Ihr werdet A Quiet Place: Tag Eins hassen, da gibt es keinen Zweifel. Wenn ihr nach dem Ende von A Quiet Place 2 wissen wollten, wie es mit der von geräuschempfindlichen Aliens überrannten Welt weitergeht, wird euch dieses Prequel wie eine unnötige Last erscheinen, wie Überreste, die vergessen wurden zu entsorgen. Ein hartes, aber faires Urteil: Haltet euch von diesem Prequel fern, wenn A Quiet Place für euch ein Familiendrama fusioniert mit Sci-Fi-Horror bedeutet. Wenn ihr jedoch nicht besonders an der in den vorherigen Filmen begonnenen Geschichte interessiert seid, solltet Ihr definitiv einen Blick wagen. Der zweite Spielfilm von Michael Sarnoski hat seine Mängel, ist aber insgesamt der beste Teil der Reihe!
Dies hat mehrere Gründe. Technisch gibt sich das Prequel keine Blöße. Auch wenn der CGI-Hintergrund hier und da erkennbar ist, sieht und hört sich der Film insgesamt sehr gut an. Ein noch größerer Punkt ist jedoch die Ausgangslage der Hauptfigur, dargestellt von der Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong'o (Wir). Ihre Samira lernen wir nicht in einer alltäglichen Situation kennen.
Samira ist todkrank, lebt in einem Hospiz vor den Toren New Yorks und fährt mit ihrem Pfleger (Alex Wolff, der mit dem Regisseur bereits bei dessen Spielfilmdebüt zusammenarbeitete) in die Stadt, um eine Show zu besuchen und Pizza zu essen. Der Angriff der außerirdischen Invasoren verwandelt den Ausflug jedoch schnell in einen Überlebenskampf. Ein Überlebenskampf, der deutliche visuelle Parallelen zu 9/11 zieht. Wenn nach dem ersten Angriff Stille und Staub die Straßen bedecken, findet Regisseur Sarnoski mit seinem Kameramann äußerst einprägsame Bilder, die gleichermaßen schaurig und wunderschön sind.
Die Macher schaffen es, eine effektive Balance zu erzeugen. Immer wieder geht es vor allem um Menschlichkeit, aber auch um Einsamkeit. Wenn Samira, die aufgrund ihres eigenen Todesurteils nicht wirklich daran interessiert ist, das isolierte Manhattan zu verlassen, sich in entgegengesetzter Richtung zu den anderen Überlebenden bewegt, ist das nicht nur ein starkes Bild, sondern auch eines, das sehr viel mehr über ihre Intentionen erzählt als klassische Exposition. Diese wird zwar noch pflichtbewusst nachgeliefert, wäre weitestgehend aber nicht notwendig gewesen – wie andere Aspekte des Prequels auch.
Allen voran: Tag Eins fügt immer wieder Elemente ein, die letztlich nur dazu dienen, eine direkte Verbindung zu den ersten beiden Filmen von John Krasinski herzustellen. Besonders auffällig ist dabei die Figur von Djimon Hounsou, der im zweiten Teil zur Besetzung gehörte und dessen Rolle im Prequel nicht komplett nutzlos, aber doch eher verzichtbar ist.
Ähnlich verhält es sich mit einer Szene, in der Stranger Things-Rocker Joseph Quinn die Aliens bei einer nicht weiter erklärten Tätigkeit beobachtet und das in einer Szenerie deren Beleuchtung alleine dafür sorgt, dass eine Großstadt-Baustelle wirkt wie ein fremder, unwirklicher Planet. Das ist sicherlich nett gemeint, wirkt aber wie ein notgedrungenes Anhängsel, damit sich niemand beschweren kann, dass das Prequel die bereits bekannte Welt nicht weiter ausbaut.
Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen. Das Starke an A Quiet Place: Tag Eins ist das Menschliche an der Geschichte. Hier geht es nicht um die Bestie Mensch, sondern um Charaktere, die sich in einer Notlage unterstützen. Daher macht der Vergleich mit 9/11 auf durchaus Sinn - auch wenn der Film netterweise mit konstant mit dem Finger darauf zeigt. Dass das Zusammenführen von Samira und Eric (Quinn) fast schon zufällig wirkt – mit viel Liebe könnte man es auch märchenhaft nennen – ist dabei in Ordnung. Beide Figuren sind auf ihre eigene Art und Weise verloren. Es scheint beinahe so, als hätten sie sich gegenseitig angezogen, wie Magnete.
So erzählt das Prequel im Grunde nicht davon, wie die Aliens die Menschheit niedermetzelten, sondern vielmehr von einer Reise, einem Abenteuer, einem Kampf von Einsamen. Das ist nicht komplex, muss es auch gar nicht sein. Vor allem nicht, wenn es trotz aller Einfachheit so berührend von Michael Sarnoski inszeniert wurde. Im Vorfeld gab es Gerüchte, dass er hier nur den Posten eines Auftragsregisseurs erfüllte. Wer jedoch seinen wunderschönen Pig gesehen hat, wird bei Tag Eins vieles wiederfinden: Von der Wichtigkeit eines Tieres (die Katze!) bis hin zu der gedrückten Stimmung und die Konfrontation mit den eigenen Zielen und Versäumnissen des Lebens. Im krassen Kontrast zu den gelungenen, wenn auch nicht sonderlich herausstechenden Spektakelszenen, bei denen Logikfetischisten beherzt wieder ihre Strichlisten füttern können, ergibt das ein nicht immer komplett rundes Gesamtpaket, aber ein sehr ergreifendes, das entweder zum Ablehnen einlädt – oder es schafft, dass man es in sein Herz schließt.