Moviebreak gekommen?“. In deinem Fall, liebe Lida, heben wir uns das für gleich auf und fragen stattdessen folgendes: Wie überlebt man als Kritiker/in die Berlinale?
Gar nicht. Danach sind alle tot. Todmüde, tot-al überarbeitet, tot-al pleite. Und je nachdem, wie intellektuell oder dämlich der Filmkatalog war, gieren wir nach Hirn.

Als die Berlinale zu Ende war, sah ich einen Bericht im Fernsehen über das Festival. Dieser Bericht war übersät von Blitzlichtgewitter-Bildern, Impressionen vom roten Teppich und glücklichen Siegern bei der Preisverleihung. Wie fern sind diese Bilder von deinem Festival-Alltag?

Die Bilder sind hautnah dran am Festivalalltag - dem der Stars und Sternchen, der Wichtigen und Wichtigtuerischen, der Filmfanatiker und Filmapathiker. Ich war noch nie da, obwohl ich schon mal von Leuten mit Karten eingeladen wurde.

Würdest du sagen Filmkritik ist, auch außerhalb der Berlinale, eine glanzlose Angelegenheit?

Ja. Außer wenn einem der Schweiß auf der Stirn steht. Um das exemplarisch zu untermauern könnten alle LeserInnen sich fragen: Wie viele einflussreiche Filmkritiker kenne ich? Wie viele lebende einflussreiche Filmkritiker kenne ich? Und wie viele einflussreiche Filmkritikerinnen kenne ich?

"[...] Paradoxerweise betrachten viele selbsterklärte Filmfans Kritik als den Feind des Mediums [...]"


Unterscheidest du eigentlich zwischen privatem Kinoerlebnis und beruflichem, oder bleibt dein Blick stets der Selbe?

Mein Blick ist immer der selbe. Das liegt daran, dass meine Augen und mein Gehirn immer dabei sind. Manche können letztes angeblich zu Hause lassen, aber ich glaube denen das nicht. Ich habe den Verdacht, wer ohne Hirn rumläuft, hat im Kopf nur so einen Zettel wie Homer Simpsons: "IOU a brain. Signed: God".

Hey! Jetzt mach Leute ohne Kopf nicht schlecht! Wir sind eigentlich ganz nett. Nun gut, kommen wir zu der Anfangs bereits angeteaserten Frage: Wie bist du zu Moviebreak gekommen?

Via Bewerbung. Eigentlich hatte ich gehofft, es würde bezahlte Arbeit sein, aber die findet sich fast nirgends.

Wird Filmkritik für dich zu sehr als Ramsch verkauft, quasi eine Gratisdreingabe, die man im vorbeigehen mitnehmen kann?

Definitiv. Viele stellen sich Filmkritik vermutlich so vor: Du gehst mit 'ner Riesentüte Gratis-Popcorn in einen geilen Streifen, kommst raus und hältst den Daumen hoch oder runter und dann ploppt aus dem Nichts eine Hand mit 50 Euro. Oft höre ich auch: "Oh, ich hab auch schon mal 'ne Filmkritik geschrieben. Bei Amazon." Aber das ist kein neuzeitliches Problem. Die Kunstkritik hatte schon immer einen schweren Stand. Schon lange, bevor es Film und Kino gab.

Verliert die Filmkritik, wegen des heutigen Umgangs mit ihr, an Relevanz und vor allem an Wirkung?

Sowohl als auch. Filmkritik hat entscheidend dazu beigetragen, dass Film als künstlerisches Medium etabliert und anerkannt wird. Paradoxerweise betrachten viele selbsterklärte Filmfans Kritik als den Feind des Mediums. Es gab mal eine Zeit, als Kritiker ein Beruf war. Heute sind alle Kritiker. Diese Diffusion des Tätigkeitsfelds ist natürlich vom kommerziellen und populistischen Zweig der Filmbranche gewollt.

"[...] Ich kann die Wahrheit nur nicht immer verzuckern [...]"


Filmfans. Gutes Stichwort. Deine Kritik zu Logan – The Wolverine verursachte vor einem Jahr eine regelrechte Kommentar-Lawine. Die meisten war mit deiner Wertung des Films nicht einverstanden. Erreichen dich solche Reaktionen, bzw. nimmst du sie wahr und wenn ja, was macht es mit dir, wenn man Sätze liest wie „So ein Bullshit“ oder „Ich glaube ich habe noch nie so eine engstirnige und unangebrachte Kritik [...] gelesen “?
Haters are my motivators! Wenn Leute derart ausflippen, dann weil die Kritik in ihnen etwas berührt hat. Solche Leute haben im Kopf eine Riesenmauer und wenn es gelingt, die ein Stück einzureißen, kennen sie nur eins: Angriff! Wer ein differenziertes Welt- und Selbstbild hat, kommt mit abweichenden Meinungen klar und kann eine Gegenposition normal formulieren, ohne auf eine persönliche Ebene zu gehen. Diskussionen über Filme sind immer gut, denn sie regen alle Seiten zum Nachdenken an. Allerdings schreibe ich auch nicht, um zu provozieren. Ich kann die Wahrheit nur nicht immer verzuckern. Dann wäre ich zur Werbung gegangen.

Du siehst deine Meinung also als Wahrheit?

Mit Wahrheit meine ich Fakten, die bereits gegeben sind und von mir nur zusammengefasst werden. Zum Beispiel, dass ein Film des X-Men-Franchises ungeheure Einnahmen-Prospektiven hat und ein Mega-Budget. Dem gegenüber stehen Produktionen, die sich gegen ungeheuere finanzielle, praktische und manchmal politische Widerstände durchsetzen müssen. Um den Regisseur zu zitieren, der dieses Jahr auf der Berlinale im Wettbewerb war: "Für einen Film aus Paraguay wie diesen ist es ein Erfolg, wenn er überhaupt gedreht wird." Dann frage ich: Wer von Beiden braucht die Festival-Exposition dringender? Ein aktuelles Beispiel: Ein Regisseur dreht das Remake eines Films, den Trump als "Verteidigung des 2nd Amendment" lobt und dessen Namen er eine Menge jubelnder Anhänger im Chor rufen lässt. Dann startet dieses Remake wenige Wochen, bevor in den USA die größte Demo für Waffenkontrolle des Landes geplant ist. Und da frage ich wieder: Leute, glaubt ihr, das ist Zufall?

Das klingt zornig, daher die Frage: Schreibst du oft Kritiken mit Wut im Bauch?

Genauso oft, wie mit Freude oder Hoffnung im Bauch.

Welche Filme geben dir Hoffnung?

Chernobyl Heart
, The Gleaners und I, Bowling for Columbine, The Act of Killing, Le Sang des Betes ... Filme, die zeigen, dass es Menschen gibt, die gesellschaftliche, psychologische und politische Zusammenhänge erkennen und ihre Erkenntnis einsetzen, um die Welt zum Guten zu verändern und gleichzeitig andere motivieren, ebenfalls positive Veränderungen anzustreben.

Hat Hoffnung für dich auch etwas mit Aufklärung zu tun?

Eine realistische Perspektive ist die Voraussetzung für Hoffnung. Sonst ist es nur Illusionismus.

Die Kluft zwischen dem sogenannten Arthouse- und Popcorn-Kino scheint so groß zu sein, wie nie zuvor. Wäre eine Annäherung deiner Meinung nach möglich?

Das zu beantworten fällt mir schwer, da ich selbst Filme ohne jeden Anspruch einfach nervig und anstrengend finde und daher schwer nachvollziehen kann, was daran der Reiz ist. Unterhaltung setzt für mich eine gewisse künstlerische Qualität voraus. Auch Humor ist Kunst oder eine Romanze oder einen Horrorfilm bewegend zu erzählen. Vielleicht liegt darin der Anknüpfungspunkt für das Publikumssegment, das vor Arthouse zurückscheut. Umso höher der Kunstfaktor, umso höher der Unterhaltungswert, darauf müsste das Publikum vielleicht mehr vertrauen. Dazu kommt bei einigen womöglich eine vage Sorge, Arthouse "nicht zu verstehen". Von dieser Idee eines richtigen und falschen Kunstverständnisses muss man sich lösen. Leider wird das wohl bis heute noch in der Schule vermittelt, so nach dem Motto: Was will uns der Künstler damit sagen?

"[...] Umso höher der Kunstfaktor, umso höher der Unterhaltungswert, darauf müsste das Publikum vielleicht mehr vertrauen [...]"

Deine Filmkritiken sind meist nicht sehr lang, aber dennoch schaffst du es punktgenau wiederzugeben, was dich am Film überzeugt hat und was nicht. Ich würde soweit gehen und behaupten, dass du von allen MB-Autoren die klarste, stilistische Handschrift besitzt. Wie hat sich diese entwickelt? Gab es da einen Prozess und wenn ja, wie sah dieser aus?
Das war ein Riesenkampf, der in der Grundschule bei den ersten Aufsätzen anfing und bis heute nicht ausgefochten ist. Zum einen prägen meinen Stil die Autoren, die ich selbst für ihren Stil bewundere und immer wieder lesen kann. Wie Susan Sontag. Die sagt mehr in einem Satz als Heidegger in einem Kapitel. Oder Gertrude Stein und Emily Dickinson, die vertraute Sprachkonzepte auflösen. Ich sehe Schreiben ähnlich wie Film: Was nicht zum Gesamtwerk beiträgt, ist überflüssig und verwässert die Aussagekraft des Notwendigen. Anfangs habe ich auf Forderung verschiedene Redaktionen hin sehr lange Texte geschrieben, was mir den Spaß an der Sache fast kaputt gemacht hat. Ironischerweise war die erste und häufigste Kritik, die ich für diese Texte von Außenstehenden bekam: Viel zu lang. Eine ideale Filmkritik ist in meinen Augen kein Essay, sondern eine pointierte Annotation. Sie soll die Leserschaft zum Nachdenken anregen, statt ihnen das Nachdenken abzunehmen.

Wie man einigen deiner Kritiken entnehmen kann, bist du Veganerin. Im Fazit zu deiner Kritik von Cuban Food Stories schreibst du folgendes: „[...] vor einer fröhlich-bunten Ferienkulisse zu mampfen, war augenscheinlich das Hauptinteresse des Regisseurs. Ihn lässt das Leid der Tiere, die vor seinen Augen massakriert werden, offenbar ähnlich kalt wie die materiellen und sozialen Hürden [...]“. Kann dir der Konsum von Fleisch auf Leinwand einen Film verderben, oder stößt du dich nur an den Schlachtszenen?

Das kommt wie bei jeder Gewaltdarstellung auf die kontextuelle Präsentation und die ethische Konnotation an. In dem Spielfilm Aga werden zum Beispiel auch Tiere von den Protagonisten getötet genauso wie in Le Sang des Betes. Zeigt der Film neben dem Töten das Leid der Tiere, ihre Angst und ihren Schmerz? Sind Tiere im Film Individuen oder Gegenstände? Mit welcher Haltung stehen die Protagonisten den Tieren gegenüber? Die Inuit in Ága etwa respektieren und verehren die Tiere, ohne deren Produkte sie in dieser Umgebung zugrunde gehen würden. Auf der anderen Seite stehen Filme, oft auch Kinderfilme, die Gewalt gegen Tier als Spaß darstellen oder sogar suggerieren, die Tiere wollten zum Beispiel im Zirkus Tricks vorführen oder gar auf dem Teller landen. Generell ist mein Problem nicht die Darstellung der Gewalt, sondern die verharmlosende Darstellung von Gewalt. Für mich ist es total befremdlich, wenn Menschen schniefend aus einem Film gehen, weil am Ende einer an Krebs gestorben ist (was bloß ein Schauspieler vorgespielt hat), und dann an der nächsten Ecke in einen Chicken Wrap (für den ein reales Lebewesen, das vorher wahrscheinlich in der Hölle einer Schlachtfabrik vegetiert ist, drauf gegangen ist) beißen.

Danke für deine Zeit. Zum Schluss bekommst du die Gelegenheit über Moviebreak zu sprechen. Wenn du Lob und/oder Tadel hast, dann kannst du es jetzt raus lassen. Ich geh vorsichtshalber schon mal in Deckung.

Super finde ich, dass Moviebreak unabhängig von Werbedeals & Verleih-Partnerschaften funktioniert. Wegen der Interessenkonflikte, die unweigerlich aufkommen, wenn Magazine ihre Texte nach Werbegeldern lancieren, hatte ich schon öfter Auseinandersetzungen. Wenn es keine Mindestlänge für Texte gäbe [Moviebreak fordert eine Textlänge bei Kritiken von mind. 400 Wörtern, Anm. d. Red.], würde ich mich natürlich freuen, dass kann sich jeder sicher anhand meiner Aussage weiter oben denken. Ansonsten betrifft ein Kritikpunkt meinerseits nicht direkt Moviebreak als Magazin, sondern die Lesercommunity: Wenn User in Kommentaren rassistischen oder sexistischen Slang benutzen oder sich radikal intolerant äußern, positioniert euch sachlich dagegen! Ich sage bewusst nicht, dass solche Stimmen gesperrt oder gelöscht werden sollten. Das gibt den Leuten nur das Gefühl, rebellische Kämpfer für Meinungsfreiheit zu sein. Effektiver und produktiver ist, denke ich, zu vermitteln, wofür wir hier stehen: Spaß statt Hass.

Nächste Woche wird Souli wieder einen MB-Autoren interviewen.

Hättet ihr noch Fragen an Lidanoir?

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