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Inhalt

Die Geschichte eines jungen Mannes, der nach fünf Jahren, die er unschuldig im Gefängnis verbracht hat, eine junge Frau entführt, um sie seinen Eltern als Ehefrau vorzuführen, damit diese ihn nicht als Versager und Kriminellen ansehen. Doch die Eltern begegnen ihm mit derselben Lieblosigkeit und Ignoranz, mit der sie ihn seit seiner Jugend behandeln. Interessantes Regiedebüt des Musikers, Models und Schauspielers Vincent Gallo. In Rückblenden, die sich stilistisch kunstvoll in die Handlung der Jetztzeit einfügen, vervollständigen die Bilder aus der Jugend die Trostlosigkeit der Gegenwart, die sich äußerlich in einer statischen und kargen Bildgestaltung verdeutlicht.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der Mensch und sein rigoroses Arsenal an Maskierungen und Kostümen. Hinter dem nach außen aufdringlichsten Chauvinisten der Stadt kann ein sensibler Melancholiker stecken; in dem introvertierten Nachbarsjungen von schräg gegenüber unvorstellbare menschliche Abgründe schlummern und die graue Maus aus dem Büro wird in ihrer Freizeit zur zügellosen Nymphomanin. Was sie alle gemeinsam haben: Das essentielle Grundbedürfnis Liebe zu schenken und diese gleichermaßen auch am eigenen Leibe zu erfahren – Wenngleich sich das Geben und Erfahren der Liebe in differentieller Realisation und Variation verdeutlichen. Nur wie soll ein Mensch mit der erschlagenden und gleichermaßen beflügelnden Emotion umgehen, wenn ihm selbst die reinste Form, nämlich übertragen durch die Zuneigung der Eltern, verwehrt bleiben musste? Es folgt die Suche nach der optimalen Verschleierung für den inneren Schmerz und die krampfhafte Rebellion gegen jede Art von zwischenmenschlicher Wärme.

Dass ein solches Verhalten – in welcher Ausprägung auch immer - nur Fassade ist, sollte den meisten klar sein. Es muss sich allerdings auch erst das adäquate Gegenstück finden lassen, das bereit ist, diese Fassade in ihre Einzelteile zu zerschlagen und sich mit der Person hinter dem selbst erschaffenen Wall auseinanderzusetzen, auch wenn das einen wahren Kraftakt nach sich ziehen wird. Einem solchen Prozess nimmt sich Vincent Gallo (Brown Bunny) in seinem großartigen Debütfilm Buffalo '66 an und schafft es dabei, sämtlichen Klischeefallen mit großem Abstand aus dem Weg zu gehen. Hier steht Billy (von Gallo selbst verkörpert) im Mittelpunkt, dessen Elternhaus einer desillusionierten Groteske gleicht, denn während Billys Vater seiner zerbrochenen Gesangkarriere hinterher trauert und die innere Leere mit größtmöglichen Essensportionen stopfen möchte, ist Billys Mutter eine sportsüchtige TV-Konsumentin, die ihrem Sohn das schlechte Timing seiner Geburt vorwirft, schließlich hat sie dadurch ein unheimlich wichtiges Spiel ihrer Mannschaft verpassen müssen.

Interesse zeigt niemand an Billy; jedes Gespräch, jeder Satz zwischen Billy und seinen Eltern zerschellt in vollkommen verschiedenen Richtungen, wichtige Fakten werden einfach vergessen und dann lässt die Frau Mama sogar verlauten, dass sie sich wünscht, Billy wäre einfach nie geboren – um ihm im nächsten Moment einen Berg an Schokolade anzubieten, auf die er schon immer im höchsten Maße allergisch reagierte. Billy nimmt all das hin, mal mit zorniger Stimmlage, mal mit wortkargem Kopfschütteln. Doch am Essenstisch sitzt noch Layla (Christina Ricci, Sleepy Hollow), die Billy seinen Eltern als seine Frau vorstellt, in Wahrheit aber vor einer Tanzschule entführte, sie in diese Rolle zwängte und zum Teil seines enormen Lügenkonstruktes instrumentalisiert. Doch Layla gibt schon bald keine Wiederworte mehr und bleibt an Billys Seite. Warum? Weil sie die Einzige ist, die länger als nur wenige Sekunden in sein Gesicht blickt und erkennt, dass seine flapsige Egomanie nur ein aufgesetzter Schutzmechanismus ist, der ihn davor bewahrt zu erkennen, was für ein Vollversager er doch eigentlich ist und wie bitter nötig er eine intime Stütze in seinem Leben hat, eine Freundin.

Buffalo '66 ist dabei so selbstreflexiv wie universell verständlich, Gallo verarbeitet sowohl individuelle Lebensabschnitte, zeigt aber auch, dass der Mensch in seiner erdrückenden Einsamkeit keine Zukunft besitzen kann. Dabei besitzt sein Indie-Liebesfilm so viele subtile Zwischentöne, gerade in der sich so leise anbahnenden Beziehung zwischen Billy und Layla, dass Buffalo '66 nicht nur vollkommen authentisch und ehrlich wirkt, er verzichtet auch auf jedes plakative Fettnäpfchen und fokussiert mit dem nötigen Ernst, aber nicht ohne stark platzierte Humorspitzen, seine vielseitigen Protagonisten. Gallo erzählt eine einfühlsame Geschichte über die introspektive Annahme und die gegenseitige Einkehr; über die Sehnsucht nach Nähe, die Bewältigung der missratenen Vergangenheit und den gemeinsamen Neuanfang – Hand in Hand. Mal schwierig und verletzend, aber nie überzogen oder verlogen. Buffalo '66 wird durch seine aufrichtige Offenheit zu einem wirklich wunderschönen Film.

Fazit

Authentisch, schwierig, wunderschön: Vincent Gallos Debütfilm "Buffalo '66" ist eine Lektion in Menschenkenntnis. Wie das Entfant terrible hier einen Menschen aus seinem selbst errichteten Gefängnis der Gefühlskälte entreißt, um aufzuzeigen, dass ein Mensch nicht in Einsamkeit funktionieren kann, ist durchweg herzerwährend, ohne jemals in Klischees abzuraten. Ein erstklassiger Film.

Kritik: Pascal Reis

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