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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

1957. Nach dem Aufstand gegen das kommunistische Regime wird in Budapest die Welt des jüdischen Jungen Andor, der von seiner Mutter mit idealisierten Geschichten über seinen verstorbenen Vater aufgezogen wurde, auf den Kopf gestellt, als ein brutaler Mann auftaucht und behauptet, sein wahrer Vater zu sein.

Kritik

Nachdem László Nemes in seinem Spielfilm-Debüt Sunset den Vorabend des Ersten Weltkriegs thematisierte und in seinem zweiten Kinowerk Son of Saul den Horror des Zweiten Weltkriegs, ergründet der ungarische Regisseur nun in seinem jüngsten Drama nun den Schrecken des stalinistischen Terrors. Jener erreicht einen Höhepunkt im Budapest 1957, als der jugendliche Protagonist (eindringlich: Newcomer Bojtorján Barabas) seine kindlichen Ideale auf privater und politischer Ebene zusammenrechen sieht. Seine sukzessive Desillusionierung über die eigene Herkunft und sein Familienerbe wird zum brutalen Sinnbild der bitteren Enttäuschung einer heranwachsenden Generation von Kindern der Sowjet-Diktatur. 

Deren Terror ist ein latentes, doch durch seine konstante Andeutung umso verstörenderes Hintergrundgeschehen des vordergründigen Familiendramas. Dessen konzentrische Handlung entfaltet sich im nach der gewaltsamen Niederschlagung des ungarischen Aufstands gegen die sowjetischen Repressionen. Der zwölfjährige Andor, der seine ersten Lebensjahre in einem privaten Kinderheim verbrachte, lebt bei seiner verwitweten Mutter Klára (Andrea Waskovics) mit dem Trauma faschistischer Verfolgung. Im Gegensatz zu seiner pragmatischen Mutter glaubt der von unkontrollierter Wut getriebene Junge fest an die Rückkehr seines jüdischen Vaters, der ins KZ verschleppt wurde, während Klara im Versteck überlebte. 

Das Auftauchen des in seiner körperlichen Erscheinung und seinem Benehmen verrohten Metzgers Berend (Grégory Gadebois), der dank einflussreicher Kontakte Zugang zu Luxusgütern und Vergnügungen hat, öffnet Andor die Augen über seine Abstammung. Während des Krieges versteckte Berend Klara, um sie sexuell auszubeuten. Andor ist das Produkt dieser missbräuchlichen Beziehung, die als unmissverständliches Sinnbild der sowjetischen Übernahme Ungarns dient. Als ein buchstäblicher Schlächter repräsentiert Berends einschüchternde Erscheinung einen skrupellosen Vater Staat, der das Land ausbeutet und gewaltsam kontrolliert. Andors hilflose Wut steht für den ohnmächtigen Zorn einer Jugend, deren hehre Ideale rigoros zerschlagen wurden. 

Die wachsende Kluft zwischen Klara, die Angst vor erneuter Verfolgung und materielle Ausweglosigkeit zu Berend zurückzwingen, und ihrem Sohn ist Teil eines harschen Coming-of-Age für den zornigen Hauptcharakter. Dessen intensives Schauspiel findet in Kameramann Mátyás Erdélys düsterem Zeitkolorit einen atmosphärisch dichten Rahmen. Die auf 35 mm gedrehten Szenen besitzen die gespenstische Greifbarkeit vergilbter Fotographien. Expressionistische Einstellungen und komplexe Kamerafahrten betonen die subjektive Wahrnehmung der alptraumhaften Lebensrealität. Die historische Präzision zeigt sich weniger in didaktischer Exposition als in sozialpsychologischer Wahrhaftigkeit. Paranoia, Misstrauen und erzwungene Heimlichkeit erzeugen eine unterliegende Spannung, die den Staatsterror als surrealen Schreckenskarneval imaginiert. 

Fazit

Systemische Repression und familiäre Abgründe überschneiden einander in  László Nemes geisterhaftem Geschichtsgleichnis. Vor dem Hintergrund der eskalierenden stalinistischen Schrecken entspinnt sich eine pessimistische Familiensaga, die das Konstrukt einer idealen Vaterfigur ebenso auseinandernimmt wie die Illusion ethischer Integrität. Das historische Setting entfaltet seine Wirkung durch eine Detailtreue und subtile Verweise auf formative Ereignisse. Die Komplexität der düsteren Bildsprache erdet das markante Schauspiel, dass jeder der differenzierten Figuren eigen Ambivalenzen gibt. Optisch geschliffen, formal versiert und psychologisch anspruchsvoll liefert dieser stilistische Höhepunkt im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig eine gleichermaßen persönliche und universelle Vision historischen Traumas. 

Kritik: Lida Bach

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