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Quelle: themoviedb.org

Verfügbar auf

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Inhalt

Boy, ein junger Witwer, lebt in der Wüste von Arizona, in der Nähre eines Geländes für Atomwaffentests. Als Einsiedler wartet er auf das Ende der Welt und schnitzt Katchinapuppen, die, wie er glaubt, magische Kräfte haben. Als irgendwann ein Paar aus Hollywood mit dem Auto in der Wüste liegen bleibt, kommt Boy ihnen zu Hilfe. Doch er will die beiden nicht gehen lassen, Boy verliebt sich in die Frau und will mit ihr eine bessere Welt erschaffen.

Kritik

„Ich war dem Bösen nah genug, um es auf die Lippen zu küssen.“

Bevor Dark Blood im Jahre 1993 fertiggestellt werden konnte, verstarb Hauptdarsteller River Phoenix (Dogfight) an den Folgen eines Drogencocktails. Die Produktionsfirma entschloss sich daraufhin, das Projekt auf Eis zu legen und begrub es damit (scheinbar) endgültig, was nicht nur den Mythos um den Film, sondern vor allem den um Phoenix nachhaltig befeuerte. Mit reichlich Verspätung aber hat es Dark Blood dann doch noch in die Kinos geschafft, war es Regisseur George Sluizer (Spurlos verschwunden) doch ein Bedürfnis, dem begabten wie sanftmütigen Darsteller, der im Alter von nur 23 Jahren den Tod finden sollte, die letzte ihm mögliche Ehre zu erweisen, indem er sich dem bestehenden Material annahm und es neu montierte. Herausgekommen ist dabei nicht nur ein spannendes Experiment, sondern auch eine beflügelnde Seherfahrung.

Sluizer verwendete also die Szenen, die bereits abgedreht wurden und unterfütterte diese mit beschreibenden Kommentare aus dem Off, um der Geschichte einen logischen Zusammenhang zu geben. Seine Stimme wird damit zum Bindeglied, um erzählerische Leerstellen zu überbrücken respektive zu kitten – und tatsächlich gelingt dieses Vorgehen außerordentlich gut. Dem Stuhl mit zwei Beinen, wie Sluizer Dark Blood nannte, ist ein dritte hinzugefügt worden. Mag das vierte Bein also auch für immer verloren gegangen sein, der Stuhl steht dennoch fest auf dem Boden. Spannend daran ist vor allem zu beobachten, wie das lückenhafte Narrativ eine (Selbst-)Reflexion über das Geschichtenerzählen an und für sich freigibt. Es liegt in der Natur der Sache, dass das durch den Verlust Phoenix' heraufbeschworene Scheitern neue Dimensionen der kognitiven wie sinnlichen Wahrnehmung ermöglicht.

Wortwörtlich ins Rollen gerät die Handlung durch das Ehepaar Buffy (Judy Davis, Naked Lunch) und Harry (Jonathan Pryce, The Man Who Killed Don Quixote), die sich in ihren zweiten Flitterwochen daran versuchen, ihre Beziehung wieder halbwegs in Gang zu setzen, was schon in Ansätzen einem eher kläglichen Versuch gleichkommt: Anstatt einander näherzukommen, fordert man sich in Wortduellen heraus, stellt sich gegenseitig bloß, geht sich auf die Nerven, schafft noch mehr Distanz. Wenn dann auch noch der Wagen, ein schicker Bentley, denn Harry ist Schauspieler, mitten in der Wüste liegen bleibt, scheint der ehelichen (Selbst-)Zerfleischung nichts mehr im Wege zu stehen. Dark Blood lässt das Pärchen allerdings nicht unter sich, sondern konfrontiert es mit Boy (Phoenix), der die ewigen Weiten der Einöde sein Zuhause nennt.

Und mit dem Auftritt von River Phoenix gewinnt der größtenteils als Kammerspiel funktionierende Dark Blood nicht nur an Dynamik, sondern auch an Tiefe, ist Boy doch der Anstoß, um dem vordergründigen Backwood-Thriller eine politische Ebene einzuverleiben, die sich nicht nur dem Genozid an der indigenen Bevölkerung Amerikas widmet, sondern auch den Atomversuchen, die die Wüste zu verstrahltem Boden erklärt hat. Die Verfehlungen und Sünden der Vereinigten Staaten - der Politik, des Militärs, der Wirtschaft -, scheinen sich auf den Schultern Boys abgeladen zu haben, dessen Frau, eine Navajo, an Krebs verstorben ist. Ein Krebs, den das zu große, zu laute, zu schnelle Land in seiner Gier nach Macht, Fortschritt und Entfremdung zu verschulden hat. Boy, durch dessen Adern dunkles Blut pumpt, ist eine Waise des amerikanischen Traums. Das macht gewaltbereit.

George Sluizer, der die Unvollkommenheit des Filmes nutzt, um die Vorstellungskraft der Zuschauer zu stimulieren und die Grenzen zwischen Täter- und Opferrolle noch weiter zu verwischen, besitzt ein ausgesprochen filigranes Auge dafür, den zivilisationskritischen Grundtenor von Dark Blood eine poetisch-spirituellen Patina anzuheften, die von atmosphärischer Dichte durchdringende Bildwelten eröffnet, das Erschließen dieser aber der Wahrnehmung des Zuschaurs überlässt. Wenn ein herber Mond sein Unheil bringendes Licht vom Himmel strahlt und Boy davon berichtet, einem Volk abzustammen, in dem die Menschen auch an einer Melancholie den Tod finden können, dann offenbart der in seinem Setting fast endzeitlich anmutende Dark Blood nicht zuletzt eine bedrückende Todessehnsucht, die gerade in Bezug auf das Schicksal von River Phoenix einer ungemein tragischen Vorausdeutung gleichkommt.

Fazit

Mit "Dark Blood" erhält der Zuschauer die Chance, in den Genuss eines längst für tot erklärten Projekts zu gelangen. Regisseur George Sluizer erweist dem viel zu früh verstorbenen River Phoenix die letzte Ehre und erschafft aus dem bestehenden Material eine sinnliche Reflexion über das Erzählen und das Wahrnehmen. Die Lückenhaftigkeit der Narration ist der zeitlosen Geschichte dabei außerordentlich zuträglich, um die großen Sünden der Vereinigten Staaten anhand eines verstörten Jungen aufzuzeigen, der in der Nacht den Mond anheult, weil ihm sonst nichts mehr im Leben geblieben ist.

Kritik: Pascal Reis

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