7.5

MB-Kritik

1982 2019

Romance, Drama, History

7.5

Mohamad Dalli
Fidel Badran
Larry Lawrence
Nadine Labaki
Said Serhan
Nadine Labaki
Said Serhan
Rodrigue Sleiman
Tia El Bezreh
Rodrigue Sleiman
Alistair Brett
Karim Tohme
Zeina Saab de Melero
Laetitia Gerbaka
Christine Youakim
Simon Jamous

Inhalt

Es liegen nur noch wenige Prüfungen vor den Schülerinnen und Schülern der Privatschule in den Bergen vor Beirut. Gleich sind Sommerferien und der 11-jährige Wissam muss sich beeilen: Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um der gleichaltrigen Joana seine Gefühle zu gestehen. Lehrerin Yasmine und Lehrer Joseph hingegen kennen die Gefühle füreinander, die politische Lage aber hat sie entzweit. Und während Wissam noch Pläne schmiedet, wird die Lage außerhalb der Schule immer kritischer. Im Laufe des Schultages rückt der Krieg immer näher. 

Kritik

Der Sommer steht kurz vor der Tür, letzte Prüfungen werden geschrieben, und vor den Türen wirbeln Sonnenstrahlen den Staub auf. Noch lockt der Himmel mit Wolkenlosigkeit, bald ziehen Kriegsmaschinen an ihm vorüber. 1982 erzählt nicht nur vom Beginn der Sommerferien, sondern auch vom Beginn einer kriegerischen Auseinandersetzung. Es ist Juni 1982, und die israelische Armee dringt in den Libanon ein. 

In seinem Langfilmdebüt als Regisseur verknüpft  persönliche Erinnerungen mit fiktiven Charakteren, die den Kriegsbeginn während ihres Schulalltages erleben. Allen voran eröffnet sich der Blickwinkel des jungen Wissams (), eine verklärte und unvollständige, durch die Hintergründe des Regisseurs beeinflusste und auch lange Zeit unbewusste Sichtweise, die häufig nur durch Hintergrundgeschehnisse aufgebrochen wird. Sein eigentliches Vorhaben ist Teil einer angerissenen Coming-of-Age-Geschichte, jäh unterbrochen von dem, was lange Zeit nur am Rand des Geschehens wahrgenommen und gegen Ende des Films immer greifbarer wird. 

Von Anfang an ist diese Anspannung hingegen in den Geschichten der Erwachsenen zu spüren. , Regisseurin des preisgekrönten Milieudramas Capernaum - Stadt der Hoffnung, spielt eine Lehrerin, die einerseits die Zerrissenheit ihres Landes ständig zu spüren bekommt, die die Ordnung für ihre Schüler*innen aber möglichst lang aufrecht erhalten möchte. Die meisten Figuren entstehen aus den Momenten heraus und geben nur in Ansätzen weitere Hintergründe preis, ähnlich wie die zunehmend bedrohliche Situation. Der Film verzichtet auf historische und politische Einordnungen und entledigt sich nie seiner subjektiver Blickwinkel. 

Seine Stärke zieht 1982 aus seinem ruhigen Aufbau und seiner feinsinnigen, dezenten Inszenierung. An einem einzigen Tag spielend schwillt die Spannung geschickt an und schafft die Verbindung beider Blickwinkel vor dem Hintergrund erschütternder Ereignisse. Ohne den Krieg in Nahaufnahmen einzufangen, transportiert Mouaness den Schrecken über nebensächliche Radiosendungen, entferntes Dröhnen von Flugzeugen und die Ungewissheit der Menschen. Der Beginn der Sommerferien verliert spür- und nahbar seine Freude und Lebendigkeit, ohne dass der Film die Situation künstlich dramatisiert. 

Die Musik drängt sich nie in den Vordergrund, fließt teilweise gestalterisch in die Handlung ein. Die Bilder reizen keine Kriegssituationen aus, sondern arbeiten oft mit den Vorstellungen der Zuschauer*innen. Durch ihre Nähe zu den Lehrerkräften und Schüler*innen löst sich ihre anfängliche Ruhe allmählich auf, behält jedoch durchgehend einen historisch angefärbten Realismus. Einen Stilbruch mit der Authentizität wagt Mouaness nur mit angepassten Liebesgeschichte und mit der magisch-realistischen Auferstehung von Handzeichnungen, deren Effekt er erfreulicherweise nicht übernutzt, sondern an wenigen Stellen wirkungsvoll einsetzt und die Antikriegsbotschaft vielleicht nicht subtil, aber auf eigensinnige Art und Weise abrundet.

Fazit

„1982“ zieht enorme Kraft aus der Ruhe vor dem Sturm. Ein Kriegsdrama, welches Rauch und Kampfgeschehen nur aus der Ferne zeigt und vorrangig durch seine unberührten und subjektiven Blickwinkel (An-)Spannung erzeugt. Trotz kleiner, gestelzter Dialoge und Zugeständnisse an einen 100-minütigen Spielfilm ein bemerkenswertes Regiedebüt mit zurückhaltenden phantastischen Einflüssen.

Autor: Paul Seidel
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