Inhalt
Als eine mysteriöse Macht die Weltbevölkerung dezimiert, ist nur eines klar: Wenn du sie siehst, bringst du dich um. In dieser ungewissen Zeit findet Malorie Liebe, Hoffnung und einen neuen Anfang, nur um alles wieder zu verlieren. Jetzt muss sie mit ihren beiden Kindern in einem Boot auf einem reißenden Fluss zu dem einen Ort fliehen, der Zuflucht bieten könnte. Aber um zu überleben, müssen sie diese gefährliche zweitägige Reise mit verbundenen Augen bewältigen.
Kritik
45 Millionen Aufrufe innerhalb der ersten Woche und eine virale Challenge, bei der sich Dämlichkeit und Popularität die Hand reichen. Bird Box setzt in Sachen Zuschauerzahlen neue Rekorde und fügt der konstanten Erfolgsgeschichte des Streaminganbieters Netflix ein weiteres Kapitel hinzu. Während Alfonso Cuarons (Gravity) Roma Netflix weiterhin vom ersten Oscar träumen lässt, ist Susanne Biers (Serena) Endzeitdrama vor allem in massenwirksamer Hinsicht relevant. Vielleicht ist gerade diese Dualität eine mögliche Erklärung für das Erfolgskonzept Netflix. Der Streaminganbieter bedient sowohl Nische als auch Mainstream und ist damit nicht zuletzt konstantes Gesprächsthema im Alltag. Warum gerade Bird Box diesen Hype ausgelöst hat, bleibt jedoch selbst nach der Sichtung des Films unklar. Eine Rekordproduktion und das trotz oder gerade wegen ihrer Einfallslosigkeit.
Als kreativ lässt sich nämlich höchstens das zugrundeliegende Konzept des Films beschreiben. Bier stiehlt ihren Figuren die Fähigkeit zu Sehen und damit die vielleicht wichtigste Sinnesempfindung des Menschen. Dieser Kniff verkommt jedoch schnell zum erzählerischen Gimmick und dient lediglich dazu, der über den kompletten Film eher lose angerissenen Bedrohung zu entfliehen. Wer auch immer jene Wesen erblickt, bringt sich kurz darauf selbst um. Überraschend ist dabei lediglich, dass Bird Box auf den obligatorischen Erklärbären verzichtet und es nie für nötig erachtet, Ursprung, Hintergründe oder auch nur Optik der mystischen Gefahr zu erläutern. Eine der wenigen Stärken des Films, welche zumindest ansatzweiße mit seiner Austauschbarkeit bricht. Wer Zuflucht sucht, der verbindet sich die Augen. Die eigentlich deutlich interessante Frage danach, wie sich dieser Verzicht des Augenlichtes auf die menschliche Existenz, auf ein Leben auswirkt, verhandelt Bird Box jedoch nie.
Stattdessen dominieren konstante Zeitsprünge den dramaturgischen Aufbau, was in letzter Konsequenz vor allem deswegen die Spannung mindert, weil der Beginn des Films das tragische Schicksal der meisten Figuren bereits vorwegnimmt. Wobei sich ebenjene Entwicklung bereits mit sehr rudimentären Filmkenntnissen erahnen lässt, denn letztlich ist Bird Box nur eine Aneinanderreihung altbekannter (Genre)motive, eine Verbindung deutlich besserer Filme. Tatsächlich fühlt sich der als Endzeitfilm vermarktete Film stellenweise im Metier der Home Invasion deutlich heimischer. Ein Film auf der Suche nach sich selbst. Bird Box weiß mit sich selbst wenig anzufangen und wagt es nie, sich vollends auf eine Richtung festzulegen. Das schafft Wohlfühlhorror, bei dem sich der Ottonormalzuschauer zwar erschrecken darf, aber niemals wirklich vor den Kopf gestoßen wird. Zu blasse Figuren, um emotional mitzureißen, zu einfallslos, um zu faszinieren und zu zahm, um zu schockieren. Bird Box verhungert schon auf halber Strecke im belanglosen Niemandsland.
Fazit
Netflix' Rekordproduktion ist weitaus weniger ambitioniert, als es der mediale Hype vermuten lässt. „Bird Box“ ist eine halbgare Mischung bekannter Motive aus Survival- und Weltuntergangsfilmen und überrascht damit bestenfalls anspruchslose Gelegenheitsgucker. Das mag zielgruppengerecht sein und die Begeisterung rund um Susanne Biers Film erklären, rechtfertigt aber nicht, dass er auch in seinen besten Momenten nie dem belanglosen Durchschnitt entfliehen kann.
Autor: Dominic Hochholzer