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Übergewichtige im Rampenlicht - Kritik zur Netflix-Miniserie "Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser"

memorylab

Von memorylab in Übergewichtige im Rampenlicht - Kritik zur Netflix-Miniserie "Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser"

Übergewichtige im Rampenlicht - Kritik zur Netflix-Miniserie "Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser" Bildnachweis: © Netflix

Die radikale Gewichtsabnahme innerhalb weniger Monate zum Hauptverkaufsargument einer Fernsehshow machen – das ist das erklärte Ziel des Produzenten J.D. Roth (Die neuen Abenteuer von Jonny Quest). Er ist Co-Schöpfer der Sendung „The Biggest Loser“, die seit ihrer ersten Staffel im Jahr 2004 sich zum Quotenhit entwickelte. Neben Merchandise-Produkten konnte NBC das Format auch an mehrere ausländische Produktionsstudios verkaufen. Doch um dieses abstrakte Ziel auch umzusetzen, bedarf es eben entsprechender Protagonist:innen – mit übergewichtigen bis fettleibigen Körpern.

Der Titel von Netflix‘ dreiteiliger Miniserie Fit for TV: The Reality of the Biggest Loser gibt die Marschroute der Investigativ-Doku vor. Denn „fit fürs Fernsehen“ heißt nicht gleich, dass für die Macher das Wohl der Teilnehmer:innen an oberster Stelle steht – sondern ihre Körper zur Unterhaltungsplattform umzufunktionieren. Regisseurin Skye Borgman (Das Mädchen auf dem Bild) weiß die Kritikpunkte an der Aufbereitung der Show – gerade in der ersten Staffel – an den Produzenten herauszuarbeiten: Fatshaming durch absurde und manipulierende Spiele, emotionaler Missbrauch seitens der angestellten anpeitschenden Trainer:innen und die Einnahme von Koffeinpillen, um den Gewichtsverlust anzukurbeln.

Frühere Teilnehmer:innen und Gewinner:innen treten dafür vor die Kamera und teilen ihre Lebensgeschichten. Wie Borgman sie aber inszeniert, ist problematisch. Sie emotionalisiert die Protagonist:innen auf eine Art und Weise, die in Reality-TV-Shows Gang und Gäbe ist. „Sob story“, übersetzt „rührselige Geschichte“, nennt sich diese Erzählung. Und das passiert nicht nur bei einer Person, sondern bei nahezu jeder. Erstaunlich und enttäuschend zugleich ist, wie Borgman ihre Interviewten versucht, ihnen ein oder mehrere Tränchen zu entlocken – gekoppelt natürlich mit trauriger Hintergrundmusik. „Fit for streaming“, wenn man möchte.

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Noch empörender ist die Einführung des Gewinners der achten Staffel von „The Biggest Loser“ in Danny Cahill. Erst redet er im Off über seine Erlebnisse, bis auf eine Einstellung geschnitten wird, in der er frontal aus der Halbtotalen zu sehen ist. Um dem Publikum klar zu machen, dass nicht alle Teilnehmer:innen ihr Gewicht halten konnten, ist Borgman der Meinung, eingangs einen Schock präsentieren zu müssen. Mit einem Knallgeräusch, ausgeblendeter Musik und einem sinngemäßen „Seht ihn euch an“-Attitüde stellt sie Cahill vor – und gleichzeitig bloß. Der eingefügte Knall ist nicht besser als der eingeblendete Vergleich eines Erdbebens, den die Produzenten mit den Kandidat:innen von „The Biggest Loser“ ziehen. Besser wäre es gewesen, keinen Klimax aufzubauen, auf die Musik komplett zu verzichten und den Schnitt fast schon beiläufig zu setzen. So kann man ebenfalls Ungläubigkeit und Enttäuschung bei den Verantwortlichen der Fernsehshow erzeugen.

Beide Seiten kommen zu Wort, die Sympathien zu verteilen ist dabei wenig überraschend. Sobald Borgman versucht, über den Tellerrand zu schauen, rennt anscheinend die Zeit davon. Den Aufopferungswillen der Kandidat:innen, wie im Geiste eines „Whiplash“, zeigt die Serie mehrfach und eindrücklich. Warum es aber einen so späten Zeitpunkt bedarf, um den inneren Schweinehund den Kampf anzusagen, das erfährt man nicht. Warum müssen andere Sendungen wie „Dr. Pimple Popper“ und dessen Ableger – ja, die gibt es – Menschen mit sehr weit fortgeschrittenen Blasen und Eiterpickeln präsentieren, die die Ärzt:innen versuchen zu beheben? Nur zur Unterhaltung? Die seltsame Faszination vorm Ekel? Diese Gründe reichen alleine nicht aus. Verweigert die Krankenkasse die Unterstützung? Sind die Behandlungskosten exorbitant hoch? Ist die Wartezeit auf einen Termin viel zu lang? Sind die Arztpraxen chronisch überlastet?

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Bezogen auf „The Biggest Loser“ sollte Borgman den Blick auf die Lebensmittelindustrie werfen sowie bei Cahills Vorwurf der fehlenden Fitness- und Ernährungsangebote entschieden nachhaken – nicht nur stärker beim verantwortlichen Produktionsstudio, sondern auch weiter oben bei den US-Bundesstaaten.

Geradezu unverantwortlich ist das kurze Abhandeln der populären Abnehmspritze Ozempic. Mehr als zwei Minuten waren nicht drin, um die Behandlungsmethode gegen Übergewicht vorzustellen? Zwei Kandidatinnen befürworten den Einsatz, ein anderer scheut die Nebenwirkungen – fertig, jetzt obliegt euch die Entscheidung entweder für oder gegen Ozempic. Ein Witz.

Zum Ankämpfen gegen den inneren Schweinehund, das Wagnis den Stein der Veränderung ins Rollen bringen, daran appelliert die Serie zum Schluss – schön und gut. Nur erscheinen kurz vorm Abspann zwei Sätze, die besagen, dass der Anteil der fettleibigen Erwachsenen in der amerikanischen Gesellschaft vor und nach der letzten Staffel von „The Biggest Loser“ auf fast 50 Prozent angestiegen ist. Das ist kein statistisches Geplänkel, das muss Hauptgegenstand einer fehlenden vierten Episode sein! Warum geht man nicht auch den extremen Kontrasten in den Vereinigten Staaten auf den Grund – sei es das Einkommen oder die Fitness? Wie schlägt sich der Einfluss von Social-Media-Trends wie der Hashtag skinnytok in den USA nieder? Viele Fragen stellen sich.

Abseits davon ist kaum zu erklären, warum Netflix eine etwas mehr als zweistündige Doku in drei Episoden unterteilt. Höchstens ein in jüngerer Zeit verändertes Sehverhalten könnte als Grund herhalten, mit weniger Lauflänge pro Folge sowie einer kleineren Anzahl an Episoden aufzuwarten. Auf die Miniserie sowie das Thema an sich bezogen, ist dieses Aufbereiten der Folgen in verdaulicher Häppchengröße verdammt zynisch.


Fazit

Mit „Fit for TV – The Reality of the Biggest Loser“ blickt Regisseurin Skye Borgman hinter die Kulissen des gleichnamigen Showerfolgs und arbeitet die Kritik an den Produktionsbedingungen klar heraus. Dagegen ist sie bei der filmischen Aufbereitung fast keinen Deut besser als die Produzenten, die diese Sendung aus der Taufe gehoben haben. Emotional manipulativ sind die vielen rührseligen Geschichten, geradezu diskriminierend ist die Einführung eines Staffelgewinners. Hinten raus fehlt der Blick aufs große Ganze und – überraschend für den Streaming-Riesen – ausreichend Zeit, um alle aufgetischten Themen ausführlich zu behandeln.

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