Inhalt
Die Arbeit eines englischen Tontechnikers in einem italienisches Horrorstudio wird für ihn bald grausame Realität und mit der zunehmenden Fertigstellung des Films kann er immer weniger zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden.
Kritik
Nahaufnahmen eines Projektors, das Rattern von Filmrollen und die Reaktion der Betrachter. Mehr bekommt der Zuschauer von The Equestrian Vortex, dem fiktiven Giallo im Zentrum des Films, nie zu sehen. Obwohl sich Berberian Sound Studio sehr detailverliebt und auch authentisch mit dem Schaffensprozess eines italienischen Genrefilms in den 70er beschäftigt, gibt es vom produzierten Film wenig bis gar nichts zu sehen. Lediglich das gezeichnete Intro, welches uns auch dessen Titel The Equestrian Vortex verrät, wird gleich zu Beginn des Films abgespielt. Eine Tatsache, die nicht nur uns Zuschauer, sondern auch den Protagonisten Gilderoy (Toby Jones) verwirrt und gewissermaßen vor unvollendete Tatsachen stellt. Der Brite hat sich nämlich als Toningenieur für Naturdokumentationen einen Namen gemacht und wird deswegen kurzerhand für Soundarbeiten im titelgeben Tonstudio angeheuert. Dort angekommen ist es nicht nur die Sprachbarriere und die Arbeit an einem völlig fremden Genre, was ihm zusehends Probleme bereitet.
Bereits mit seinem Setting offenbart Berberian Sound Studio eine Fülle an Referenzen. Zum einen steht er natürlich in der Tradition von auditiv geprägten Thrillern wie Der Dialog oder Blow Out, obgleich dieser Film deutlich stärker in psychologische Horrorregionen vordringt. Zum anderen merkt man auch den Einfluss von Gialli, auch wenn Berberian Sound Studio fast ohne Blut oder explizite Szenen auskommt zelebriert er bedrohliche Situation ähnlich wie seine italienischen Vorbilder. Damit schafft er es gleichermaßen funktionierende Hommage wie auch moderner, eigenständiger Horrorfilm zu sein, der stark mit einer Urangst, dem Zweifel am eigenen Verstand, spielt. Das macht den Film zu einem atmosphärisch sehr dicht erzählten Vertreter seiner Zunft.
Inszenatorisch findet der talentierte Handwerker Peter Strickland (The Duke of Burgundy) eine sehr gelungene Bildsprache, welche eigene Ideen gekonnt mit Giallo-Anleihen vermengt. Der britische Regisseur arbeitet vermehrt mit Nahaufnahmen, fokussiert einzelne Elemente oftmals so stark, dass sie völlig losgelöst von ihrer Umgebung existieren und nutzt diese Einstellungen dann auch für dynamische Schnitte. Dadurch unterstützt er auch formal die Thematiken des Films und überträgt Gefühle wie Hilflosigkeit, Verwirrung und die Folgen von sozialer Isolation vom Protagonisten direkt auf den Zuschauer. Überhaupt bleibt Berberian Sound Studio inhaltlich über die komplette Laufzeit sehr vage und ungewiss, eine Richtung, der sich die Inszenierung nur zu gern anschließt.
Denn in dem psychologischen Horrorfilm geht es weniger um das bewusste oder aktive Verstehen der Handlung, sondern primär darum die Emotionen von Gilderoy zu teilen. Ohnehin ist die Geschichte für sich genommen kaum einen Film wert, denn außer dem gewöhnlichen Prozess der auditiven Postproduktion bekommt man wenig geboten. Vielmehr gelingt es durch die stilistische Gestaltung und deren Einbettung in ein überaus interessantes Milieu groteske Momente voller Verunsicherung und Verwirrung zu finden. Immer wieder sind es die angedeuteten Folgen, die Vagheit eines Moments, was zu Spannung führt. Ein Film, der wenig erklärt, dafür aber umso mehr bietet.
Fazit
Mit bedrückender Atmosphäre und einer kryptischen Bildsprache führt uns Regisseur Peter Strickland durch das „Berberian Sound Studio“. Durch seine vage Erzählweise und die selten greifbare Inszenierung mag das zunächst etwas unzugänglich anmuten, gerade mit zunehmender Laufzeit entwickelt der stark psychisch getriebene Horrorfilm jedoch eine intensive und beklemmende Wirkung.
Autor: Dominic Hochholzer