So trivial der Titel zunächst auch anmuten mag, „A Perfect Day“ regt doch allein durch den eigenen Namen schonmal gehörig die Fantasie an. Ein perfekter Tag, wie mag der wohl aussehen? Wird hier durch Ironie der Inhalt des Films auf den Kopf gestellt? Wird gar am Ende versucht durch ein Gefühl oder eine Moral die Möglichkeit eines perfekten Tags zu vermitteln, oder haben wir es hier mit dem optimistischsten Film aller Zeiten zu tun? So wirklich zutreffen tut keine dieser erdachten Möglichkeiten auf das fertige Endprodukt von Regisseur und Drehbuchautor Fernando León de Aranoa ("Princesas"), viel eher haben wir es hier wohl mit dem interessantesten Film rund um die Beschaffung eines Stücks Seils zu tun, den man in den letzten Jahren zu Gesicht bekommen hat. Und auch das sollte die Fantasie anregen, settet sich „A Perfect Day“ doch gegen Ende des Bosnienkrieges Mitte der Neunziger und fixiert sich auf eine von Zynismus, Euphorie und gar Wahnsinn getriebene Helfergruppe, deren Quest zur Beschaffung des essentiellen Seils bald zum Symbol für die Hoffnung in schweren Zeiten avanciert. Und das mag kitschig klingen, geht im Kontext von „A Perfect Day“ aber überraschend gut auf.
Die Zutaten für einen intelligenten Kriegsfilm bzw. für ein mitreißendes Konfliktdrama sind auf den ersten Blick alle gegeben: Die Botschaft ist bemerkenswert, die Herangehensweise irgendwo zwischen humoristisch, zynisch und teils richtig dramatisch und die Besatzung hochklassig. Da bleibt nur Aranoas Herangehensweise an den Bosnien-Konflikt, betreffend die Seilsuche, etwas merkwürdig. Sollte sich der Film nicht viel zentraler mit politischen Aspekten auseindersetzen? Die Antwort: Sicherlich. Und genau das tut „A Perfect Day“ in seinem Rahmen auch, nur schiebt er die augenzwinkernde Atmosphäre in den Mittelpunkt. Diese Atmosphäre ist es dann auch, an der sich die Geister scheiden werden, erlaubt sie sich der Film doch durchaus einige Späße, zieht sein ernstes Thema dabei aber nie ins Lächerliche und unterstreicht eben durch seinen merkwürdigen Inhalt den kämpferisch Kreislauf, die Sinnlosigkeit einer Sinnsuche innerhalb eines Krieges, optimal und nachvollziehbar. Dabei mögen sich in der ersten halben Stunde des Films noch alle Bedenken bewahrheiten: Die Sprüche sitzen nicht, die Geschichte wirkt konstruiert und sprunghaft und mit den Figuren wird man auch nicht so recht warm. Gedanklich schon längst zum Scheitern verurteilt, gelingt „A Perfect Day“ aber etwas, was den wenigstens Filmen gelingt: Die Kurve zu kriegen. Irgendwann fallen all die Puzzleteile plötzlich auf ihren richten Platz, die Geschichte nimmt an Fahrt auf, die Dialoge werden feiner und vor allem die Gruppe an verschiedenen Figuren entwickelt endlich eine funktionierende und mitreißende Dynamik.
Zwar mag man die charakterlich abwechslungsreiche Gruppe an Figuren auch gegen Ende noch als Klischees entlarven, sie funktionieren untereinander aber gerade aufgrund ein paar feiner Drehbuchzeilen, als auch aufgrund einiger starker darstellerischer Leistungen meist problemlos. Benicio Del Toro ("Sicario") darf nachvollziehbar den Protagonisten im Kostüm eines Arschlochs spielen, inklusive Betrug und Resignation, der sich aber dennoch immer wieder durch ein gutes Herz auszeichnet, Mélanie Thierry ("The Zero Theorem - Das Leben passiert jedem") mimt die junge Enthusiastin, die mit der Zeit ihrer Illusion erliegt und Tim Robbins ("Life of Crime") den durchgeknallten Adrenalinjunkie, der seine eigene Herkunft schon längst hinter sich gelassen hat und nur noch für den Krieg lebt. Diese Charaktere mögen sicherlich nicht kreative Bäume ausreißen, noch wird hier großartig mit den Erwartungen der Zuschauer gespielt und dennoch geht die Dynamik zwischen diesen Generationsvertretern (nach der halbstündigen Eingewöhnungsphase) in weiten Zügen auf. Vor allem Robbins darf für ein paar urkomische Momente sorgen, während es gerade Thierry ist, die den Film immer wieder auf den brutalen Boden der Tatsachen zurückholt. Nur Olga Kurylenkos ("Momentum") Charakter verkommt in dieser Gruppe zum oppositionistischen Zweckmittel.
Zudem sollte man Regisseur und Drehbuchautor Aranoa zukünftig im Auge behalten, zeichnet er sich im Laufe seines englischsprachigen Filmdebüts doch durch ein paar äußerst gelungene Einstellungen und Kamerafahrten aus. Auch audiovisuell versteckt sich der Spanier nicht vor Spielereien, vor allem in puncto Soundtrack wird hier und da ein wenig experimentiert. Das mag dann zwar nur selten wirklich funktionieren, der Grundgedanke ist aber absolut interessant. Und wenn dann mal Bild, Ton, Darstellung und Dialog gemeinsam aufgehen, wird der Zuschauer fasziniert in seinen Sitz gepresst. Marilyn Mansons Version von „Sweet Dreams“ hat vermutlich noch nie so gut in ein Konfliktdrama gepasst.
Letztendlich ist es aber das finale Gefühl, mit welchem der Zuschauer hier entlassen wird, was den Kritiker endgültig von „A Perfect Day“ überzeugen konnte. Sich eines Krieges in solch zynischer und doch augenzwinkernder Manier zu nähern, ist sicher nichts Neues. Außerdem könnte man durchaus argumentieren, dass hier ein paar politische Aspekte zu zweckmäßig anmuten und nicht genug ausformuliert werden (was zum Beispiel die Darstellung der Blauhelme betrifft). Doch diese bittersüße Melancholie, dieses Gefühl etwas zum Scheitern verurteiltes in Angriff zu nehmen, immer wieder zurückgestoßen zu werden und doch wieder aufzustehen, dieses Gefühl von „Der positive Gedanke zählt durchaus und zusammen können wir das packen, egal wie aussichtslos das Ganze doch ist“ funktioniert und berührt trotz seiner Klischeehaftigkeit. Da mögen diverse Momente nach wie vor konstruiert wirken, da mag nicht jeder Charakter so etwas wie vernünftige Tiefe erfahren, aber solange sich diese Botschaft so gelungen überträgt wie hier, mag man darüber gern hinwegsehen. Ebenso wie über den sicherlich nicht sonderlich frischen, aber im Kontext des Films wunderbar passenden Titel.