{{ tweet.login }}

{{{ tweet.body | format }}}

Wird geladen...

×
×

Erwähnungen

×

Benachrichtigungen

Zum Tode von Mike Nichols - Der stille Regisseur der New Hollywood Ära

Stu

Von Stu in Zum Tode von Mike Nichols - Der stille Regisseur der New Hollywood Ära

Zum Tode von Mike Nichols - Der stille Regisseur der New Hollywood Ära Bildnachweis: © Paramount Pictures
Debütfilme von Regisseuren sind meisten ja nicht sonderlich prominent besetzt. Nicht so bei Mike Nichols. Seine Literaturverfilmung „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“ protzte im Jahre 1966 mit den zwei größten Hollywood-Stars, die die US-Unterhaltungsindustrie zu bieten hatte: Elizabeth Taylor und Richard Burton. Die spielten nicht nur ein keifendes und emotional vernarbtes Ehepaar, sie waren es selber und ließen es sich mit der Verfilmung des Theaterstücks von Edward Albee auch noch fürstlich vergolden. Der lachende Dritte war Mike Nichols. Der Debütfilm des gebürtigen Berliners, der 1938 mit seiner Familie nach Chicago immigrierte und zunächst Psychologie studierte, war ein großer Erfolg und sicherlich war der Dreh auch kein einfaches. Zwei Diven wie Taylor und Burton, waren sicherlich schwer unter Kontrolle zu bekommen. Doch das Endresultat war ein cineastisches Meisterwerk, welches heute noch Bestand hat. Der Blitz hatte also eingeschlagen, genau an der richtigen Stelle. Er würde es wieder tun.

1967 inszenierte Nichols seinen zweiten Film, der ebenso wie „Wer hat Angst vor Virigina Woolf?“ zum Meisterwerk stilisiert wurde: „Die Reifeprüfung“. Damals in mehrerer Hinsicht ein gewagter Film. Zum einen wegen Teile der Thematik (ältere Frau verführt jungen Mann), zum anderen aber auch weil bei der Komödie erstmals etwas Neuartiges versucht wurde, denn der Soundtrack wurde extra vom Pop-Duo Simon & Garfunkel komponiert und eingespielt. „Die Reifeprüfung“ war im Grunde der erste Film, der die Macht des popkulturellen Soundtracks erkannte. Mit Songs wie „Sound of Silence“ oder „Please, Mrs. Robinsons“  wurde 1967 eine neue musikalische Ära für den Film eingeläutet. Nichols gelang es den Flow der Musik auf den Film zu übertragen und sprach damit nicht nur die damalige Jugend an, die sich einer Veränderung sehnte. Auch dass im Film die Beziehung eines jungen Mannes (Dustin Hoffman) zu einer älteren Frau (Anne Bancroft) vorurteilsfrei und ohne große Skandalofferten abgehandelt wurde, war ein Novum. Ein Novum was zur damaligen Zeit passte, denn das New Hollywood Kino war auf dem Vormarsch und brachte neben Nichols noch andere große Regisseure wie Martin Scorsese, Francis Ford Coppola oder Michael Cimino zum Vorschein, der die Ära mit „Heaven’s Gate“ zu Grabe tragen sollte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es ist schon auffällig, dass Mike Nichols oft übergangen wird, wenn über New Hollywood geredet wird. Es liegt vielleicht einfach daran, dass Coppola und Konsorten in ihren Filmen wesentlich radikaler zu Werke gingen als Nichols. Seine Rebellion gegen das damalige Establishment war wesentlich eloquenter und besonnenerer, war aber dennoch scharf wie ein frisch geschliffenes Skalpell. 1970 war dies deutlich zu erkennen als Nichols bissige Kriegssatire „Catch 22 – Der böse Trick“ in den Kinos erschien und mit bürokratischer Willkür und militärischem Kalkül abrechnete. Der Film war kein besonders großer Erfolg, was sicherlich auch daran geschuldet war, dass der Vietnamkrieg zum alltäglichen Begleiter der Medien wurde. "Catch 22“ erhielt aber über die Jahre den Zuspruch, den er verdient hat und gilt heutzutage als eine der besten und auch galligsten Satiren aller Zeiten.

Es lässt sich nicht leugnen, die besten und wichtigsten Filme des Mike Nichols, waren seine ersten drei. Doch die bösen Zungen, die meinen, der gute Mann hätte sonst nichts mehr Erwähnenswertes gedreht, die irren sich. Da wäre „Silkwood“ von 1983 mit Meryl Streep, Cher und Kurt Russell, der den wahren Fall einer Laborantin aufarbeitete, die in Oklahoma für eine Plutonium-Aufarbeitungsanlage arbeitete und nach gewerkschaftlichen Engagements bei einem ominösen Autounfall verstarb, der bis heute nicht restlos aufgeklärt wurden konnte. Drei Jahre später inszenierte er die Tragikomödie „Sodbrennen“ (mit Jack Nicholson und erneut mit Meryl Streep) und 1988 die Komödie „Die Waffen der Frauen“, der mit der chauvinistischen Welt der Wall Street abrechnete und die damals noch chirurgisch unveränderte Melanie Griffith zum Star machte. Kritikern, die hier den nötigen Biss vermissten, mussten aber nicht lange auf ihn verzichten, denn 1991 verfilmte Nichols den autobiographisch angelegten Roman von Prinzessin Leia-Darstellerin Carrie Fisher: „Grüße aus Hollywood“. Das Ergebnis war eine, zwar gegen Ende hin etwas abgemilderte, aber dennoch scharfzüngige und bitterböse Abrechnung gegen die Traumfabrik.

Weitaus ruhiger ging es in „In Sachen Henry“ zu, einem Drama über einen Mann (Harrison Ford) der nach einem Unfall zum Pflegefall wird und erkennen muss, wie sehr seine Familie unter ihm leiden musste. Ein ruhiges Drama mit hoch schwellenden Emotionen, welches erneut deutlich machte, dass sich Mike Nichols immer auf die Menschen in den Geschichten konzentrierte. Er, der eigentlich Psychologe werden wollte, war ohne Zweifel ein Filmemacher, der mit seinem Objektiv die Stärken und Schwächen des Individuums abbildete und hinterfragte. Das blieb auch nach „In Sachen Henry“ so, auch wenn Filme wie „Wolf“ (der das animalisches des Werwolfs als Metapher für Männlichkeit aber auch für die damalige Unternehmenspolitik der USA nutzte), die Bill-Clinton-Abrechnung „Mit aller Macht“ oder die Sexklamotte “Good Vibrations –Sex vom anderen Stern“ bei Kritik wie Publikum durchfielen und keine relevanten Spuren mehr im Sand der Filmhistorie hinterließen.

Began Nichols Karriere mit drei großen Erfolgen, so beschloss er seine Karriere ebenfalls mit drei großartigen Werken, die vielleicht nicht den Impact seiner damaligen Filme innehatten, die als „Abschiedsgeschenk“ ans Publikum aber dennoch grandios sind. Da wäre zum einen die Mini-Serie „Engel in Amerika“, die auf dem Theaterstück von Tony Kushner basiert und die Ära Ronald Reagans aus der Sicht verschiedener Personen reflektiert. Dabei spielt vor allem AIDS eine gewichtige Rolle. Grandios besetzt u.a. mit Al Pacino, Meryl Streep und Emma Thompson, gehört “Engel in Amerika” zu den wohl emotionalsten und auch wichtigsten TV-Produktionen des neuen Jahrtausends. Nur ein Jahr später, 2004, kam mit „Hautnah“ ein Beziehungsdrama von Nichols in die Kinos, welches vor allem durch seine elliptische Erzählweise und grandios spielende Darsteller auffiel. Es war das letzte Mal, dass Nichols sich der Intimität annahm. Sein nächster und Film, „Der Krieg des Charlie Wilson“, war eine süffisante Abrechnung mit den Systematiken des modernen Krieges. Ein schön verpackter Kommentar zur Lage der Gesellschaft und des Kapitalismus, getragen u.a. von einem Tom Hanks, der hier eine seiner besten Leistungen ablieferte, auch wenn sie gewiss nicht so populär aufgenommen wurde wie etwa „Forrest Gump“.

Viele Filme inszenierte Mike Nichols. Nicht alle waren Meisterwerke, viele sind vergessen, einige unsterblich. Nichols war stets ein stiller Regisseur. Wer Abenteuergeschichten über die wilde Zeit des New Hollywood hören wollte, klopfte an andere Türen. Aber im Gegensatz zu seinen bekannteren Kollegen, ging es Nichols immer um uns, den Menschen. Nicht viele Regisseure sezierten unsere Makel teils so pointiert oder dramaturgisch so fesselnd wie er. Eine Qualität, die heutzutage im Qualm des krawallenden Kinos ein Nischendasein fristet. War früher alles besser? Eine Frage, die Nichols als Regisseur gewiss grandios abgehandelt hätte. Eines ist aber klar, die alte Garde, sie beginnt zu entschwinden. Was bleibt ist Hoffnung, genauso wie Pessimismus. Eine typisch menschliche Ambivalenz. Nichols hätte das gewiss sehr interessant gefunden.

Wird geladen...