4.5

MB-Kritik

Der Fluch der grünen Augen 1964

Horror

4.5

Adrian Hoven
Erika Remberg
Carl Möhner
Wolfgang Preiss
Karin Field
Emmerich Schrenk
John Kitzmiller
Laci Cigoj
Vida Juvan
Stane Sever
Tito Strozzi
Danilo Turk

Inhalt

Interpol Ermittler Frank Dorin wird in ein Dorf im Balkan entsandt, da es dort innerhalb von 6 Monaten zu sechs mysteriösen Todesfällen gekommen ist. Die Opfer waren immer junge Frauen, die Todesursache jedesmal unklar und das Ableben trat während eines Stromausfalls ein. Vor Ort angekommen trifft der Inspektor auf eine von Aberglaube geprägte Dorfgemeinschaft, bei der die Angst vor Vampiren als nicht ungewöhnlich gilt.

Kritik

-„Mögen Vampire auch schwarze Haut?“

-„Das weiß ich nicht, John. Ich mag deine Haut.“

Das deutsche Genre-Kino, das ewige Stiefkind. Dennoch existierten mal Zeiten, als es wenigstens häufiger probiert wurde. Gerade in den 60ern und zum Teil noch Anfang der 70er gab es immer wieder die Bemühungen, auch in der heimischen Filmlandschaft das Genrekino salonfähig und lukrativ zu machen, mitunter durchaus erfolgreich. Man denke nur an die Edgar Wallace-Reihe. Dort auch einmalig aktiv war der ungarisch-österreichische Regisseur Ákos Ráthonyi mit Das Geheimnis der gelben Narzissen, bevor er dieses kuriose Exemplar aus dem Boden stampfte. Welches zumindest ganz interessant, da wie eine unvorhersehbares Crossover beginnt und am Ende fast noch droht gewisse Qualitäten zu entwickeln, aber da ist er leider plötzlich vorbei. Das große Dazwischen ist – nun ja – aufgrund seiner „individuellen Herangehensweise und Umsetzung“ definitiv etwas, womit man unter gewissen Umständen so was wie Freude haben kann. Oder besser gesagt: Wenn man mal drin ist, will man das auf jeden Fall auch durchziehen. Weil so oft gibt es das auch nicht zu sehen.

Schon der irritierende Anfang macht Lust auf mehr, gerade weil sich das gar nicht richtig kategorisieren lässt. Der könnte aus einem frühen Giallo stammen, genauso gut wie aus einem deutschen TV-Krimi, wenn zu flott-moderner Swing-Musik ein als cool dargestellter Inspektor eher rüberkommt wie der Patenonkel mit lässiger Attitüde, der trotzdem jeden Sonntag mit dem Auto in die Waschanlage fährt und pünktlich um 12 Uhr zu Mittag isst. Sprich, typisch deutsch…aber schon verwegen. Oder was man sich darunter mal vorgestellt hat, ohne jemanden zu sehr auf den Schlips zu treten. Dieser kesse Draufgänger namens Frank Dorin wird verkörpert von Adrian Hoven, der als Darsteller seine Karriere begründete durch spießigste Wohlfühl-Zuckerwatte wie Im weißen Rössl, später aber als Regisseur wirklich versuchte, das deutschsprachige Genre-Kino in eine wesentlich radikalere Richtung zu bewegen, wie bei Im Schloss der blutigen Begierde oder Hexen bis aufs Blut gequält. Damit hat das hier eigentlich noch nichts zu tun, aber dieser drastische Werdegang passt wiederum auch ins Bild. Wie eine Zwischenstufe, bei der noch keiner wusste, wie man was genau anstellen sollte.

Sobald wir irgendwo am Balkan (eine west-deutsch-jugoslawische Co-Produktion zu Zeiten des Eisernen Vorhanges) angekommen sind, wird sehr schnell die Vampir-Kiste ausgepackt und exakt jetzt kippt der bis dahin eventuell sogar als experimenteller Versuch geltende Film in Windeseile in Richtung ungeplanten, aber deshalb auch ganz amüsanten Trash um. Schnüffler Dorian begegnet allerhand skurriler Gestalten wie aus einem minderwertigen Comic-Strip. Da wäre ein trotteliges Dorfpolizisten-Duo, die man so auch aus der TV-Serie von Pippi Langstrumpf kennen könnte (die Älteren erinnern sich), passend dazu einer hellsehenden Krösa Maja-Voodoo-Oma. Die trotz betont wichtigen nur selten nützliche Ratschläge parat hält, dafür aber wenigstens ein Anti-Vampir-Biss-Pulver, auf das jeder Batgürtel neidisch wäre und selbstverständlich irgendwann seinen unverzichtbaren Einsatz bekommt. Dazu kommt der eigentliche Antagonist, Professor von Adelsberg (Wolfgang Preiss, Der Zug). Soll so was wie eine angepasste Variante von Graf Dracula sein, erscheint aber mehr wie ein androgyner Staubsauger-Vertreter im mitgewachsenen Konfirmationsanzug. Sprich: Der erschrickt nur durch nicht vorhandenes Charisma. Den Vogel schießt aber natürlich dessen Haustier ab: John Kitzmiller (James Bond 007 jagt Dr. No), als Roberto Blanco-Lookalike-Butler John, der wie der letzte Uga-Uga-Bimbo von sich (und anderen) nur in der primitivsten Version der dritten Person spricht. Da stapeln sich beschämende Momente bei praktisch jedem seiner Auftritte („John nix verstehen was Mister machen hier“). Ein Traum.

Das ist alles sehr dümmlicher Unfug, besonders wenn versucht wird, sich bei großen Vorbildern ein Stückchen auszuleihen. Sehr bewusst wird sich in zwei Szenen optisch an Nosferatu, eine Symphonie des Grauens orientiert, was absolut nicht elegant oder nur halbwegs gekonnt, aber in diesem dusseligen Selbstbewusstsein sogar ganz putzig erscheint. Hinzu kommen abenteuerliche Plot-Querschläger. Das der bewusst als primitiv, naiv und doof dargestellte „Nix verstehen“ John nicht rafft, dass er jahrelang für einen Ober-Vampir arbeitet, okay. Er ist halt schwarz und freut sich, wenn er den Gong schlagen darf. Das Wissenschaftlerin (!) Maria (Erika Remberg, Die unentschuldigte Stunde) auch schon einige Monate bei Graf Gruselig in seiner kargen Schlotter-Festung haust und selbst ihr nicht plausible Blut-Forschungen durchführen muss – da zieht nun wirklich kein Rassentrennungs-Joker mehr. Mal abgesehen davon, dass dieser vor exakt sechs Monaten urplötzlich die leerstehende Burg bezogen hat, und genau ab dann jeden Monat eine Frau gestorben ist. Ja, Interpol steht vor einem Rätsel, gut das Blitzmerker Dorin auch nur knapp 85 Filmminuten braucht, um endlich mal die schon viel früher gefundene Grotte inklusive Geheimtunnel vom Schloss aus (auch der war schon früher bekannt) mal intensiver zu erforschen. Aber sonst hätten wir nur einen halben Film.

Fazit

„Der Fluch der grünen Augen“, übrigens auch vertrieben unter nicht minder unpassenden Titeln wie „Cabin Of The Living Dead“ oder „Blutrausch der Vampire“, wirkt über weite Strecken eher wie Ed Wood’s DDR-Dracula, der aber trotzdem und auch deshalb einen gewissen Unterhaltungswert hat. Zwischenzeitlich offenbart er gar den Anflug echter Qualitäten. Die letzten Minuten – in dem durchgehend schönen, aber sehr selten zu sehenden Grotten-Set – haben echt etwas. Nur leider sind das ca. 3-4 von 85. Der Rest ist sonderbarer Trash, der aber deshalb so unterhaltsam erscheint, weil er wohl mehr vorhatte, aber auf Gedeih und Verderb daran scheitert. Wenigstes auf eine recht individuelle Weise. Nicht gut, auch keine Gaudi, aber nicht völlig uninteressant in die Hose gegangen.

Autor: Jacko Kunze
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.