6.4

MB-Kritik

Blackbird - Eine Familiengeschichte 2019

Drama

6.4

Sam Neill
Susan Sarandon
Anson Boon
Kate Winslet
Rainn Wilson
Lindsay Duncan
Bex Taylor-Klaus
Mia Wasikowska

Inhalt

Lily (Susan Sarandon) und ihr Mann Paul (Sam Neill) freuen sich auf ein gemeinsames Wochenende mit ihrer Familie in ihrem Landhaus am Meer, ein Ort, der voller glücklicher Momente und Erinnerungen steckt. Ihre beiden Töchter, die angepasste Jennifer (Kate Winslet) und die rebellische Anna (Mia Wasikowska), kommen mit ihren Partnern und Kindern zu Besuch, sowie Lilys beste und älteste Freundin Liz (Lindsay Duncan). Zwischen den ungleichen Schwestern kommt es bald zum Streit. Im Laufe des Wochenendes kommen immer mehr alte Verletzungen, unangenehme Wahrheiten und Geheimnisse ans Licht, die alle Anwesenden schicksalshaft miteinander verbinden. Am Ende muss sich zeigen, ob sie es schaffen, als Familie wieder zusammen zu finden, um ihrer Mutter einen letzten Wunsch zu erfüllen.

Kritik

Gelegentliche Seitenhiebe der Figuren auf die dramaturgischen Klischees tränenreicher Sterbebett-Szenen, altersweiser Ratschläge und sentimentaler Abschiedsgesten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Roger Michells (My Cousin Rachel) Familienmelodram um eine in den Freitod scheidende Matriarchin (überzeugend: Susan Sarandon, The Jesus Rolls) genau auf dergleichen leichtverträgliche Larmoyanz hinausläuft. Diese Trivialität ist frustrierend, bieten doch Thematik und hochkarätige Besetzung reichlich Potenzial für ethische Fragen und substanzielles Drama. Um die laviert sich Drehbuchautor Christian Torpe (Der Nebel), der bereits Bille Augusts (Per im Glück) Original Silent Heart schrieb, geflissentlich herum. 

Drohen Konflikte den achtköpfigen Verwandtenkreis, von dem die todkranke Lily am letzten gemeinsamen Wochenende Abschied nimmt, aus ihrer krampfigen Gemütlichkeit zu reißen, lösen die sich umgehend in Wohlgefallen auf. Charakter- und Logikbrüche erzwingen erst seichte Versöhnlichkeit, dann unglaubhafte Last-Minute-Skandale. Das kontroverse Kernthema Sterbehilfe dient als Betroffenheitsgarant am Rande banaler Eifersüchteleien und absehbarer Geheimnisse. Wird obendrein auf Lilys Wunsch Weihnachten vorgezogen, kippt die Theatralik in unfreiwillige Komik, während die latente Ambivalenz systematisch ausgeblendet wird.

Lilys entschlossenes Auftreten kaschiert ihre erniedrigende Abhängigkeit von den Launen der Anwesenden, die sie mit wertvollen Geschenken quasi besticht. Ihre Töchter Anna (Mia Wasikowska, Madly) und Jennifer (Kate Winslet, Avatar 2) drohen abwechselnd, den Suizid zu vereiteln, um Mama für Erziehungsfehler oder Fehltritte ihres Gatten Paul (Sam Neill, Ride Like a Girl) zu bestrafen. Diesen familiären Sadismus sowie die perfide Gesetzgebung verschnörkelt Michell, dem moralische Aspekte offenbar gleichgültig sind. Verständlich, dass seine skizzenhafte Hauptfigur den letzten Akt lieber vorzieht - zu Tode genervt.

Fazit

Oha, Sterbehilfe! Da stehen sogar belanglose Zwistigkeiten einer weißen Elitesippe plötzlich bedeutsam da. Dass Regisseur Michell die sozialen Privilegien, die den selbstbestimmten Tod erst ermöglichen, nie aufgreift, unterstreicht die Verlogenheit des überflüssigen Remakes. Einzig das Ensemble glänzt, insbesondere Sarandon und Bex Taylor-Klaus. Gegen Rührseligkeit und stereotype Charakterisierung kommen sie letztlich jedoch nicht an. Verweist die plakative Inszenierung mit Blick auf die Uhr auf ablaufende Lebenszeit, wirkt das wie eine Mahnung gegen die filmische Zeitverschwendung.

Autor: Lida Bach
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