Inhalt
James kennt nur einen Ort auf dieser Welt: Den unterirdischen Bunker, in dem Ted und April ihn großziehen. Die beiden haben den Knirps vor Jahren gekidnappt, unterrichten ihn selbst und lassen ihn in dem Glauben, die Außenwelt sei verseucht und unbewohnbar. Doch als die Polizei den Bunker stürmt, bleibt James gar nichts anderes übrig als in die Welt hinauszugehen. Er kommt zurück zu seinen leiblichen Eltern und versucht sich in den „normalen“ Alltag zu integrieren. Insbesondere das Kino hat‘s ihm angetan: Bislang dachte er, die selbstproduzierte Kinderserie „Brigsby Bär“ von Ted wäre das höchste der Gefühle. Fortan verfolgt er gemeinsam mit dem angehenden CGI-Künstler Spencer das Ziel, seinen „Brigsby Bär“ auf die große Leinwand zu bringen.
Kritik
Das grausame und unmenschliche Verbrechen des Josef Fritzl diente als Vorlage für viele Filme. Besonders die Dramen Raum und Michael taten sich hervor. Mit Die Abenteuer von Brigsby Bär nutzt nun ein weiterer Film die Prämisse eines eingesperrten Menschen. Im Gegensatz zu den eben genannten Produktionen steht die Befreiung der Hauptfigur am Anfang. Seine Resozialisierung mit der „echten Welt“ nimmt also den Großteil der Handlung ein.
Dabei finden die Macher durchaus charmante und teils auch bewegende Wege, Komik aus der Situationen zu konzentrieren. Dabei wird das Verbrechen auf den ersten Blick zwar heruntergespielt, allerdings wird Die Abenteuer von Brigsby Bär konsequent aus den Augen des frisch befreiten James (Kyle Mooney, Zoolander 2) erzählt, der als Erwachsener plötzlich damit konfrontiert wird, dass seine angeblichen Eltern seine Entführer waren und die Welt, die sie um ihn herum erschufen, nur eine Burg aus Lügen war.
Die Abenteuer von Brigsby Bär verfolgt einen durchaus interessanten Ansatz. Für James ist diese Lügenburg auch dann noch seine Heimat, wenn er die Wahrheit kennt. Die fiktive Kindersendung Brigsby Bär wird so zum Platzhalter für seine Vergangenheit und eine Zeit, in der er in der Lage war sich ohne Mühen in fest vorgegebenen Arealen zu bewegen und zu behaupten. James' Freiheit ist für ihn das wahre Gefängnis. Sein Plan die fiktive Kinderserie mit einem eigens gedrehten Film abzuschließen markiert für ihn also letztlich einen Abschluss mit der Vergangenheit. Dass seine echte Familie dies als Ablehnung ihnen gegenüber interpretiert ist so verständlich wie auch schädlich.
Regisseur Dave McCary, der hier ein Spielfilmdebüt ablieferte, inszeniert das Alles unaufgeregt, wenn auch ein wenig zu sehr beflügelt vom gängigen Habitus des nordamerikanischen Independent-Kinos. Co-Autor und Hauptdarsteller Kyle Mooney schleicht dabei in geduckter Naiv-Haltung durch den Film, was wunderbar ist. So wird er niemals als Charakter wahrgenommen, der einzig und alleine wegen seiner früheren Opferrolle interessant ist. Wie James nach und nach die für ihn neue Welt ergründet ist hier und da etwas zu putzig und sogar unaufgeregt, es verleiht dem gesamten Film aber eine prägnante, bodenständige Aura.
Der restliche Cast (u.a. Star Wars-Ikone Mark Hamill und Brooklyn Nine-Nine-Darsteller Andy Samberg) agiert ebenfalls ohne dem großen Manierismus zu erliegen, so dass Zuschauer, die das ganz große Drama erwarten, sicherlich enttäuscht werden. Die Abenteuer von Brigsby Bär ist ein beinah zu stiller Film, der seine Tragik sowie seine Komik niemals richtig heraus brüllt, sondern fast schon zärtlich bei sich behält und dabei mit einer großen Detailliebe zu Werke geht.
Fazit
Wer gegen die Mechaniken des US-Independent-Films wettern will, findet bei „Die Abenteuer von Brigsby Bär“ genügend Material. Das ändert aber nichts daran, dass Kyle Mooney und Dave McCary eine empathische Abhandlung gelungen ist, rund um Selbstverwirklichung und die Abwehr, als Opfer stigmatisiert zu werden.
Autor: Sebastian Groß